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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

ging ihn die alte Närrin an? -- Er kehrte zu seinem Lehnstuhl zurück. Was
war das? Ein Schuß? Dem Amtshauptmann lief ein kalter Schauder durchs
Gebein. Es duldete ihn nicht auf seinem Stuhle, er trat wieder ans Fenster.
Da stand die Arte Bett immer noch und sang, und der Schwarm großer grauer
Mücken summte ihr um den Kopf. -- Was willst du? rief er zum Fenster hinaus.

Der Herr Doktor läßt Ihnen sagen, antwortete die Arte mit harter, feind¬
seliger Stimme, Sie möchten auf Ihr Haus achten.

Den Herrn Doktor soll der Teufel holen, erwiderte der Amtshauptmann
wütend und warf das Fenster zu.

Die Arte kehrte sich gleichmütig um und ging.

Verrückter Unsinn, dachte Groppoff. Wollte man ihn einschüchtern? Er war
nicht der Mann dazu, sich graulig machen zu lassen. Und doch war es eine un¬
heimliche Sache, einen Angriff erwarten zu sollen und nicht zu wissen, von welcher
Seite er kommen werde. Etwas mußte im Werke sein. Und daß ihn mancher
im Dorfe nicht liebte, wußte er. Er hatte auch keinen Wert darauf gelegt, geliebt
zu werden; es hatte ihm genügt, gefürchtet zu werden. -- Wie aber geht es dem
alten Löwen, dessen Zähne stumpf werden? Jeder Esel glaubt ihm einen Fu߬
tritt versetzen zu können. Vielleicht hielten sie ihn für einen alten Löwen, der
anfängt stumpf zu werden, und vielleicht hatten sie damit nicht ganz Unrecht.

Er ging durch sein Haus. Alle Türen standen offen, aber kein Mensch war
da, dem er hätte gebieten, oder den er hätte verantwortlich machen können. Vou
der Wegseite aus, wohin die Fenster seines Zimmers gingen, war nichts zu fürchten.
Aber an die Scheune, die jenseits des Weges lag, konnte man von unten, dem
Strande aus, ungesehen gelangen. Und auch die Gartenseite des Hauses war ge¬
fährdet. Groppoff durchsuchte seinen Garten, ohne etwas zu finden. Horch! War
das nicht der Klang von Schritten, die sich eilig entfernten? -- Er suchte weiter
und fand zwischen Gras und Laub versteckt eine Zündschnur, die zu einem Haufen
Steine führte, der gerade unter dem Fenster seines Schlafzimmers lag. Und in
diesem Haufen fand er eine Dynamitpatrone, die so groß war, daß sie Unheil
genug hätte anrichten können. Groppoff lachte grimmig auf, schnitt die Zündschnur
durch und warf die Patrone in ein Wasserfaß. So hatten der Pastor und der
Doktor doch Recht gehabt.

Groppoff kehrte, obgleich er das Unheil glücklich abgewandt hatte, weniger
selbstvertrauend in sein Haus zurück. Die Lage war ernst, es gab mehr Dynamit¬
patronen in der Welt als diese eine, der Anschlag konnte sich jeden Augenblick
wiederholen. Vielleicht war es das beste, zu tun, was der Pastor geraten hatte,
zu verschwinden, bis sich die Aufregung gelegt hatte, und dann das Wespennest
gründlich auszunehmen. Vielleicht mit Madüe zusammen auf See gehn. Nein, das
war unmöglich. Er hätte sich damit selbst als schuldig bekannt. Oder Madüe in
seinem Laternenkasten sitzen lassen und in dem Boote ohne ihn davongehn. Das
war ein Gedanke, der nicht eines gewissen grausamen Humors entbehrte; aber auch
das ging nicht. Wenn er sein Spiel nicht verloren geben wollte, mußte er auf
seinem Posten ausharren und allem, was auch kommen mochte, die Stirn bieten..
Jedenfalls mußte, wenn erst die Dämmerung gekommen war, das Boot ausge¬
rüstet werden. Und inzwischen galt es, kalt Blut zu behalten und auf dem Posten
zu bleiben. -- Was war das? Fiel da nicht ein Schuß? Ja, diesesmal war es
wirklich ein Schuß, und Groppoff glaubte wahrnehmen zu können, daß es der Ton
seiner Büchse war. Wenn dieser Schuß getroffen hatte, dann hatte er das Herz
seiner Eva getroffen! Nur ruhig Blut, nur ruhig Blut! Die Kugel ist aus dem
Rohre, die hält niemand auf, und was kommt, das kommt. Es gibt keine Sünde,
und es gibt keine Schuld -- aber es gibt Nerven!

Die Sonne war untergegangen. Die Mondsichel schwamm wie eine goldne
Barke auf der lichten Flut des Abendroth. Es war ein warmer, schöner Abend,
kaum daß sich ein leichter Wind regte, und die See hatte fast keine Welle. Dort


Herrenmenschen

ging ihn die alte Närrin an? — Er kehrte zu seinem Lehnstuhl zurück. Was
war das? Ein Schuß? Dem Amtshauptmann lief ein kalter Schauder durchs
Gebein. Es duldete ihn nicht auf seinem Stuhle, er trat wieder ans Fenster.
Da stand die Arte Bett immer noch und sang, und der Schwarm großer grauer
Mücken summte ihr um den Kopf. — Was willst du? rief er zum Fenster hinaus.

Der Herr Doktor läßt Ihnen sagen, antwortete die Arte mit harter, feind¬
seliger Stimme, Sie möchten auf Ihr Haus achten.

Den Herrn Doktor soll der Teufel holen, erwiderte der Amtshauptmann
wütend und warf das Fenster zu.

Die Arte kehrte sich gleichmütig um und ging.

Verrückter Unsinn, dachte Groppoff. Wollte man ihn einschüchtern? Er war
nicht der Mann dazu, sich graulig machen zu lassen. Und doch war es eine un¬
heimliche Sache, einen Angriff erwarten zu sollen und nicht zu wissen, von welcher
Seite er kommen werde. Etwas mußte im Werke sein. Und daß ihn mancher
im Dorfe nicht liebte, wußte er. Er hatte auch keinen Wert darauf gelegt, geliebt
zu werden; es hatte ihm genügt, gefürchtet zu werden. — Wie aber geht es dem
alten Löwen, dessen Zähne stumpf werden? Jeder Esel glaubt ihm einen Fu߬
tritt versetzen zu können. Vielleicht hielten sie ihn für einen alten Löwen, der
anfängt stumpf zu werden, und vielleicht hatten sie damit nicht ganz Unrecht.

Er ging durch sein Haus. Alle Türen standen offen, aber kein Mensch war
da, dem er hätte gebieten, oder den er hätte verantwortlich machen können. Vou
der Wegseite aus, wohin die Fenster seines Zimmers gingen, war nichts zu fürchten.
Aber an die Scheune, die jenseits des Weges lag, konnte man von unten, dem
Strande aus, ungesehen gelangen. Und auch die Gartenseite des Hauses war ge¬
fährdet. Groppoff durchsuchte seinen Garten, ohne etwas zu finden. Horch! War
das nicht der Klang von Schritten, die sich eilig entfernten? — Er suchte weiter
und fand zwischen Gras und Laub versteckt eine Zündschnur, die zu einem Haufen
Steine führte, der gerade unter dem Fenster seines Schlafzimmers lag. Und in
diesem Haufen fand er eine Dynamitpatrone, die so groß war, daß sie Unheil
genug hätte anrichten können. Groppoff lachte grimmig auf, schnitt die Zündschnur
durch und warf die Patrone in ein Wasserfaß. So hatten der Pastor und der
Doktor doch Recht gehabt.

Groppoff kehrte, obgleich er das Unheil glücklich abgewandt hatte, weniger
selbstvertrauend in sein Haus zurück. Die Lage war ernst, es gab mehr Dynamit¬
patronen in der Welt als diese eine, der Anschlag konnte sich jeden Augenblick
wiederholen. Vielleicht war es das beste, zu tun, was der Pastor geraten hatte,
zu verschwinden, bis sich die Aufregung gelegt hatte, und dann das Wespennest
gründlich auszunehmen. Vielleicht mit Madüe zusammen auf See gehn. Nein, das
war unmöglich. Er hätte sich damit selbst als schuldig bekannt. Oder Madüe in
seinem Laternenkasten sitzen lassen und in dem Boote ohne ihn davongehn. Das
war ein Gedanke, der nicht eines gewissen grausamen Humors entbehrte; aber auch
das ging nicht. Wenn er sein Spiel nicht verloren geben wollte, mußte er auf
seinem Posten ausharren und allem, was auch kommen mochte, die Stirn bieten..
Jedenfalls mußte, wenn erst die Dämmerung gekommen war, das Boot ausge¬
rüstet werden. Und inzwischen galt es, kalt Blut zu behalten und auf dem Posten
zu bleiben. — Was war das? Fiel da nicht ein Schuß? Ja, diesesmal war es
wirklich ein Schuß, und Groppoff glaubte wahrnehmen zu können, daß es der Ton
seiner Büchse war. Wenn dieser Schuß getroffen hatte, dann hatte er das Herz
seiner Eva getroffen! Nur ruhig Blut, nur ruhig Blut! Die Kugel ist aus dem
Rohre, die hält niemand auf, und was kommt, das kommt. Es gibt keine Sünde,
und es gibt keine Schuld — aber es gibt Nerven!

Die Sonne war untergegangen. Die Mondsichel schwamm wie eine goldne
Barke auf der lichten Flut des Abendroth. Es war ein warmer, schöner Abend,
kaum daß sich ein leichter Wind regte, und die See hatte fast keine Welle. Dort


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[0326] Herrenmenschen ging ihn die alte Närrin an? — Er kehrte zu seinem Lehnstuhl zurück. Was war das? Ein Schuß? Dem Amtshauptmann lief ein kalter Schauder durchs Gebein. Es duldete ihn nicht auf seinem Stuhle, er trat wieder ans Fenster. Da stand die Arte Bett immer noch und sang, und der Schwarm großer grauer Mücken summte ihr um den Kopf. — Was willst du? rief er zum Fenster hinaus. Der Herr Doktor läßt Ihnen sagen, antwortete die Arte mit harter, feind¬ seliger Stimme, Sie möchten auf Ihr Haus achten. Den Herrn Doktor soll der Teufel holen, erwiderte der Amtshauptmann wütend und warf das Fenster zu. Die Arte kehrte sich gleichmütig um und ging. Verrückter Unsinn, dachte Groppoff. Wollte man ihn einschüchtern? Er war nicht der Mann dazu, sich graulig machen zu lassen. Und doch war es eine un¬ heimliche Sache, einen Angriff erwarten zu sollen und nicht zu wissen, von welcher Seite er kommen werde. Etwas mußte im Werke sein. Und daß ihn mancher im Dorfe nicht liebte, wußte er. Er hatte auch keinen Wert darauf gelegt, geliebt zu werden; es hatte ihm genügt, gefürchtet zu werden. — Wie aber geht es dem alten Löwen, dessen Zähne stumpf werden? Jeder Esel glaubt ihm einen Fu߬ tritt versetzen zu können. Vielleicht hielten sie ihn für einen alten Löwen, der anfängt stumpf zu werden, und vielleicht hatten sie damit nicht ganz Unrecht. Er ging durch sein Haus. Alle Türen standen offen, aber kein Mensch war da, dem er hätte gebieten, oder den er hätte verantwortlich machen können. Vou der Wegseite aus, wohin die Fenster seines Zimmers gingen, war nichts zu fürchten. Aber an die Scheune, die jenseits des Weges lag, konnte man von unten, dem Strande aus, ungesehen gelangen. Und auch die Gartenseite des Hauses war ge¬ fährdet. Groppoff durchsuchte seinen Garten, ohne etwas zu finden. Horch! War das nicht der Klang von Schritten, die sich eilig entfernten? — Er suchte weiter und fand zwischen Gras und Laub versteckt eine Zündschnur, die zu einem Haufen Steine führte, der gerade unter dem Fenster seines Schlafzimmers lag. Und in diesem Haufen fand er eine Dynamitpatrone, die so groß war, daß sie Unheil genug hätte anrichten können. Groppoff lachte grimmig auf, schnitt die Zündschnur durch und warf die Patrone in ein Wasserfaß. So hatten der Pastor und der Doktor doch Recht gehabt. Groppoff kehrte, obgleich er das Unheil glücklich abgewandt hatte, weniger selbstvertrauend in sein Haus zurück. Die Lage war ernst, es gab mehr Dynamit¬ patronen in der Welt als diese eine, der Anschlag konnte sich jeden Augenblick wiederholen. Vielleicht war es das beste, zu tun, was der Pastor geraten hatte, zu verschwinden, bis sich die Aufregung gelegt hatte, und dann das Wespennest gründlich auszunehmen. Vielleicht mit Madüe zusammen auf See gehn. Nein, das war unmöglich. Er hätte sich damit selbst als schuldig bekannt. Oder Madüe in seinem Laternenkasten sitzen lassen und in dem Boote ohne ihn davongehn. Das war ein Gedanke, der nicht eines gewissen grausamen Humors entbehrte; aber auch das ging nicht. Wenn er sein Spiel nicht verloren geben wollte, mußte er auf seinem Posten ausharren und allem, was auch kommen mochte, die Stirn bieten.. Jedenfalls mußte, wenn erst die Dämmerung gekommen war, das Boot ausge¬ rüstet werden. Und inzwischen galt es, kalt Blut zu behalten und auf dem Posten zu bleiben. — Was war das? Fiel da nicht ein Schuß? Ja, diesesmal war es wirklich ein Schuß, und Groppoff glaubte wahrnehmen zu können, daß es der Ton seiner Büchse war. Wenn dieser Schuß getroffen hatte, dann hatte er das Herz seiner Eva getroffen! Nur ruhig Blut, nur ruhig Blut! Die Kugel ist aus dem Rohre, die hält niemand auf, und was kommt, das kommt. Es gibt keine Sünde, und es gibt keine Schuld — aber es gibt Nerven! Die Sonne war untergegangen. Die Mondsichel schwamm wie eine goldne Barke auf der lichten Flut des Abendroth. Es war ein warmer, schöner Abend, kaum daß sich ein leichter Wind regte, und die See hatte fast keine Welle. Dort

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/326>, abgerufen am 20.10.2024.