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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

reisten wir weiter über Burgdorf, Aarburg und einige kleinere Orte nach Zürich-
Außersihl, wo wir zehn Tage blieben und in der Nähe einer Kaserne aufbauten.
Dann ging es weiter nach Winterthur. Auf dem Platze, wo wir aufbauten, standen
schon das Theatre Lorrain, ein Variete, dessen Besitzer, Karl Böhme, der Bruder
unsers Prinzipals war. Seine Söhne traten als Athleten auf, außerdem hatte er
Jongleure und die beiden Herkulesse Müller und Daniel aus München, die wir
schon in Genf getroffen hatten. Karl Böhme, der in der Absicht, am Sonntag
ein recht volles Haus zu bekommen, noch einen Ringkämpfer suchte, betrachtete sich
meine Muskel" und fragte, ob ich Lust hätte, auf seiner Bühne aufzutreten. Als
ich mich hiermit einverstanden erklärte, wurde eine Ankündigung in die Zeitung ge¬
setzt, worin zu lesen stand, daß sich der berühmte Ringkämpfer aus dem Berner
Oberlnnde, Robert Thomas, zu einem Kampfe mit den Herkulessen des THLätre
Lorrain bereitgefunden habe und am nächsten Sonntag zur Abendborstellung auf¬
treten werde. Am Tage vorher fanden auf der mit Sägemehl bedeckten Bühne
Proben statt. Ich wurde in den Verbeugungen gegen das Publikum und in den
Regeln und Griffen beim Kampfe unterwiesen und sah der kommenden Vorstellung
selbst mit einiger Spannung entgegen. Am Sonntag Abend war das Theater bis
ans den letzten Platz besetzt. Ich stand gerade im Panorama an der Orgel und
spielte die "Donanwellen," als ich zum Ringkampf abgeholt wurde. Im Wagen
des Herkules Müller mußte ich einen Trikot anziehn, ein Glas Wein trinken, um
mir Mut zu macheu, und ging dann auf die Bühne, wo uoch eine andre Nummer
gearbeitet wurde. Als diese zu Ende war, trat eine kleine Pause ein, worauf der
Direktor in "Wichskasten" Minder), Frack und weißer Weste erschien und eine
Ansprache hielt, worin er betonte, daß der Berner Oberländer eine Prämie von
tausend Franken erhalten werde, wenn es ihm gelänge, den Herkules Müller zu
werfen. Die Musikkapelle intonierte einen Marsch, mein Gegner und ich traten
rechts und links aus deu Kulissen hervor, verbeugten uns gegen das Publikum,
reichten uns die Hände, worauf wir unsre Plätze wechselten und dann erst den
Kampf begannen. Dann packten wir uns und rangen etwa fünf Minuten -- scheinbar
mit Aufbietung aller Kräfte, aber in Wirklichkeit ohne uns sonderlich anzustrengen --,
endlich warf mich mein Gegner und drückte mich mit beiden Schultern an den
Boden, sodaß ich mich für besiegt erklären mußte. Ich sprang wieder auf und
forderte in sehr energischem ToAe Revanche, worauf sich das Spiel wiederholte, bis
ich endlich zum zweitenmal am Boden lag. Ein nicht endenwollender Beifall be¬
lohnte die Bravour des Herkules. Ich zog mich zurück, erhielt fünf Franken Spiel¬
honorar und wurde überdies vou meinem Gegner noch eingeladen, nach Geschäfts-
schluß mit ihm eine Flasche Wein zu trinken. Ich kleidete mich schleunigst wieder
um, eilte nu meine Orgel, setzte die unterbrochner Donnuwellen fort und fand mich
pünktlich in dem Gasthause ein, wo wir einige Liter des feurigen Schweizer Not¬
weins tranken.

Am folgenden Montag reiste das TlMre Lorrain nach Weinfelder, während
wir noch ein paar Tage in Winterthur blieben. An demselben Montag wurde
ich aufgefordert, in der Stadt Kohlen zu holen, und machte mich mit einem Sack
auf den Weg. Als ich an einem Zigarrengeschäft vorüberkam, trat ich ein, um
mir eine Zigarre zu kaufen, und wunderte mich nicht wenig, als ein alter Herr
mit langen grauen Locken, der schon im Laden war, mich bei meinem Erscheinen
mit den Worten empfing: Da kommt der Berner Oberländer! Sie wollen sich
Zigarren kaufen, nehmen Sie sich nur, soviel Sie wolle". Der alte Herr war
ein Bildhauer, auf den ich großen Eindruck gemacht zu haben schien, und der mir
jetzt seine Anerkennung beweisen wollte. In einer Anwandlung vo" Bescheidenheit
nahm ich ein Paket Virginiazigarren, wurde aber genötigt, auch noch fünfzig Stück
deutscher Zigarren einzustecken.

Nach Ablauf einer Woche brachen wir ab und fuhren mit der Bahn nach
Amriswyl. Dort besuchte mich der Sohn von Karl Böhme und forderte mich auf,


Grenzboten Ul 190it 34
Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

reisten wir weiter über Burgdorf, Aarburg und einige kleinere Orte nach Zürich-
Außersihl, wo wir zehn Tage blieben und in der Nähe einer Kaserne aufbauten.
Dann ging es weiter nach Winterthur. Auf dem Platze, wo wir aufbauten, standen
schon das Theatre Lorrain, ein Variete, dessen Besitzer, Karl Böhme, der Bruder
unsers Prinzipals war. Seine Söhne traten als Athleten auf, außerdem hatte er
Jongleure und die beiden Herkulesse Müller und Daniel aus München, die wir
schon in Genf getroffen hatten. Karl Böhme, der in der Absicht, am Sonntag
ein recht volles Haus zu bekommen, noch einen Ringkämpfer suchte, betrachtete sich
meine Muskel» und fragte, ob ich Lust hätte, auf seiner Bühne aufzutreten. Als
ich mich hiermit einverstanden erklärte, wurde eine Ankündigung in die Zeitung ge¬
setzt, worin zu lesen stand, daß sich der berühmte Ringkämpfer aus dem Berner
Oberlnnde, Robert Thomas, zu einem Kampfe mit den Herkulessen des THLätre
Lorrain bereitgefunden habe und am nächsten Sonntag zur Abendborstellung auf¬
treten werde. Am Tage vorher fanden auf der mit Sägemehl bedeckten Bühne
Proben statt. Ich wurde in den Verbeugungen gegen das Publikum und in den
Regeln und Griffen beim Kampfe unterwiesen und sah der kommenden Vorstellung
selbst mit einiger Spannung entgegen. Am Sonntag Abend war das Theater bis
ans den letzten Platz besetzt. Ich stand gerade im Panorama an der Orgel und
spielte die „Donanwellen," als ich zum Ringkampf abgeholt wurde. Im Wagen
des Herkules Müller mußte ich einen Trikot anziehn, ein Glas Wein trinken, um
mir Mut zu macheu, und ging dann auf die Bühne, wo uoch eine andre Nummer
gearbeitet wurde. Als diese zu Ende war, trat eine kleine Pause ein, worauf der
Direktor in „Wichskasten" Minder), Frack und weißer Weste erschien und eine
Ansprache hielt, worin er betonte, daß der Berner Oberländer eine Prämie von
tausend Franken erhalten werde, wenn es ihm gelänge, den Herkules Müller zu
werfen. Die Musikkapelle intonierte einen Marsch, mein Gegner und ich traten
rechts und links aus deu Kulissen hervor, verbeugten uns gegen das Publikum,
reichten uns die Hände, worauf wir unsre Plätze wechselten und dann erst den
Kampf begannen. Dann packten wir uns und rangen etwa fünf Minuten — scheinbar
mit Aufbietung aller Kräfte, aber in Wirklichkeit ohne uns sonderlich anzustrengen —,
endlich warf mich mein Gegner und drückte mich mit beiden Schultern an den
Boden, sodaß ich mich für besiegt erklären mußte. Ich sprang wieder auf und
forderte in sehr energischem ToAe Revanche, worauf sich das Spiel wiederholte, bis
ich endlich zum zweitenmal am Boden lag. Ein nicht endenwollender Beifall be¬
lohnte die Bravour des Herkules. Ich zog mich zurück, erhielt fünf Franken Spiel¬
honorar und wurde überdies vou meinem Gegner noch eingeladen, nach Geschäfts-
schluß mit ihm eine Flasche Wein zu trinken. Ich kleidete mich schleunigst wieder
um, eilte nu meine Orgel, setzte die unterbrochner Donnuwellen fort und fand mich
pünktlich in dem Gasthause ein, wo wir einige Liter des feurigen Schweizer Not¬
weins tranken.

Am folgenden Montag reiste das TlMre Lorrain nach Weinfelder, während
wir noch ein paar Tage in Winterthur blieben. An demselben Montag wurde
ich aufgefordert, in der Stadt Kohlen zu holen, und machte mich mit einem Sack
auf den Weg. Als ich an einem Zigarrengeschäft vorüberkam, trat ich ein, um
mir eine Zigarre zu kaufen, und wunderte mich nicht wenig, als ein alter Herr
mit langen grauen Locken, der schon im Laden war, mich bei meinem Erscheinen
mit den Worten empfing: Da kommt der Berner Oberländer! Sie wollen sich
Zigarren kaufen, nehmen Sie sich nur, soviel Sie wolle». Der alte Herr war
ein Bildhauer, auf den ich großen Eindruck gemacht zu haben schien, und der mir
jetzt seine Anerkennung beweisen wollte. In einer Anwandlung vo« Bescheidenheit
nahm ich ein Paket Virginiazigarren, wurde aber genötigt, auch noch fünfzig Stück
deutscher Zigarren einzustecken.

Nach Ablauf einer Woche brachen wir ab und fuhren mit der Bahn nach
Amriswyl. Dort besuchte mich der Sohn von Karl Böhme und forderte mich auf,


Grenzboten Ul 190it 34
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[0273] Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren reisten wir weiter über Burgdorf, Aarburg und einige kleinere Orte nach Zürich- Außersihl, wo wir zehn Tage blieben und in der Nähe einer Kaserne aufbauten. Dann ging es weiter nach Winterthur. Auf dem Platze, wo wir aufbauten, standen schon das Theatre Lorrain, ein Variete, dessen Besitzer, Karl Böhme, der Bruder unsers Prinzipals war. Seine Söhne traten als Athleten auf, außerdem hatte er Jongleure und die beiden Herkulesse Müller und Daniel aus München, die wir schon in Genf getroffen hatten. Karl Böhme, der in der Absicht, am Sonntag ein recht volles Haus zu bekommen, noch einen Ringkämpfer suchte, betrachtete sich meine Muskel» und fragte, ob ich Lust hätte, auf seiner Bühne aufzutreten. Als ich mich hiermit einverstanden erklärte, wurde eine Ankündigung in die Zeitung ge¬ setzt, worin zu lesen stand, daß sich der berühmte Ringkämpfer aus dem Berner Oberlnnde, Robert Thomas, zu einem Kampfe mit den Herkulessen des THLätre Lorrain bereitgefunden habe und am nächsten Sonntag zur Abendborstellung auf¬ treten werde. Am Tage vorher fanden auf der mit Sägemehl bedeckten Bühne Proben statt. Ich wurde in den Verbeugungen gegen das Publikum und in den Regeln und Griffen beim Kampfe unterwiesen und sah der kommenden Vorstellung selbst mit einiger Spannung entgegen. Am Sonntag Abend war das Theater bis ans den letzten Platz besetzt. Ich stand gerade im Panorama an der Orgel und spielte die „Donanwellen," als ich zum Ringkampf abgeholt wurde. Im Wagen des Herkules Müller mußte ich einen Trikot anziehn, ein Glas Wein trinken, um mir Mut zu macheu, und ging dann auf die Bühne, wo uoch eine andre Nummer gearbeitet wurde. Als diese zu Ende war, trat eine kleine Pause ein, worauf der Direktor in „Wichskasten" Minder), Frack und weißer Weste erschien und eine Ansprache hielt, worin er betonte, daß der Berner Oberländer eine Prämie von tausend Franken erhalten werde, wenn es ihm gelänge, den Herkules Müller zu werfen. Die Musikkapelle intonierte einen Marsch, mein Gegner und ich traten rechts und links aus deu Kulissen hervor, verbeugten uns gegen das Publikum, reichten uns die Hände, worauf wir unsre Plätze wechselten und dann erst den Kampf begannen. Dann packten wir uns und rangen etwa fünf Minuten — scheinbar mit Aufbietung aller Kräfte, aber in Wirklichkeit ohne uns sonderlich anzustrengen —, endlich warf mich mein Gegner und drückte mich mit beiden Schultern an den Boden, sodaß ich mich für besiegt erklären mußte. Ich sprang wieder auf und forderte in sehr energischem ToAe Revanche, worauf sich das Spiel wiederholte, bis ich endlich zum zweitenmal am Boden lag. Ein nicht endenwollender Beifall be¬ lohnte die Bravour des Herkules. Ich zog mich zurück, erhielt fünf Franken Spiel¬ honorar und wurde überdies vou meinem Gegner noch eingeladen, nach Geschäfts- schluß mit ihm eine Flasche Wein zu trinken. Ich kleidete mich schleunigst wieder um, eilte nu meine Orgel, setzte die unterbrochner Donnuwellen fort und fand mich pünktlich in dem Gasthause ein, wo wir einige Liter des feurigen Schweizer Not¬ weins tranken. Am folgenden Montag reiste das TlMre Lorrain nach Weinfelder, während wir noch ein paar Tage in Winterthur blieben. An demselben Montag wurde ich aufgefordert, in der Stadt Kohlen zu holen, und machte mich mit einem Sack auf den Weg. Als ich an einem Zigarrengeschäft vorüberkam, trat ich ein, um mir eine Zigarre zu kaufen, und wunderte mich nicht wenig, als ein alter Herr mit langen grauen Locken, der schon im Laden war, mich bei meinem Erscheinen mit den Worten empfing: Da kommt der Berner Oberländer! Sie wollen sich Zigarren kaufen, nehmen Sie sich nur, soviel Sie wolle». Der alte Herr war ein Bildhauer, auf den ich großen Eindruck gemacht zu haben schien, und der mir jetzt seine Anerkennung beweisen wollte. In einer Anwandlung vo« Bescheidenheit nahm ich ein Paket Virginiazigarren, wurde aber genötigt, auch noch fünfzig Stück deutscher Zigarren einzustecken. Nach Ablauf einer Woche brachen wir ab und fuhren mit der Bahn nach Amriswyl. Dort besuchte mich der Sohn von Karl Böhme und forderte mich auf, Grenzboten Ul 190it 34

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/273>, abgerufen am 27.09.2024.