Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Armeekorps halten. Vor allen Dingen muß doch der Schutz im richtigen Ver¬
hältnis zur Summe der zu schützenden Interessen stehn. Fordern diese einmal
in künftigen Generationen eine solche Flotte, wie der Herr Einsender sie verlangt,
so wird Deutschland auch in der Lage sein, diesen Schutz ohne Rücksicht auf irgend¬
eine andre Macht zu sthasfen und zu leisten. Warten wir zunächst einmal die
Entwicklung von China selbst ab. Kommt dort früher oder später die chinesische
Reformpartei an das Regiment, die den Japanern schon vor zehn Jahren riet,
Rußland vor Fertigstellung der sibirischen Bahn anzugreifen und aus Ostasien zu
werfen, dann können sich dort sehr merkwürdige Verhältnisse ausbilden, denn der
reformfreundliche Chinese wird zwar eine starke patriotische Fiber entwickeln, aber
seine Anlehnung doch auf lange Zeit an die wirklichen Kulturkräfte Europas suchen
müssen, unter denen Deutschland hoffentlich immer in der vordersten Linie bleibt.


h- I-
Katholisches.

Nach Beendigung des Deutsch-französischen Krieges hat der
Protestantische Prediger Arbousse-Bastide in Predigten und in einer diese zusammen¬
fassenden Schrift: 1>hö xgeuss as la, Frauos den Franzosen ihr Sündenregister vor¬
gehalten. Ein Ultramontaner, der sich Franko - Germanus nennt, findet das
Register unvollständig; die schlimmsten Verschuldungen habe der Protestant, als
solcher, natürlich nicht wahrnehmen können, die Ungerechtigkeiten, die die fälschlich
sogenannten allerchrtstlichsten Könige gegen die katholische Kirche und den Papst
verübt hätten. Diese stellt er nun in der Schrift: Frankreichs Versündigungen
an der Kirche und Christenheit (München, Joseph Roth, 1904) vom ultra¬
montanen Standpunkt aus dar, der selbstverständlich nicht der unsre ist. Daß
Monarchen wie Ludwig der Vierzehnte den Klerus für die schwarze Garde des
Polizeistaats ansahen und als solche gebrauchten, billigen auch wir nicht; aber wenn
sich die französischen Könige, gleich den englischen, besonders von Philipp dem
Schönen an, in Eintracht mit den Ständen die päpstlichen Einmischungen in die
Staatsverwaltung vom Leibe gehalten und die päpstlichen Anmaßungen energisch
zurückgewiesen haben, so haben sie damit nur eine der ersten Pflichten gegen Staat
und Vaterland erfüllt. Der Verfasser irrt auch, wenn er sich die Behauptung des
ultramontanen Staatslexikons aneignet, der Gallikcmismns, wie das Streben der
französischen Kirche nach relativer Unabhängigkeit von Rom genannt wird, ver¬
schulde das Elend Frankreichs. Frankreich ist doch erst unter dem dritten Napoleon
elend geworden, der der Bigotterie des Klerus und der Weiber, auf die er sich
stützte, die Zügel schießen ließ. Die französische Männerwelt ist viel zu weltlich¬
praktisch, zu skeptisch und zu spottsüchtig, als daß sie fromm sein könnte; das
gallische Blut herrscht bei ihr vor. Die aber fromm sind, das heißt die meisten
Frauen und eine Minderheit der Männer, sind es auf abergläubische und kindische
Weise. Ihre Frömmigkeit äußert sich in Wundersucht, in einer Häufung täppischer
und widerlicher Andachten und in einem fanatischen Orthodoxismus. Sie besonders
sind es, die, wie Dupanloup klagen mußte, mit ihrer Pöbelagitation die törichten
Dogmatisierungen des neunten Pius betrieben haben, sie sind es, die nach 1870
vor den "Herzen," den wirklichen fleischernen Herzen, natürlich nur gemalten, Jesu
und Mariä geheult haben: Sauvs? Roms se Is, Graues! und die zuerst auf den
Teufel Bitrou und die Miß Vaughcm hineingefallen sind. Die französischen Staats¬
behörden tun nur ihre Schuldigkeit, wenn sie diese Art Frömmigkeit eindämmen,
die der Religion nicht weniger schadet als dem Staate. Der Verfasser ist ehrlich
genug, zu erwähnen, daß die französischen Könige des sechzehnten Jahrhunderts,
während sie mit den deutschen Protestanten und sogar mit den Türken verbündet
waren, über die Protestanten im eignen Lande blutige Verfolgungen verhängten,
aber er vergißt, daß die Verfolgungen ganz im Sinne Roms waren und von den
Päpsten sicherlich nicht als ein ihnen zugefügtes Unrecht empfunden worden sind.
Als eine brauchbare Übersicht über die Geschichte des Gallikanismus kann die
Broschüre empfohlen werden. -- Als eine erfreuliche Erscheinung begrüßen wir:


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Armeekorps halten. Vor allen Dingen muß doch der Schutz im richtigen Ver¬
hältnis zur Summe der zu schützenden Interessen stehn. Fordern diese einmal
in künftigen Generationen eine solche Flotte, wie der Herr Einsender sie verlangt,
so wird Deutschland auch in der Lage sein, diesen Schutz ohne Rücksicht auf irgend¬
eine andre Macht zu sthasfen und zu leisten. Warten wir zunächst einmal die
Entwicklung von China selbst ab. Kommt dort früher oder später die chinesische
Reformpartei an das Regiment, die den Japanern schon vor zehn Jahren riet,
Rußland vor Fertigstellung der sibirischen Bahn anzugreifen und aus Ostasien zu
werfen, dann können sich dort sehr merkwürdige Verhältnisse ausbilden, denn der
reformfreundliche Chinese wird zwar eine starke patriotische Fiber entwickeln, aber
seine Anlehnung doch auf lange Zeit an die wirklichen Kulturkräfte Europas suchen
müssen, unter denen Deutschland hoffentlich immer in der vordersten Linie bleibt.


h- I-
Katholisches.

Nach Beendigung des Deutsch-französischen Krieges hat der
Protestantische Prediger Arbousse-Bastide in Predigten und in einer diese zusammen¬
fassenden Schrift: 1>hö xgeuss as la, Frauos den Franzosen ihr Sündenregister vor¬
gehalten. Ein Ultramontaner, der sich Franko - Germanus nennt, findet das
Register unvollständig; die schlimmsten Verschuldungen habe der Protestant, als
solcher, natürlich nicht wahrnehmen können, die Ungerechtigkeiten, die die fälschlich
sogenannten allerchrtstlichsten Könige gegen die katholische Kirche und den Papst
verübt hätten. Diese stellt er nun in der Schrift: Frankreichs Versündigungen
an der Kirche und Christenheit (München, Joseph Roth, 1904) vom ultra¬
montanen Standpunkt aus dar, der selbstverständlich nicht der unsre ist. Daß
Monarchen wie Ludwig der Vierzehnte den Klerus für die schwarze Garde des
Polizeistaats ansahen und als solche gebrauchten, billigen auch wir nicht; aber wenn
sich die französischen Könige, gleich den englischen, besonders von Philipp dem
Schönen an, in Eintracht mit den Ständen die päpstlichen Einmischungen in die
Staatsverwaltung vom Leibe gehalten und die päpstlichen Anmaßungen energisch
zurückgewiesen haben, so haben sie damit nur eine der ersten Pflichten gegen Staat
und Vaterland erfüllt. Der Verfasser irrt auch, wenn er sich die Behauptung des
ultramontanen Staatslexikons aneignet, der Gallikcmismns, wie das Streben der
französischen Kirche nach relativer Unabhängigkeit von Rom genannt wird, ver¬
schulde das Elend Frankreichs. Frankreich ist doch erst unter dem dritten Napoleon
elend geworden, der der Bigotterie des Klerus und der Weiber, auf die er sich
stützte, die Zügel schießen ließ. Die französische Männerwelt ist viel zu weltlich¬
praktisch, zu skeptisch und zu spottsüchtig, als daß sie fromm sein könnte; das
gallische Blut herrscht bei ihr vor. Die aber fromm sind, das heißt die meisten
Frauen und eine Minderheit der Männer, sind es auf abergläubische und kindische
Weise. Ihre Frömmigkeit äußert sich in Wundersucht, in einer Häufung täppischer
und widerlicher Andachten und in einem fanatischen Orthodoxismus. Sie besonders
sind es, die, wie Dupanloup klagen mußte, mit ihrer Pöbelagitation die törichten
Dogmatisierungen des neunten Pius betrieben haben, sie sind es, die nach 1870
vor den „Herzen," den wirklichen fleischernen Herzen, natürlich nur gemalten, Jesu
und Mariä geheult haben: Sauvs? Roms se Is, Graues! und die zuerst auf den
Teufel Bitrou und die Miß Vaughcm hineingefallen sind. Die französischen Staats¬
behörden tun nur ihre Schuldigkeit, wenn sie diese Art Frömmigkeit eindämmen,
die der Religion nicht weniger schadet als dem Staate. Der Verfasser ist ehrlich
genug, zu erwähnen, daß die französischen Könige des sechzehnten Jahrhunderts,
während sie mit den deutschen Protestanten und sogar mit den Türken verbündet
waren, über die Protestanten im eignen Lande blutige Verfolgungen verhängten,
aber er vergißt, daß die Verfolgungen ganz im Sinne Roms waren und von den
Päpsten sicherlich nicht als ein ihnen zugefügtes Unrecht empfunden worden sind.
Als eine brauchbare Übersicht über die Geschichte des Gallikanismus kann die
Broschüre empfohlen werden. — Als eine erfreuliche Erscheinung begrüßen wir:


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0397" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297916"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1918" prev="#ID_1917"> Armeekorps halten. Vor allen Dingen muß doch der Schutz im richtigen Ver¬<lb/>
hältnis zur Summe der zu schützenden Interessen stehn. Fordern diese einmal<lb/>
in künftigen Generationen eine solche Flotte, wie der Herr Einsender sie verlangt,<lb/>
so wird Deutschland auch in der Lage sein, diesen Schutz ohne Rücksicht auf irgend¬<lb/>
eine andre Macht zu sthasfen und zu leisten. Warten wir zunächst einmal die<lb/>
Entwicklung von China selbst ab. Kommt dort früher oder später die chinesische<lb/>
Reformpartei an das Regiment, die den Japanern schon vor zehn Jahren riet,<lb/>
Rußland vor Fertigstellung der sibirischen Bahn anzugreifen und aus Ostasien zu<lb/>
werfen, dann können sich dort sehr merkwürdige Verhältnisse ausbilden, denn der<lb/>
reformfreundliche Chinese wird zwar eine starke patriotische Fiber entwickeln, aber<lb/>
seine Anlehnung doch auf lange Zeit an die wirklichen Kulturkräfte Europas suchen<lb/>
müssen, unter denen Deutschland hoffentlich immer in der vordersten Linie bleibt.</p><lb/>
            <note type="byline"> h- I-</note><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Katholisches.</head>
            <p xml:id="ID_1919" next="#ID_1920"> Nach Beendigung des Deutsch-französischen Krieges hat der<lb/>
Protestantische Prediger Arbousse-Bastide in Predigten und in einer diese zusammen¬<lb/>
fassenden Schrift: 1&gt;hö xgeuss as la, Frauos den Franzosen ihr Sündenregister vor¬<lb/>
gehalten. Ein Ultramontaner, der sich Franko - Germanus nennt, findet das<lb/>
Register unvollständig; die schlimmsten Verschuldungen habe der Protestant, als<lb/>
solcher, natürlich nicht wahrnehmen können, die Ungerechtigkeiten, die die fälschlich<lb/>
sogenannten allerchrtstlichsten Könige gegen die katholische Kirche und den Papst<lb/>
verübt hätten. Diese stellt er nun in der Schrift: Frankreichs Versündigungen<lb/>
an der Kirche und Christenheit (München, Joseph Roth, 1904) vom ultra¬<lb/>
montanen Standpunkt aus dar, der selbstverständlich nicht der unsre ist. Daß<lb/>
Monarchen wie Ludwig der Vierzehnte den Klerus für die schwarze Garde des<lb/>
Polizeistaats ansahen und als solche gebrauchten, billigen auch wir nicht; aber wenn<lb/>
sich die französischen Könige, gleich den englischen, besonders von Philipp dem<lb/>
Schönen an, in Eintracht mit den Ständen die päpstlichen Einmischungen in die<lb/>
Staatsverwaltung vom Leibe gehalten und die päpstlichen Anmaßungen energisch<lb/>
zurückgewiesen haben, so haben sie damit nur eine der ersten Pflichten gegen Staat<lb/>
und Vaterland erfüllt. Der Verfasser irrt auch, wenn er sich die Behauptung des<lb/>
ultramontanen Staatslexikons aneignet, der Gallikcmismns, wie das Streben der<lb/>
französischen Kirche nach relativer Unabhängigkeit von Rom genannt wird, ver¬<lb/>
schulde das Elend Frankreichs. Frankreich ist doch erst unter dem dritten Napoleon<lb/>
elend geworden, der der Bigotterie des Klerus und der Weiber, auf die er sich<lb/>
stützte, die Zügel schießen ließ. Die französische Männerwelt ist viel zu weltlich¬<lb/>
praktisch, zu skeptisch und zu spottsüchtig, als daß sie fromm sein könnte; das<lb/>
gallische Blut herrscht bei ihr vor. Die aber fromm sind, das heißt die meisten<lb/>
Frauen und eine Minderheit der Männer, sind es auf abergläubische und kindische<lb/>
Weise. Ihre Frömmigkeit äußert sich in Wundersucht, in einer Häufung täppischer<lb/>
und widerlicher Andachten und in einem fanatischen Orthodoxismus. Sie besonders<lb/>
sind es, die, wie Dupanloup klagen mußte, mit ihrer Pöbelagitation die törichten<lb/>
Dogmatisierungen des neunten Pius betrieben haben, sie sind es, die nach 1870<lb/>
vor den &#x201E;Herzen," den wirklichen fleischernen Herzen, natürlich nur gemalten, Jesu<lb/>
und Mariä geheult haben: Sauvs? Roms se Is, Graues! und die zuerst auf den<lb/>
Teufel Bitrou und die Miß Vaughcm hineingefallen sind. Die französischen Staats¬<lb/>
behörden tun nur ihre Schuldigkeit, wenn sie diese Art Frömmigkeit eindämmen,<lb/>
die der Religion nicht weniger schadet als dem Staate. Der Verfasser ist ehrlich<lb/>
genug, zu erwähnen, daß die französischen Könige des sechzehnten Jahrhunderts,<lb/>
während sie mit den deutschen Protestanten und sogar mit den Türken verbündet<lb/>
waren, über die Protestanten im eignen Lande blutige Verfolgungen verhängten,<lb/>
aber er vergißt, daß die Verfolgungen ganz im Sinne Roms waren und von den<lb/>
Päpsten sicherlich nicht als ein ihnen zugefügtes Unrecht empfunden worden sind.<lb/>
Als eine brauchbare Übersicht über die Geschichte des Gallikanismus kann die<lb/>
Broschüre empfohlen werden. &#x2014; Als eine erfreuliche Erscheinung begrüßen wir:</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0397] Maßgebliches und Unmaßgebliches Armeekorps halten. Vor allen Dingen muß doch der Schutz im richtigen Ver¬ hältnis zur Summe der zu schützenden Interessen stehn. Fordern diese einmal in künftigen Generationen eine solche Flotte, wie der Herr Einsender sie verlangt, so wird Deutschland auch in der Lage sein, diesen Schutz ohne Rücksicht auf irgend¬ eine andre Macht zu sthasfen und zu leisten. Warten wir zunächst einmal die Entwicklung von China selbst ab. Kommt dort früher oder später die chinesische Reformpartei an das Regiment, die den Japanern schon vor zehn Jahren riet, Rußland vor Fertigstellung der sibirischen Bahn anzugreifen und aus Ostasien zu werfen, dann können sich dort sehr merkwürdige Verhältnisse ausbilden, denn der reformfreundliche Chinese wird zwar eine starke patriotische Fiber entwickeln, aber seine Anlehnung doch auf lange Zeit an die wirklichen Kulturkräfte Europas suchen müssen, unter denen Deutschland hoffentlich immer in der vordersten Linie bleibt. h- I- Katholisches. Nach Beendigung des Deutsch-französischen Krieges hat der Protestantische Prediger Arbousse-Bastide in Predigten und in einer diese zusammen¬ fassenden Schrift: 1>hö xgeuss as la, Frauos den Franzosen ihr Sündenregister vor¬ gehalten. Ein Ultramontaner, der sich Franko - Germanus nennt, findet das Register unvollständig; die schlimmsten Verschuldungen habe der Protestant, als solcher, natürlich nicht wahrnehmen können, die Ungerechtigkeiten, die die fälschlich sogenannten allerchrtstlichsten Könige gegen die katholische Kirche und den Papst verübt hätten. Diese stellt er nun in der Schrift: Frankreichs Versündigungen an der Kirche und Christenheit (München, Joseph Roth, 1904) vom ultra¬ montanen Standpunkt aus dar, der selbstverständlich nicht der unsre ist. Daß Monarchen wie Ludwig der Vierzehnte den Klerus für die schwarze Garde des Polizeistaats ansahen und als solche gebrauchten, billigen auch wir nicht; aber wenn sich die französischen Könige, gleich den englischen, besonders von Philipp dem Schönen an, in Eintracht mit den Ständen die päpstlichen Einmischungen in die Staatsverwaltung vom Leibe gehalten und die päpstlichen Anmaßungen energisch zurückgewiesen haben, so haben sie damit nur eine der ersten Pflichten gegen Staat und Vaterland erfüllt. Der Verfasser irrt auch, wenn er sich die Behauptung des ultramontanen Staatslexikons aneignet, der Gallikcmismns, wie das Streben der französischen Kirche nach relativer Unabhängigkeit von Rom genannt wird, ver¬ schulde das Elend Frankreichs. Frankreich ist doch erst unter dem dritten Napoleon elend geworden, der der Bigotterie des Klerus und der Weiber, auf die er sich stützte, die Zügel schießen ließ. Die französische Männerwelt ist viel zu weltlich¬ praktisch, zu skeptisch und zu spottsüchtig, als daß sie fromm sein könnte; das gallische Blut herrscht bei ihr vor. Die aber fromm sind, das heißt die meisten Frauen und eine Minderheit der Männer, sind es auf abergläubische und kindische Weise. Ihre Frömmigkeit äußert sich in Wundersucht, in einer Häufung täppischer und widerlicher Andachten und in einem fanatischen Orthodoxismus. Sie besonders sind es, die, wie Dupanloup klagen mußte, mit ihrer Pöbelagitation die törichten Dogmatisierungen des neunten Pius betrieben haben, sie sind es, die nach 1870 vor den „Herzen," den wirklichen fleischernen Herzen, natürlich nur gemalten, Jesu und Mariä geheult haben: Sauvs? Roms se Is, Graues! und die zuerst auf den Teufel Bitrou und die Miß Vaughcm hineingefallen sind. Die französischen Staats¬ behörden tun nur ihre Schuldigkeit, wenn sie diese Art Frömmigkeit eindämmen, die der Religion nicht weniger schadet als dem Staate. Der Verfasser ist ehrlich genug, zu erwähnen, daß die französischen Könige des sechzehnten Jahrhunderts, während sie mit den deutschen Protestanten und sogar mit den Türken verbündet waren, über die Protestanten im eignen Lande blutige Verfolgungen verhängten, aber er vergißt, daß die Verfolgungen ganz im Sinne Roms waren und von den Päpsten sicherlich nicht als ein ihnen zugefügtes Unrecht empfunden worden sind. Als eine brauchbare Übersicht über die Geschichte des Gallikanismus kann die Broschüre empfohlen werden. — Als eine erfreuliche Erscheinung begrüßen wir:

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/397
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/397>, abgerufen am 27.09.2024.