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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

leeren Flaschen, deren Inhalt Frau Böhme ganz allein konsumiert hatte. Diese
originelle Frau hatte nämlich eine große Schwäche für geistige Getränke der aller-
stärksten Sorte, wie sie auch einem Kartenspielchen nicht abhold war, wozu sie zu¬
weilen die Angestellten aufforderte. Wir wußten diese Ehre zu schätzen, hüteten
uns aber, bei einem solchen Spiel zu gewinnen, da das ihre Laune sehr verschlechterte.
Bei unsrer gemeinsamen Wanderung in die Stadt trug ich zum erstenmal die Holz¬
schuhe, die ich mir mit Rücksicht auf das beginnende Winterwetter gekauft hatte.
Zum Unglück war an diesem Tage gerade Glatteis, und ich hatte Mühe, mich in
meiner ungewohnten Fußbekleidung auf den Beinen zu halten. Wir kauften in
einem Magazin über dem Kornhauskeller einen großen Vorrat von Erbsen, Linsen,
Bohnen, Reis und Kaffee und gingen dann in den großen als Merkwürdigkeit be¬
kannten Keller hinab, wo große Fässer Schnaps in langen Reihen lagen. Dort
ließ die Madame für jeden von uns einen Schnaps kommen und schickte mich dann
mit den eingekauften Vorräten nach Hause, während sie sich selbst noch für eine
Weile dem Zauber, den das Lokal auf sie ausübte, hingab. Auf dem Heimweg
hatte ich das Unglück, dreimal hinzustürzen, und beim drittenmal fiel mir der Korb
in den Schnee, wobei die Düten platzten und ihr Inhalt sich in buntem Durch¬
einander auf die Straße ergoß. Ich raffte alles, so schnell ich konnte, zusammen,
füllte damit den Korb und eilte nach dem Platze. Dort herrschte schon reges
Treiben, weshalb ich den Korb auf die Veranda des Wohnwagens stellte und mich
in die Bude an die Orgel begab. Nach einiger Zeit kehrte die Madame zurück,,
sah die Bescherung und machte in Gegenwart des Publikums einen gewaltigen
Lärm. Sie gab mir alle Titel, über die ihr Sprachschatz verfügte, und erteilte
mir den Auftrag, Abends nach Schluß des Geschäfts die Erbsen, Bohnen usw. fein
säuberlich zu Sortieren.

Eines Tages ging in allen Buden ein Zirkular herum, das von einer Anzahl
Rekommandeuren unterzeichnet war und die Aufforderung an die Angestellten ent¬
hielt, sich bei der Veranstaltung eines geselligen Abends zu beteiligen. Die Kosten
waren mäßig und beliefen sich für den Kopf auf zwei Franken, sodaß alle ohne
Ausnahme unterschriebe". Der festliche Abend kam heran, und jeder machte, so gut
er es konnte, Toilette. Wer etwas besondres auf sich hielt, lieh sich bei dem
Trödler eine weiße Weste und einen Gehrock, der eine und der andre auch noch
einen Zylinder. Nach Schluß des Geschäfts, es mochte gegen zehn Uhr Abends
sein, formierte sich ein Festzug, dem die Musik des Theaters Weissenbach und eine
Fahne in den Schweizer Farben vom Doppelkarussell vorangingen. Dann folgten die
Angestellten sämtlicher Schausteller in Reih und Glied mit ihren Damen. Ein
solcher von Musik begleiteter Zug wäre in Deutschland zu so später Abendstunde
unmöglich, in der freien Schweiz aber hatte die Polizei gegen eine solche Ver¬
anstaltung nichts einzuwenden. Am Eingange des Festlokals, das sogar mit einer
kleinen Bühne versehen war, standen zwei von uns in Portieruniform, die die Fest¬
teilnehmer empfingen und in den Saal wiesen. Als gelcidne Gäste erschienen sämt¬
liche Prinzipale, der Platzmeister und der Polizist, der auf dem Platze die Aufsicht
hatte. Nach einigen Musikvorträgen wurden zunächst komische Vorträge veranstaltet,
dann gab es ein warmes Abendessen mit Wein und endlich Tanz. Es ging dabei
recht lustig, aber doch höchst anständig zu, und ich verfehlte nicht, Madame Böhme
zu einem Walzer zu engagieren, wodurch unsre Freundschaft wieder befestigt wurde.
Bevor früh um sieben Uhr das Fest zu Ende war, veranstalteten die Prinzipale
eine Kollekte zu unserm Besten, wobei keiner unter fünf Franken zahlte, die Wohl¬
habendsten steuerten sogar zwanzig Franken bei. Hierdurch wurden nicht nur die
Kosten unsers Festes gedeckt, sondern wir erhielten auch noch einen Überschuß, der
am andern Tag in Bier und Zigarren nützlich angelegt wurde. Einige Tage
später veranstalteten die Prinzipale in einem andern Lokal ebenfalls einen Gesell¬
schaftsabend, der sich von dem unsrigen dadurch unterschied, daß die Gemütlichkeit
zum Schluß in eine regelrechte Prügelei ausartete.


Unter Runden, Komödianten und wilden Tieren

leeren Flaschen, deren Inhalt Frau Böhme ganz allein konsumiert hatte. Diese
originelle Frau hatte nämlich eine große Schwäche für geistige Getränke der aller-
stärksten Sorte, wie sie auch einem Kartenspielchen nicht abhold war, wozu sie zu¬
weilen die Angestellten aufforderte. Wir wußten diese Ehre zu schätzen, hüteten
uns aber, bei einem solchen Spiel zu gewinnen, da das ihre Laune sehr verschlechterte.
Bei unsrer gemeinsamen Wanderung in die Stadt trug ich zum erstenmal die Holz¬
schuhe, die ich mir mit Rücksicht auf das beginnende Winterwetter gekauft hatte.
Zum Unglück war an diesem Tage gerade Glatteis, und ich hatte Mühe, mich in
meiner ungewohnten Fußbekleidung auf den Beinen zu halten. Wir kauften in
einem Magazin über dem Kornhauskeller einen großen Vorrat von Erbsen, Linsen,
Bohnen, Reis und Kaffee und gingen dann in den großen als Merkwürdigkeit be¬
kannten Keller hinab, wo große Fässer Schnaps in langen Reihen lagen. Dort
ließ die Madame für jeden von uns einen Schnaps kommen und schickte mich dann
mit den eingekauften Vorräten nach Hause, während sie sich selbst noch für eine
Weile dem Zauber, den das Lokal auf sie ausübte, hingab. Auf dem Heimweg
hatte ich das Unglück, dreimal hinzustürzen, und beim drittenmal fiel mir der Korb
in den Schnee, wobei die Düten platzten und ihr Inhalt sich in buntem Durch¬
einander auf die Straße ergoß. Ich raffte alles, so schnell ich konnte, zusammen,
füllte damit den Korb und eilte nach dem Platze. Dort herrschte schon reges
Treiben, weshalb ich den Korb auf die Veranda des Wohnwagens stellte und mich
in die Bude an die Orgel begab. Nach einiger Zeit kehrte die Madame zurück,,
sah die Bescherung und machte in Gegenwart des Publikums einen gewaltigen
Lärm. Sie gab mir alle Titel, über die ihr Sprachschatz verfügte, und erteilte
mir den Auftrag, Abends nach Schluß des Geschäfts die Erbsen, Bohnen usw. fein
säuberlich zu Sortieren.

Eines Tages ging in allen Buden ein Zirkular herum, das von einer Anzahl
Rekommandeuren unterzeichnet war und die Aufforderung an die Angestellten ent¬
hielt, sich bei der Veranstaltung eines geselligen Abends zu beteiligen. Die Kosten
waren mäßig und beliefen sich für den Kopf auf zwei Franken, sodaß alle ohne
Ausnahme unterschriebe». Der festliche Abend kam heran, und jeder machte, so gut
er es konnte, Toilette. Wer etwas besondres auf sich hielt, lieh sich bei dem
Trödler eine weiße Weste und einen Gehrock, der eine und der andre auch noch
einen Zylinder. Nach Schluß des Geschäfts, es mochte gegen zehn Uhr Abends
sein, formierte sich ein Festzug, dem die Musik des Theaters Weissenbach und eine
Fahne in den Schweizer Farben vom Doppelkarussell vorangingen. Dann folgten die
Angestellten sämtlicher Schausteller in Reih und Glied mit ihren Damen. Ein
solcher von Musik begleiteter Zug wäre in Deutschland zu so später Abendstunde
unmöglich, in der freien Schweiz aber hatte die Polizei gegen eine solche Ver¬
anstaltung nichts einzuwenden. Am Eingange des Festlokals, das sogar mit einer
kleinen Bühne versehen war, standen zwei von uns in Portieruniform, die die Fest¬
teilnehmer empfingen und in den Saal wiesen. Als gelcidne Gäste erschienen sämt¬
liche Prinzipale, der Platzmeister und der Polizist, der auf dem Platze die Aufsicht
hatte. Nach einigen Musikvorträgen wurden zunächst komische Vorträge veranstaltet,
dann gab es ein warmes Abendessen mit Wein und endlich Tanz. Es ging dabei
recht lustig, aber doch höchst anständig zu, und ich verfehlte nicht, Madame Böhme
zu einem Walzer zu engagieren, wodurch unsre Freundschaft wieder befestigt wurde.
Bevor früh um sieben Uhr das Fest zu Ende war, veranstalteten die Prinzipale
eine Kollekte zu unserm Besten, wobei keiner unter fünf Franken zahlte, die Wohl¬
habendsten steuerten sogar zwanzig Franken bei. Hierdurch wurden nicht nur die
Kosten unsers Festes gedeckt, sondern wir erhielten auch noch einen Überschuß, der
am andern Tag in Bier und Zigarren nützlich angelegt wurde. Einige Tage
später veranstalteten die Prinzipale in einem andern Lokal ebenfalls einen Gesell¬
schaftsabend, der sich von dem unsrigen dadurch unterschied, daß die Gemütlichkeit
zum Schluß in eine regelrechte Prügelei ausartete.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/270>, abgerufen am 27.09.2024.