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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Weitere Erinnerungen einer Lehrerin

der Bewegung. Es sind dieselben, von denen die erwähnten Anträge ausge¬
gangen sind, die den L. V. in das politische Leben hineinzerren wollten. Ihr
vornehmstes Agitationsmittel ist -- die Bewegung gegen die katholischen Kor¬
porationen!

Auf diese Bestrebungen passen wirklich die Worte des katholischen Finken
Konstantin Kleefisch, die er auf die katholischen Korporationen überhaupt ge¬
prägt hat: "Wir wissen wohl, daß eine romanisierende Richtung in unsrer
Kirche uns Studenten zu uniformen Organisationen sammeln, daß eine poli¬
tisierende Richtung uns als Werkzeug und Nachwuchs benutzen möchte"
(Rheinische Hochschulzeitung vom 15. Mai d. I.). Möge endlich auch der Teil
der deutschen Studentenschaft und der deutschen Presse, der zurzeit unbewußt
eine Richtung stärkt, die er sonst bekämpft, die katholischen Studentenkorpo¬
rationen als das erkennen, was sie in Wahrheit sind, studentische Korporationen.
Sonst könnte der Fall eintreten, daß binnen weniger Monate in einem großen
Bruchteil der deutschen Studentenschaft der Untergang des Studententums zur
Tatsache geworden wäre. Das nämlich wäre für den <ü. V. die Folge des
Sieges der Gauverbände.




Weitere Erinnerungen einer Lehrerin

isher habe ich versucht, Streiflichter auf das Leben einer Lehrerin
zu werfen, soweit es sich auf die Berufstütigkeit, auf die Arbeit
an den schulpflichtigen Kindern, deren Elternhaus und auf die
soziale Hilfsarbeit bezieht. Diese soziale Hilfsarbeit erstreckt sich
nicht nur auf die schulpflichtigen Kinder, sie muß bei ihnen be¬
ginnen und dann auf die aus der Schule entlassenen Mädchen ausgedehnt
werden. In dieser weiter ausgedehnten Arbeit ist die Schule, die Lehrerin
auf die Mithilfe einsichtiger Männer und Frauen angewiesen. Hier heißt es
gemeinsam Hand in Hand arbeiten, das Nötige weiter ausbauen oder über¬
haupt erst schaffen. Die Schule kann nur die Anregung geben, die Unter¬
stützung muß uns von außen kommen.

Die deutsche Volksschule ist Standesschnle, bestimmt, die Kinder der um
Lohn arbeitenden Klassen für das Leben vorzubereiten. Diese Aufgabe ist den
Mädchen gegenüber schwerer, denn neben dem allgemein Menschlichen soll in
den Mädchen das spezifisch Weibliche entwickelt werden. Die Schule soll den
sichern Grund legen, auf dem das Leben weiter bauen kann, damit die Mädchen
einst als Frauen brauchbare Glieder des Gemeinschaftslebens in Gemeinde,
Staat und Kirche, des öffentlichen Lebens als Berufsarbeiterin, des Familien¬
lebens als Hausfrau und als Mutter werden können. -

Der Entwicklungsgang der Volksschule, die anfangs nur für Knaben be¬
stimmt war, und in die bei der Einführung des Schulzwangs die Mädchen
einfach eingeschoben wurden, macht es erklärlich, daß auch heute noch in den
meisten Füllen beide Geschlechter nach demselben Lehrplan unterrichtet werden,


Weitere Erinnerungen einer Lehrerin

der Bewegung. Es sind dieselben, von denen die erwähnten Anträge ausge¬
gangen sind, die den L. V. in das politische Leben hineinzerren wollten. Ihr
vornehmstes Agitationsmittel ist — die Bewegung gegen die katholischen Kor¬
porationen!

Auf diese Bestrebungen passen wirklich die Worte des katholischen Finken
Konstantin Kleefisch, die er auf die katholischen Korporationen überhaupt ge¬
prägt hat: „Wir wissen wohl, daß eine romanisierende Richtung in unsrer
Kirche uns Studenten zu uniformen Organisationen sammeln, daß eine poli¬
tisierende Richtung uns als Werkzeug und Nachwuchs benutzen möchte"
(Rheinische Hochschulzeitung vom 15. Mai d. I.). Möge endlich auch der Teil
der deutschen Studentenschaft und der deutschen Presse, der zurzeit unbewußt
eine Richtung stärkt, die er sonst bekämpft, die katholischen Studentenkorpo¬
rationen als das erkennen, was sie in Wahrheit sind, studentische Korporationen.
Sonst könnte der Fall eintreten, daß binnen weniger Monate in einem großen
Bruchteil der deutschen Studentenschaft der Untergang des Studententums zur
Tatsache geworden wäre. Das nämlich wäre für den <ü. V. die Folge des
Sieges der Gauverbände.




Weitere Erinnerungen einer Lehrerin

isher habe ich versucht, Streiflichter auf das Leben einer Lehrerin
zu werfen, soweit es sich auf die Berufstütigkeit, auf die Arbeit
an den schulpflichtigen Kindern, deren Elternhaus und auf die
soziale Hilfsarbeit bezieht. Diese soziale Hilfsarbeit erstreckt sich
nicht nur auf die schulpflichtigen Kinder, sie muß bei ihnen be¬
ginnen und dann auf die aus der Schule entlassenen Mädchen ausgedehnt
werden. In dieser weiter ausgedehnten Arbeit ist die Schule, die Lehrerin
auf die Mithilfe einsichtiger Männer und Frauen angewiesen. Hier heißt es
gemeinsam Hand in Hand arbeiten, das Nötige weiter ausbauen oder über¬
haupt erst schaffen. Die Schule kann nur die Anregung geben, die Unter¬
stützung muß uns von außen kommen.

Die deutsche Volksschule ist Standesschnle, bestimmt, die Kinder der um
Lohn arbeitenden Klassen für das Leben vorzubereiten. Diese Aufgabe ist den
Mädchen gegenüber schwerer, denn neben dem allgemein Menschlichen soll in
den Mädchen das spezifisch Weibliche entwickelt werden. Die Schule soll den
sichern Grund legen, auf dem das Leben weiter bauen kann, damit die Mädchen
einst als Frauen brauchbare Glieder des Gemeinschaftslebens in Gemeinde,
Staat und Kirche, des öffentlichen Lebens als Berufsarbeiterin, des Familien¬
lebens als Hausfrau und als Mutter werden können. -

Der Entwicklungsgang der Volksschule, die anfangs nur für Knaben be¬
stimmt war, und in die bei der Einführung des Schulzwangs die Mädchen
einfach eingeschoben wurden, macht es erklärlich, daß auch heute noch in den
meisten Füllen beide Geschlechter nach demselben Lehrplan unterrichtet werden,


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[0310] Weitere Erinnerungen einer Lehrerin der Bewegung. Es sind dieselben, von denen die erwähnten Anträge ausge¬ gangen sind, die den L. V. in das politische Leben hineinzerren wollten. Ihr vornehmstes Agitationsmittel ist — die Bewegung gegen die katholischen Kor¬ porationen! Auf diese Bestrebungen passen wirklich die Worte des katholischen Finken Konstantin Kleefisch, die er auf die katholischen Korporationen überhaupt ge¬ prägt hat: „Wir wissen wohl, daß eine romanisierende Richtung in unsrer Kirche uns Studenten zu uniformen Organisationen sammeln, daß eine poli¬ tisierende Richtung uns als Werkzeug und Nachwuchs benutzen möchte" (Rheinische Hochschulzeitung vom 15. Mai d. I.). Möge endlich auch der Teil der deutschen Studentenschaft und der deutschen Presse, der zurzeit unbewußt eine Richtung stärkt, die er sonst bekämpft, die katholischen Studentenkorpo¬ rationen als das erkennen, was sie in Wahrheit sind, studentische Korporationen. Sonst könnte der Fall eintreten, daß binnen weniger Monate in einem großen Bruchteil der deutschen Studentenschaft der Untergang des Studententums zur Tatsache geworden wäre. Das nämlich wäre für den <ü. V. die Folge des Sieges der Gauverbände. Weitere Erinnerungen einer Lehrerin isher habe ich versucht, Streiflichter auf das Leben einer Lehrerin zu werfen, soweit es sich auf die Berufstütigkeit, auf die Arbeit an den schulpflichtigen Kindern, deren Elternhaus und auf die soziale Hilfsarbeit bezieht. Diese soziale Hilfsarbeit erstreckt sich nicht nur auf die schulpflichtigen Kinder, sie muß bei ihnen be¬ ginnen und dann auf die aus der Schule entlassenen Mädchen ausgedehnt werden. In dieser weiter ausgedehnten Arbeit ist die Schule, die Lehrerin auf die Mithilfe einsichtiger Männer und Frauen angewiesen. Hier heißt es gemeinsam Hand in Hand arbeiten, das Nötige weiter ausbauen oder über¬ haupt erst schaffen. Die Schule kann nur die Anregung geben, die Unter¬ stützung muß uns von außen kommen. Die deutsche Volksschule ist Standesschnle, bestimmt, die Kinder der um Lohn arbeitenden Klassen für das Leben vorzubereiten. Diese Aufgabe ist den Mädchen gegenüber schwerer, denn neben dem allgemein Menschlichen soll in den Mädchen das spezifisch Weibliche entwickelt werden. Die Schule soll den sichern Grund legen, auf dem das Leben weiter bauen kann, damit die Mädchen einst als Frauen brauchbare Glieder des Gemeinschaftslebens in Gemeinde, Staat und Kirche, des öffentlichen Lebens als Berufsarbeiterin, des Familien¬ lebens als Hausfrau und als Mutter werden können. - Der Entwicklungsgang der Volksschule, die anfangs nur für Knaben be¬ stimmt war, und in die bei der Einführung des Schulzwangs die Mädchen einfach eingeschoben wurden, macht es erklärlich, daß auch heute noch in den meisten Füllen beide Geschlechter nach demselben Lehrplan unterrichtet werden,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/310>, abgerufen am 27.09.2024.