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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Zur Frage der katholischen Studentenkorxorationen

Dampf kommen, damit das konsumierende Volk endlich die Erfolge verspüre.
Mit gewalttätiger Verlegenheitsmaßregeln jedoch, die als einzige dauernde
Wirkung verseuchtes Vieh und ungenießbares Fleisch im Gefolge haben, soll
man uns verschonen.




Zur Frage ^ katholischen Htudentenkorporationen
Line Flucht an die Öffentlichkeit

us zahlreichen Artikeln der letzten Zeit geht hervor, daß in einem
großen Teile der deutschen Presse über das Wesen der katholischen
Studentenkorporationen eine große Unkenntnis verbreitet ist. Man
betrachtet sie ohne weiteres als politische und kirchliche Organi¬
sationen. Nicht nur die wenigen Blätter tun das, die nach dem
Polizeiknüppel gerufen haben. Man findet solche Anschauungen auch in Zei¬
tungen, die einsehen, daß man nicht im Namen der akademischen Freiheit die
Auflösung unliebsamer Gebilde verlangen kann, wenn sie sich innerhalb der ge¬
setzlichen Schranken beendigen.

Diese Zeitungen sollten einmal erwägen, ob ihre prinzipielle Gegnerschaft
gegen die katholischen Korporationen nicht wenigstens teilweise auf falschen Vor¬
aussetzungen beruht, und ob nicht die scharfe Betonung der Gegensätze das Gegen¬
teil des beabsichtigten Erfolges erreicht. Das darzutun, ist die Aufgabe dieser
Zeilen. Sie stammen von einem Alten Herrn des (farbentragenden) Kartellver¬
bandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen (V. V.), des größten
Verbandes konfessioneller Korporationen und des drittgrößten studentischen Ver¬
bandes überhaupt.

Wenn man gewissen Blättern glauben will, so beschäftigen sich die katho¬
lischen Korporationen vorwiegend damit, politische Fragen zu erörtern und ihre
Mitglieder für das öffentliche Leben heranzubilden. Nichts davon ist der Fall.
Ich habe während meiner ganzen Zugehörigkeit zu verschiednen Verbindungen
des V. und trotz meinen ausgedehnten Beziehungen in diesem Verbände nie¬
mals etwas davon gehört, daß eine politische Frage irgendwelcher Art zum
Gegenstand einer Besprechung von Verbindungs wegen gemacht worden wäre.
Wissenschaftliche Abende bestehn bei mehreren Verbindungen, aber das politische
Gebiet wird nie auch nur gestreift. Ja sogar in privaten Unterhaltungen findet
man äußerst selten solche Erörterungen, da die erdrückende Mehrzahl für Politik
überhaupt nur ein verschwindend geringes Interesse hegt, während sich die
Minderheit aus allen nationalen politischen Parteien zusammensetzt. Jedenfalls
ist die Bestimmung in den Satzungen des Verbandes "Politische Bestrebungen
liegen dem v. V. fern" kein Schlagwort.

Diese Behauptung mag manchen Leser überraschen, wenn er an die
Reden denkt, die Abgeordnete (großenteils Alte Herren der Korps!) auf Fest¬
kommersen zuweilen über die Hoffnungen gehalten haben, die sie auf die katholisch
inkorporierte Jugend setzen. Das ist aber nur als ein geschickter Schachzug


Grenzboten III 1905 38
Zur Frage der katholischen Studentenkorxorationen

Dampf kommen, damit das konsumierende Volk endlich die Erfolge verspüre.
Mit gewalttätiger Verlegenheitsmaßregeln jedoch, die als einzige dauernde
Wirkung verseuchtes Vieh und ungenießbares Fleisch im Gefolge haben, soll
man uns verschonen.




Zur Frage ^ katholischen Htudentenkorporationen
Line Flucht an die Öffentlichkeit

us zahlreichen Artikeln der letzten Zeit geht hervor, daß in einem
großen Teile der deutschen Presse über das Wesen der katholischen
Studentenkorporationen eine große Unkenntnis verbreitet ist. Man
betrachtet sie ohne weiteres als politische und kirchliche Organi¬
sationen. Nicht nur die wenigen Blätter tun das, die nach dem
Polizeiknüppel gerufen haben. Man findet solche Anschauungen auch in Zei¬
tungen, die einsehen, daß man nicht im Namen der akademischen Freiheit die
Auflösung unliebsamer Gebilde verlangen kann, wenn sie sich innerhalb der ge¬
setzlichen Schranken beendigen.

Diese Zeitungen sollten einmal erwägen, ob ihre prinzipielle Gegnerschaft
gegen die katholischen Korporationen nicht wenigstens teilweise auf falschen Vor¬
aussetzungen beruht, und ob nicht die scharfe Betonung der Gegensätze das Gegen¬
teil des beabsichtigten Erfolges erreicht. Das darzutun, ist die Aufgabe dieser
Zeilen. Sie stammen von einem Alten Herrn des (farbentragenden) Kartellver¬
bandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen (V. V.), des größten
Verbandes konfessioneller Korporationen und des drittgrößten studentischen Ver¬
bandes überhaupt.

Wenn man gewissen Blättern glauben will, so beschäftigen sich die katho¬
lischen Korporationen vorwiegend damit, politische Fragen zu erörtern und ihre
Mitglieder für das öffentliche Leben heranzubilden. Nichts davon ist der Fall.
Ich habe während meiner ganzen Zugehörigkeit zu verschiednen Verbindungen
des V. und trotz meinen ausgedehnten Beziehungen in diesem Verbände nie¬
mals etwas davon gehört, daß eine politische Frage irgendwelcher Art zum
Gegenstand einer Besprechung von Verbindungs wegen gemacht worden wäre.
Wissenschaftliche Abende bestehn bei mehreren Verbindungen, aber das politische
Gebiet wird nie auch nur gestreift. Ja sogar in privaten Unterhaltungen findet
man äußerst selten solche Erörterungen, da die erdrückende Mehrzahl für Politik
überhaupt nur ein verschwindend geringes Interesse hegt, während sich die
Minderheit aus allen nationalen politischen Parteien zusammensetzt. Jedenfalls
ist die Bestimmung in den Satzungen des Verbandes „Politische Bestrebungen
liegen dem v. V. fern" kein Schlagwort.

Diese Behauptung mag manchen Leser überraschen, wenn er an die
Reden denkt, die Abgeordnete (großenteils Alte Herren der Korps!) auf Fest¬
kommersen zuweilen über die Hoffnungen gehalten haben, die sie auf die katholisch
inkorporierte Jugend setzen. Das ist aber nur als ein geschickter Schachzug


Grenzboten III 1905 38
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[0305] Zur Frage der katholischen Studentenkorxorationen Dampf kommen, damit das konsumierende Volk endlich die Erfolge verspüre. Mit gewalttätiger Verlegenheitsmaßregeln jedoch, die als einzige dauernde Wirkung verseuchtes Vieh und ungenießbares Fleisch im Gefolge haben, soll man uns verschonen. Zur Frage ^ katholischen Htudentenkorporationen Line Flucht an die Öffentlichkeit us zahlreichen Artikeln der letzten Zeit geht hervor, daß in einem großen Teile der deutschen Presse über das Wesen der katholischen Studentenkorporationen eine große Unkenntnis verbreitet ist. Man betrachtet sie ohne weiteres als politische und kirchliche Organi¬ sationen. Nicht nur die wenigen Blätter tun das, die nach dem Polizeiknüppel gerufen haben. Man findet solche Anschauungen auch in Zei¬ tungen, die einsehen, daß man nicht im Namen der akademischen Freiheit die Auflösung unliebsamer Gebilde verlangen kann, wenn sie sich innerhalb der ge¬ setzlichen Schranken beendigen. Diese Zeitungen sollten einmal erwägen, ob ihre prinzipielle Gegnerschaft gegen die katholischen Korporationen nicht wenigstens teilweise auf falschen Vor¬ aussetzungen beruht, und ob nicht die scharfe Betonung der Gegensätze das Gegen¬ teil des beabsichtigten Erfolges erreicht. Das darzutun, ist die Aufgabe dieser Zeilen. Sie stammen von einem Alten Herrn des (farbentragenden) Kartellver¬ bandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen (V. V.), des größten Verbandes konfessioneller Korporationen und des drittgrößten studentischen Ver¬ bandes überhaupt. Wenn man gewissen Blättern glauben will, so beschäftigen sich die katho¬ lischen Korporationen vorwiegend damit, politische Fragen zu erörtern und ihre Mitglieder für das öffentliche Leben heranzubilden. Nichts davon ist der Fall. Ich habe während meiner ganzen Zugehörigkeit zu verschiednen Verbindungen des V. und trotz meinen ausgedehnten Beziehungen in diesem Verbände nie¬ mals etwas davon gehört, daß eine politische Frage irgendwelcher Art zum Gegenstand einer Besprechung von Verbindungs wegen gemacht worden wäre. Wissenschaftliche Abende bestehn bei mehreren Verbindungen, aber das politische Gebiet wird nie auch nur gestreift. Ja sogar in privaten Unterhaltungen findet man äußerst selten solche Erörterungen, da die erdrückende Mehrzahl für Politik überhaupt nur ein verschwindend geringes Interesse hegt, während sich die Minderheit aus allen nationalen politischen Parteien zusammensetzt. Jedenfalls ist die Bestimmung in den Satzungen des Verbandes „Politische Bestrebungen liegen dem v. V. fern" kein Schlagwort. Diese Behauptung mag manchen Leser überraschen, wenn er an die Reden denkt, die Abgeordnete (großenteils Alte Herren der Korps!) auf Fest¬ kommersen zuweilen über die Hoffnungen gehalten haben, die sie auf die katholisch inkorporierte Jugend setzen. Das ist aber nur als ein geschickter Schachzug Grenzboten III 1905 38

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/305>, abgerufen am 27.09.2024.