Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.Unter Kunden, Uoinödianten und wilden Tieren Zur Unterhaltung der Priuzipalin waren im Wohnwagen drei lebende Wesen, So war die letzte Woche herangekommen, und es galt nun, dem schon Von Kolmar zogen wir zur Messe nach Mülhausen, wohin auch Schicht! mit Nach der Messe in Mülhausen, die auch uns ein gutes Geschäft gebracht hatte, Von Iverdon ging es den Berg hinauf uach Se. Croix, einem kleinen Orte In Bern langten wir zur Wintermesse auf der Schützenmatte an. An einem Unter Kunden, Uoinödianten und wilden Tieren Zur Unterhaltung der Priuzipalin waren im Wohnwagen drei lebende Wesen, So war die letzte Woche herangekommen, und es galt nun, dem schon Von Kolmar zogen wir zur Messe nach Mülhausen, wohin auch Schicht! mit Nach der Messe in Mülhausen, die auch uns ein gutes Geschäft gebracht hatte, Von Iverdon ging es den Berg hinauf uach Se. Croix, einem kleinen Orte In Bern langten wir zur Wintermesse auf der Schützenmatte an. An einem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0269" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297788"/> <fw type="header" place="top"> Unter Kunden, Uoinödianten und wilden Tieren</fw><lb/> <p xml:id="ID_1183"> Zur Unterhaltung der Priuzipalin waren im Wohnwagen drei lebende Wesen,<lb/> ein Papagei und zwei verhätschelte, fette englische Möpse, über deren Wohlergehn<lb/> Frau Böhme Tag und Nacht ängstlich wachte. Beim Packwagen war ein Ratten¬<lb/> fänger, der Liebling Gustav Lindigs, der mit dem Dienstmädchen, seiner nach¬<lb/> maligen Frau, im Packwagen wohnte, während wir übrigen Angestellten in der<lb/> Bude unser Quartier hatten. Eines Mittags war der Rattenfänger verschwunden<lb/> und wurde überall ohne Erfolg gesucht. Endlich sahen wir ihn über den zu dieser<lb/> Stunde gerade menschenleeren Meßplatz kommen und eine Kalbskeule herbeischleppe«,<lb/> die ihm vom Prinzipal abgenommen und als gute Prise betrachtet wurde. So<lb/> verdankten wir dem Hunde eine sehr erwünschte Abwechslung in unsrer Abend¬<lb/> mahlzeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_1184"> So war die letzte Woche herangekommen, und es galt nun, dem schon<lb/> etwas ermüdeten Publikum neue Lockmittel zu bieten. Der Zirkus Blumenfeld in¬<lb/> szenierte zu diesem Zwecke eine Pantomime „Aschenbrödel" oder „Der gläserne Pan¬<lb/> toffel," eine Veranstaltung, die wohl keinen aufmerksamem Zuschauer gehabt haben<lb/> wird als August Schicht!, der immer von Andern zu lernen und ihnen ihre Tricks<lb/> abzusehen bestrebt war. Er übertrug deshalb seiner Frau die „Physik" (das<lb/> Zaubern) und sorgte selbst für eine neue Attraktion, indem er neben seinen männ¬<lb/> lichen Ringkämpfern, den Herkulessen Gebrüder Kaiser, jetzt auch Damen im Ring¬<lb/> kampf auftreten ließ. Ich pflegte, wenn diese Ringkampfe vor sich gingen, zu<lb/> Schicht! hineinzugehn und dem Kampfe beizuwohnen. Dabei belustigte mich am<lb/> meisten, wie der „August" dem Publikum die Preise zeigte, die aus einer goldnen<lb/> Uhr mit Kette und einem goldnen Armband bestanden. Natürlich mußten die<lb/> Siegerinnen diese Preise immer wieder Herausgeber, und ich neige zu der Ver¬<lb/> mutung, daß diese Wertgegenstände nur von einem Juwelier entliehen waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1185"> Von Kolmar zogen wir zur Messe nach Mülhausen, wohin auch Schicht! mit<lb/> seinem Zaubertheater kam. Wir standen auch dort nebeneinander, und ich hatte<lb/> Gelegenheit, den erfinderischen Mann aufs neue zu bewundern. Da ihn: ein andres<lb/> Znnbertheater, das Schmidtsche, immer stärkere Konkurrenz machte, entschloß er sich<lb/> in der letzten Woche, nun auch seinerseits die dem Zirkus Blumenfeld abgesehene<lb/> Pantomime zu geben, die ihm große Vorarbeiten verursachte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1186"> Nach der Messe in Mülhausen, die auch uns ein gutes Geschäft gebracht hatte,<lb/> reisten wir in die Schweiz und blieben in Solothurn, NeufchStel und Uverdon<lb/> überall acht Tage. In Neufchatel begegneten wir der Böhmischen Menagerie, die<lb/> sich inzwischen von der Bergheher wieder getrennt hatte. Daß in der Schweiz<lb/> nicht alles so gut und schön ist, wie es die Schweizer bei jeder Gelegenheit her¬<lb/> vorzuheben belieben, mußte ich hier wieder einmal erfahren. Ich hatte in Neuf-<lb/> chatel meine Wäsche einer Frau zum Waschen und Ausbessern gegeben und machte<lb/> in Se. Croix die Entdeckung, daß sich diese Frau ihre Arbeit sehr leicht gemacht<lb/> und auf die Nisse und Löcher meiner Oberhemden einfach kleine Stückchen Leinwand<lb/> mit Stärke aufgeklebt und festgeplättet hatte. Eines dieser Hemden hob ich mir<lb/> in diesem Zustande auf, um es bei einem etwaigen spätern Besuche in meiner<lb/> Heimat meiner Mutter zu zeigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1187"> Von Iverdon ging es den Berg hinauf uach Se. Croix, einem kleinen Orte<lb/> mit bemerkenswerter Spieldosen- und Musikwerkiudustrie. Auch hier ging das Ge¬<lb/> schäft vorzüglich. Ich kam gar nicht dazu. die Orgel zu drehn, da ich das Publikum<lb/> mit ein paar französischen Redensarten, die ich mir in der Eile eingelernt hatte,<lb/> zum Vvrwärtsgehn auffordern mußte. Hier engagierte der Prinzipal auch einen<lb/> neuen Angestellten, einen Bayern namens Martin Bimmlein, der fließend Französisch<lb/> und Italienisch sprach und die Rekommandation in französischer Sprache machen<lb/> mußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1188" next="#ID_1189"> In Bern langten wir zur Wintermesse auf der Schützenmatte an. An einem<lb/> der Meßtage, wo gerade der sogenannte Maidelemarkt stattfand, mußte ich mit der<lb/> Madame zum Einkaufen in die Stadt gehn. Ich trug einen großen Korb mit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0269]
Unter Kunden, Uoinödianten und wilden Tieren
Zur Unterhaltung der Priuzipalin waren im Wohnwagen drei lebende Wesen,
ein Papagei und zwei verhätschelte, fette englische Möpse, über deren Wohlergehn
Frau Böhme Tag und Nacht ängstlich wachte. Beim Packwagen war ein Ratten¬
fänger, der Liebling Gustav Lindigs, der mit dem Dienstmädchen, seiner nach¬
maligen Frau, im Packwagen wohnte, während wir übrigen Angestellten in der
Bude unser Quartier hatten. Eines Mittags war der Rattenfänger verschwunden
und wurde überall ohne Erfolg gesucht. Endlich sahen wir ihn über den zu dieser
Stunde gerade menschenleeren Meßplatz kommen und eine Kalbskeule herbeischleppe«,
die ihm vom Prinzipal abgenommen und als gute Prise betrachtet wurde. So
verdankten wir dem Hunde eine sehr erwünschte Abwechslung in unsrer Abend¬
mahlzeit.
So war die letzte Woche herangekommen, und es galt nun, dem schon
etwas ermüdeten Publikum neue Lockmittel zu bieten. Der Zirkus Blumenfeld in¬
szenierte zu diesem Zwecke eine Pantomime „Aschenbrödel" oder „Der gläserne Pan¬
toffel," eine Veranstaltung, die wohl keinen aufmerksamem Zuschauer gehabt haben
wird als August Schicht!, der immer von Andern zu lernen und ihnen ihre Tricks
abzusehen bestrebt war. Er übertrug deshalb seiner Frau die „Physik" (das
Zaubern) und sorgte selbst für eine neue Attraktion, indem er neben seinen männ¬
lichen Ringkämpfern, den Herkulessen Gebrüder Kaiser, jetzt auch Damen im Ring¬
kampf auftreten ließ. Ich pflegte, wenn diese Ringkampfe vor sich gingen, zu
Schicht! hineinzugehn und dem Kampfe beizuwohnen. Dabei belustigte mich am
meisten, wie der „August" dem Publikum die Preise zeigte, die aus einer goldnen
Uhr mit Kette und einem goldnen Armband bestanden. Natürlich mußten die
Siegerinnen diese Preise immer wieder Herausgeber, und ich neige zu der Ver¬
mutung, daß diese Wertgegenstände nur von einem Juwelier entliehen waren.
Von Kolmar zogen wir zur Messe nach Mülhausen, wohin auch Schicht! mit
seinem Zaubertheater kam. Wir standen auch dort nebeneinander, und ich hatte
Gelegenheit, den erfinderischen Mann aufs neue zu bewundern. Da ihn: ein andres
Znnbertheater, das Schmidtsche, immer stärkere Konkurrenz machte, entschloß er sich
in der letzten Woche, nun auch seinerseits die dem Zirkus Blumenfeld abgesehene
Pantomime zu geben, die ihm große Vorarbeiten verursachte.
Nach der Messe in Mülhausen, die auch uns ein gutes Geschäft gebracht hatte,
reisten wir in die Schweiz und blieben in Solothurn, NeufchStel und Uverdon
überall acht Tage. In Neufchatel begegneten wir der Böhmischen Menagerie, die
sich inzwischen von der Bergheher wieder getrennt hatte. Daß in der Schweiz
nicht alles so gut und schön ist, wie es die Schweizer bei jeder Gelegenheit her¬
vorzuheben belieben, mußte ich hier wieder einmal erfahren. Ich hatte in Neuf-
chatel meine Wäsche einer Frau zum Waschen und Ausbessern gegeben und machte
in Se. Croix die Entdeckung, daß sich diese Frau ihre Arbeit sehr leicht gemacht
und auf die Nisse und Löcher meiner Oberhemden einfach kleine Stückchen Leinwand
mit Stärke aufgeklebt und festgeplättet hatte. Eines dieser Hemden hob ich mir
in diesem Zustande auf, um es bei einem etwaigen spätern Besuche in meiner
Heimat meiner Mutter zu zeigen.
Von Iverdon ging es den Berg hinauf uach Se. Croix, einem kleinen Orte
mit bemerkenswerter Spieldosen- und Musikwerkiudustrie. Auch hier ging das Ge¬
schäft vorzüglich. Ich kam gar nicht dazu. die Orgel zu drehn, da ich das Publikum
mit ein paar französischen Redensarten, die ich mir in der Eile eingelernt hatte,
zum Vvrwärtsgehn auffordern mußte. Hier engagierte der Prinzipal auch einen
neuen Angestellten, einen Bayern namens Martin Bimmlein, der fließend Französisch
und Italienisch sprach und die Rekommandation in französischer Sprache machen
mußte.
In Bern langten wir zur Wintermesse auf der Schützenmatte an. An einem
der Meßtage, wo gerade der sogenannte Maidelemarkt stattfand, mußte ich mit der
Madame zum Einkaufen in die Stadt gehn. Ich trug einen großen Korb mit
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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