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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ihn geschrieben haben, die sie sonst Feinden ihres Glaubens gegenüber im all¬
gemeinen nicht zeigen, noch weniger gegenüber Glaubensgenossen, wenn sie selbst
in geringfügigen Punkten mit ihnen nicht harmonieren. Professor Ehrhard, der doch
zu dem Schlüsse kommen mußte, daß Chamberlains "Zukunftsreligion" die Negation
jeder Religion, gewiß aber des Christentums bedeutet, zögert das von einem Manne
geschriebn" Buch zu verdammen, der ihm -- sagt Ehrhard -- wegen seiner nicht
anzuzweifelnden Wahrhaftigkeit sympathisch geworden ist. Professor Grauert, ein
andrer katholischer Gelehrter, ist von Chamberlains absoluter Verläßlichkeit vielleicht
weniger überzeugt. Nachdem Chamberlain die erstaunliche Konstatierung gemacht
hat, daß Christi Namen in der Divina OomwocliÄ nicht vorkomme, hat sich der
Danteforscher Grauert die Mühe genommen, in einer eignen Broschüre nachzuweisen,
daß Christus in der göttlichen Komödie mehr als achtundvierzigmal genannt, und
daß unzähligemal ausdrücklich auf ihn angespielt worden ist. Aber auch Grauert
ist wie Ehrhard unter dem Banne und führt in seiner Broschüre einen Dialog
ausdrücklich zu dem Zweck ein, "der Seele des vornehmen und gebildeten Chamber¬
lain" die Fürbitten verschiedner Heiligen zu verschaffen. Unter den Heiligen,
die -- noch dazu durch Dante -- dafür in Anspruch genommen werden, ist auch
der heilige Augustin, den Chamberlain standhaft "den afrikanischen Mestizen" nennt,
und der ihm besonders in der Seele verhaßt ist.

Es ist wahrhaftig schwer, die christliche Milde weiter zu treiben. Ein hervor¬
ragender Katholik hat dieses außergewöhnliche Betragen gegenüber einem Autor,
der zweifellos eine neue und beklagenswerte Ausnahme in einem Lande ist, wo
bis jetzt skrupulöse und unabhängige Forschung von allen Arbeitern gefordert wurde,
die in wissenschaftlicher Disziplin an serieux genommen werden wollten, mit
folgenden Worten gezeichnet: "Die Katholiken sind einmal -- kein einziger unter
ihnen -- gute oder wirksame Schreiber. Sie können nicht brillant schreiben. Vor
einem solch vollendeten Stil stehn sie stumm, sie sind blind gegen seine Fehler,
seine oft lächerlichen Irrtümer, geblendet durch das Talent, mit dem seine Behaup¬
tungen auftreten."

Unsrer Ansicht nach ist übrigens der katholische ReViewer Chamberlains in
Minbui'Kli lisvisv? ein "guter und wirksamer Schreiber." Hier harmonieren
wir nicht mit dem eminent vatuolie, der solche den Katholiken abspricht.






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig


Alle für die Grenzboten bestimmten Aufsätze und Zuschriften wolle man an den Verleger
persönlich richten (I. Grunow, Firma: Fr. Wilh. Grunow, Jnselstraße 20).

Die Manuskripte werden deutlich und sauber und nur auf die eine Seite des Papiers
geschrieben mit breitem Rande erbeten.


Maßgebliches und Unmaßgebliches

ihn geschrieben haben, die sie sonst Feinden ihres Glaubens gegenüber im all¬
gemeinen nicht zeigen, noch weniger gegenüber Glaubensgenossen, wenn sie selbst
in geringfügigen Punkten mit ihnen nicht harmonieren. Professor Ehrhard, der doch
zu dem Schlüsse kommen mußte, daß Chamberlains „Zukunftsreligion" die Negation
jeder Religion, gewiß aber des Christentums bedeutet, zögert das von einem Manne
geschriebn« Buch zu verdammen, der ihm — sagt Ehrhard — wegen seiner nicht
anzuzweifelnden Wahrhaftigkeit sympathisch geworden ist. Professor Grauert, ein
andrer katholischer Gelehrter, ist von Chamberlains absoluter Verläßlichkeit vielleicht
weniger überzeugt. Nachdem Chamberlain die erstaunliche Konstatierung gemacht
hat, daß Christi Namen in der Divina OomwocliÄ nicht vorkomme, hat sich der
Danteforscher Grauert die Mühe genommen, in einer eignen Broschüre nachzuweisen,
daß Christus in der göttlichen Komödie mehr als achtundvierzigmal genannt, und
daß unzähligemal ausdrücklich auf ihn angespielt worden ist. Aber auch Grauert
ist wie Ehrhard unter dem Banne und führt in seiner Broschüre einen Dialog
ausdrücklich zu dem Zweck ein, „der Seele des vornehmen und gebildeten Chamber¬
lain" die Fürbitten verschiedner Heiligen zu verschaffen. Unter den Heiligen,
die — noch dazu durch Dante — dafür in Anspruch genommen werden, ist auch
der heilige Augustin, den Chamberlain standhaft „den afrikanischen Mestizen" nennt,
und der ihm besonders in der Seele verhaßt ist.

Es ist wahrhaftig schwer, die christliche Milde weiter zu treiben. Ein hervor¬
ragender Katholik hat dieses außergewöhnliche Betragen gegenüber einem Autor,
der zweifellos eine neue und beklagenswerte Ausnahme in einem Lande ist, wo
bis jetzt skrupulöse und unabhängige Forschung von allen Arbeitern gefordert wurde,
die in wissenschaftlicher Disziplin an serieux genommen werden wollten, mit
folgenden Worten gezeichnet: „Die Katholiken sind einmal — kein einziger unter
ihnen — gute oder wirksame Schreiber. Sie können nicht brillant schreiben. Vor
einem solch vollendeten Stil stehn sie stumm, sie sind blind gegen seine Fehler,
seine oft lächerlichen Irrtümer, geblendet durch das Talent, mit dem seine Behaup¬
tungen auftreten."

Unsrer Ansicht nach ist übrigens der katholische ReViewer Chamberlains in
Minbui'Kli lisvisv? ein „guter und wirksamer Schreiber." Hier harmonieren
wir nicht mit dem eminent vatuolie, der solche den Katholiken abspricht.






Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig


Alle für die Grenzboten bestimmten Aufsätze und Zuschriften wolle man an den Verleger
persönlich richten (I. Grunow, Firma: Fr. Wilh. Grunow, Jnselstraße 20).

Die Manuskripte werden deutlich und sauber und nur auf die eine Seite des Papiers
geschrieben mit breitem Rande erbeten.


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[0232] Maßgebliches und Unmaßgebliches ihn geschrieben haben, die sie sonst Feinden ihres Glaubens gegenüber im all¬ gemeinen nicht zeigen, noch weniger gegenüber Glaubensgenossen, wenn sie selbst in geringfügigen Punkten mit ihnen nicht harmonieren. Professor Ehrhard, der doch zu dem Schlüsse kommen mußte, daß Chamberlains „Zukunftsreligion" die Negation jeder Religion, gewiß aber des Christentums bedeutet, zögert das von einem Manne geschriebn« Buch zu verdammen, der ihm — sagt Ehrhard — wegen seiner nicht anzuzweifelnden Wahrhaftigkeit sympathisch geworden ist. Professor Grauert, ein andrer katholischer Gelehrter, ist von Chamberlains absoluter Verläßlichkeit vielleicht weniger überzeugt. Nachdem Chamberlain die erstaunliche Konstatierung gemacht hat, daß Christi Namen in der Divina OomwocliÄ nicht vorkomme, hat sich der Danteforscher Grauert die Mühe genommen, in einer eignen Broschüre nachzuweisen, daß Christus in der göttlichen Komödie mehr als achtundvierzigmal genannt, und daß unzähligemal ausdrücklich auf ihn angespielt worden ist. Aber auch Grauert ist wie Ehrhard unter dem Banne und führt in seiner Broschüre einen Dialog ausdrücklich zu dem Zweck ein, „der Seele des vornehmen und gebildeten Chamber¬ lain" die Fürbitten verschiedner Heiligen zu verschaffen. Unter den Heiligen, die — noch dazu durch Dante — dafür in Anspruch genommen werden, ist auch der heilige Augustin, den Chamberlain standhaft „den afrikanischen Mestizen" nennt, und der ihm besonders in der Seele verhaßt ist. Es ist wahrhaftig schwer, die christliche Milde weiter zu treiben. Ein hervor¬ ragender Katholik hat dieses außergewöhnliche Betragen gegenüber einem Autor, der zweifellos eine neue und beklagenswerte Ausnahme in einem Lande ist, wo bis jetzt skrupulöse und unabhängige Forschung von allen Arbeitern gefordert wurde, die in wissenschaftlicher Disziplin an serieux genommen werden wollten, mit folgenden Worten gezeichnet: „Die Katholiken sind einmal — kein einziger unter ihnen — gute oder wirksame Schreiber. Sie können nicht brillant schreiben. Vor einem solch vollendeten Stil stehn sie stumm, sie sind blind gegen seine Fehler, seine oft lächerlichen Irrtümer, geblendet durch das Talent, mit dem seine Behaup¬ tungen auftreten." Unsrer Ansicht nach ist übrigens der katholische ReViewer Chamberlains in Minbui'Kli lisvisv? ein „guter und wirksamer Schreiber." Hier harmonieren wir nicht mit dem eminent vatuolie, der solche den Katholiken abspricht. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig Alle für die Grenzboten bestimmten Aufsätze und Zuschriften wolle man an den Verleger persönlich richten (I. Grunow, Firma: Fr. Wilh. Grunow, Jnselstraße 20). Die Manuskripte werden deutlich und sauber und nur auf die eine Seite des Papiers geschrieben mit breitem Rande erbeten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/232>, abgerufen am 27.09.2024.