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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

von Kügelchen, der sich nicht nehmen ließ, dem allergnädigsten Fräulein seinen
Schutz zu gewähren und ihr tels neuste zu erzählen, was er in der Zeitung ge¬
lesen hatte, das aber Eva wenig interessierte.

An einem der nächsten Tage schob der kleine Benno seine Hand in die
Tantchens, die er auf der Straße getroffen hatte, ging neben ihr her und sagte:
Tante Van Term, weißt du was? Die Eva ist ganz dumm geworden. Sie will
nicht einmal baden. Sie will nicht mit uns baden und ist doch Froschkönigin.
Und was hat man denn hier weiter als das Bad? fügte er altklug und im Ton¬
falle seiner Frau Mutter hinzu.

In der Tat, Eva wollte nicht mit der Schar baden. Sie kam sich vor, als
wäre sie früher blind gewesen und nun sehend geworden. Sie hatte eine gewisse
Scheu vor sich selbst gewonnen. Vorm Jahre hatte sie als eine Märchenprinzessin,
als ein großes Kind mit den Kleinen gespielt, jetzt stand sie im Begriff, Weib zu
werden, und dies unter großen Schmerzen ihrer Seele.

Laßt sie, sagte Tauenden zu dem kleinen Benno; die Eva ist krank. Und
damit traf Tauenden genau das Richtige. Eva war krank, etwa so wie ein Mensch,
in dessen Leibe Hitze und Kälte kämpfen. Zwei Kräfte rangen in ihr um die
Oberhand, ihr Herren- und Freiheitssinn, der ihre ganze alte Natur ausgemacht
hatte, und etwas Neues, ihr bisher Unbekanntes, ihre Liebe zu dem, vor dem sie
sich nicht beugen wollte. Und je länger und je mehr sie einsah, daß sich ihr
Herrensinn gegen diese Elementargewalt, die Besitz von ihr genommen hatte, nicht
werde halten können, und je mehr sie ahnte, daß der Verlust des Kampfes ein
großer und süßer Gewinn sein mußte, desto größer wurde der Jammer in ihr,
daß sie sich dies Glück verscherzt hatte. "Ich mag ihn nicht/' damit hatte sie "ihn"
verleugnet. Und sie hatte nicht den Mut gefunden, das Wort zurückzunehmen und
zu bekennen: Ich habe gelogen, er ist mir das Liebste auf der Welt. Sie hatte
sich ihren Heinz aus Nacht und Eis geholt, aber durch ihren kindischen Trotz hatte
sie ihn doch verloren. Sie hatte ihn von sich gestoßen. Und nun war er weg.
Kam er wieder? Hatte er die Brücke hinter sich abgebrochen? Sie hatte nicht
gewagt, danach zu fragen.

Und Tauenden kam ihr nicht entgegen und half ihr nicht, das auszusprechen,
was ihr auf der Seele lag. Tauenden war eine gute Köchin und wußte, daß man
die Suppe nicht zu zeitig vom Feuer nehmen dürfe, wenn sie gut werden soll.
Tauenden war auch eine gute Krankenpflegerin und wußte, daß eine gründliche
Heilung Zeit braucht.

Tauenden, sagte Eva schüchtern, ist es wahr, daß die Frauen in der Ehe
dienen müssen?

Ja, Kind, erwiderte Tauenden. Doch nicht in der Ehe allein, sondern auch
sonst, und auch nicht die Frauen allein, sondern auch die Männer. In der Welt
dient alles, vom Kaiser und vom Minister herab bis zur letzten Dienstmagd. Und
wer nicht dienen will, ist ein unnützes Glied in der Menschheit.
"

"Er sagte, fuhr Eva fort, eine Ehe müsse ein Kunstwerk sein, eine Harmonie
wie die der zwei Uhren Karls des Fünften.

Ach das ist ja dummes Zeug, antwortete Tauenden. Ich will dir was sagen,
wer immer von sich als Künstler und von seinem Werke als Kunstwerk redet, von
dem kannst du annehmen, daß er nicht viel kann. Dem rechten Künstler geht es
von der Hand -- spielend leicht, und er merkt es nicht, daß es Kunst ist, was
er schafft. Sag einmal, hat denn Karl der Fünfte seine zwei Uhren in gleichen
Schlag gebracht? Soviel ich mich erinnere, hat ers nicht. Und es wird auch nie
gelingen, wenn es zwei Uhren sind, von denen jede ihr eignes Gewicht hat. Wenn
aber dasselbe Gewicht beide Uhren treibt, ich glaube, dann kommt auch ein gleicher
Gang heraus. Eva, es gibt eine Kraft, die Himmel und Erde durchdringt. Von
Gott geht sie aus, in seinem Sohne offenbarte sie sich, und im Menschenherzen
wirkt sie Glück und Leben. Das ist die Liebe. Nicht die Liebe, die begehrlich


Herrenmenschen

von Kügelchen, der sich nicht nehmen ließ, dem allergnädigsten Fräulein seinen
Schutz zu gewähren und ihr tels neuste zu erzählen, was er in der Zeitung ge¬
lesen hatte, das aber Eva wenig interessierte.

An einem der nächsten Tage schob der kleine Benno seine Hand in die
Tantchens, die er auf der Straße getroffen hatte, ging neben ihr her und sagte:
Tante Van Term, weißt du was? Die Eva ist ganz dumm geworden. Sie will
nicht einmal baden. Sie will nicht mit uns baden und ist doch Froschkönigin.
Und was hat man denn hier weiter als das Bad? fügte er altklug und im Ton¬
falle seiner Frau Mutter hinzu.

In der Tat, Eva wollte nicht mit der Schar baden. Sie kam sich vor, als
wäre sie früher blind gewesen und nun sehend geworden. Sie hatte eine gewisse
Scheu vor sich selbst gewonnen. Vorm Jahre hatte sie als eine Märchenprinzessin,
als ein großes Kind mit den Kleinen gespielt, jetzt stand sie im Begriff, Weib zu
werden, und dies unter großen Schmerzen ihrer Seele.

Laßt sie, sagte Tauenden zu dem kleinen Benno; die Eva ist krank. Und
damit traf Tauenden genau das Richtige. Eva war krank, etwa so wie ein Mensch,
in dessen Leibe Hitze und Kälte kämpfen. Zwei Kräfte rangen in ihr um die
Oberhand, ihr Herren- und Freiheitssinn, der ihre ganze alte Natur ausgemacht
hatte, und etwas Neues, ihr bisher Unbekanntes, ihre Liebe zu dem, vor dem sie
sich nicht beugen wollte. Und je länger und je mehr sie einsah, daß sich ihr
Herrensinn gegen diese Elementargewalt, die Besitz von ihr genommen hatte, nicht
werde halten können, und je mehr sie ahnte, daß der Verlust des Kampfes ein
großer und süßer Gewinn sein mußte, desto größer wurde der Jammer in ihr,
daß sie sich dies Glück verscherzt hatte. „Ich mag ihn nicht/' damit hatte sie „ihn"
verleugnet. Und sie hatte nicht den Mut gefunden, das Wort zurückzunehmen und
zu bekennen: Ich habe gelogen, er ist mir das Liebste auf der Welt. Sie hatte
sich ihren Heinz aus Nacht und Eis geholt, aber durch ihren kindischen Trotz hatte
sie ihn doch verloren. Sie hatte ihn von sich gestoßen. Und nun war er weg.
Kam er wieder? Hatte er die Brücke hinter sich abgebrochen? Sie hatte nicht
gewagt, danach zu fragen.

Und Tauenden kam ihr nicht entgegen und half ihr nicht, das auszusprechen,
was ihr auf der Seele lag. Tauenden war eine gute Köchin und wußte, daß man
die Suppe nicht zu zeitig vom Feuer nehmen dürfe, wenn sie gut werden soll.
Tauenden war auch eine gute Krankenpflegerin und wußte, daß eine gründliche
Heilung Zeit braucht.

Tauenden, sagte Eva schüchtern, ist es wahr, daß die Frauen in der Ehe
dienen müssen?

Ja, Kind, erwiderte Tauenden. Doch nicht in der Ehe allein, sondern auch
sonst, und auch nicht die Frauen allein, sondern auch die Männer. In der Welt
dient alles, vom Kaiser und vom Minister herab bis zur letzten Dienstmagd. Und
wer nicht dienen will, ist ein unnützes Glied in der Menschheit.
"

„Er sagte, fuhr Eva fort, eine Ehe müsse ein Kunstwerk sein, eine Harmonie
wie die der zwei Uhren Karls des Fünften.

Ach das ist ja dummes Zeug, antwortete Tauenden. Ich will dir was sagen,
wer immer von sich als Künstler und von seinem Werke als Kunstwerk redet, von
dem kannst du annehmen, daß er nicht viel kann. Dem rechten Künstler geht es
von der Hand — spielend leicht, und er merkt es nicht, daß es Kunst ist, was
er schafft. Sag einmal, hat denn Karl der Fünfte seine zwei Uhren in gleichen
Schlag gebracht? Soviel ich mich erinnere, hat ers nicht. Und es wird auch nie
gelingen, wenn es zwei Uhren sind, von denen jede ihr eignes Gewicht hat. Wenn
aber dasselbe Gewicht beide Uhren treibt, ich glaube, dann kommt auch ein gleicher
Gang heraus. Eva, es gibt eine Kraft, die Himmel und Erde durchdringt. Von
Gott geht sie aus, in seinem Sohne offenbarte sie sich, und im Menschenherzen
wirkt sie Glück und Leben. Das ist die Liebe. Nicht die Liebe, die begehrlich


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[0219] Herrenmenschen von Kügelchen, der sich nicht nehmen ließ, dem allergnädigsten Fräulein seinen Schutz zu gewähren und ihr tels neuste zu erzählen, was er in der Zeitung ge¬ lesen hatte, das aber Eva wenig interessierte. An einem der nächsten Tage schob der kleine Benno seine Hand in die Tantchens, die er auf der Straße getroffen hatte, ging neben ihr her und sagte: Tante Van Term, weißt du was? Die Eva ist ganz dumm geworden. Sie will nicht einmal baden. Sie will nicht mit uns baden und ist doch Froschkönigin. Und was hat man denn hier weiter als das Bad? fügte er altklug und im Ton¬ falle seiner Frau Mutter hinzu. In der Tat, Eva wollte nicht mit der Schar baden. Sie kam sich vor, als wäre sie früher blind gewesen und nun sehend geworden. Sie hatte eine gewisse Scheu vor sich selbst gewonnen. Vorm Jahre hatte sie als eine Märchenprinzessin, als ein großes Kind mit den Kleinen gespielt, jetzt stand sie im Begriff, Weib zu werden, und dies unter großen Schmerzen ihrer Seele. Laßt sie, sagte Tauenden zu dem kleinen Benno; die Eva ist krank. Und damit traf Tauenden genau das Richtige. Eva war krank, etwa so wie ein Mensch, in dessen Leibe Hitze und Kälte kämpfen. Zwei Kräfte rangen in ihr um die Oberhand, ihr Herren- und Freiheitssinn, der ihre ganze alte Natur ausgemacht hatte, und etwas Neues, ihr bisher Unbekanntes, ihre Liebe zu dem, vor dem sie sich nicht beugen wollte. Und je länger und je mehr sie einsah, daß sich ihr Herrensinn gegen diese Elementargewalt, die Besitz von ihr genommen hatte, nicht werde halten können, und je mehr sie ahnte, daß der Verlust des Kampfes ein großer und süßer Gewinn sein mußte, desto größer wurde der Jammer in ihr, daß sie sich dies Glück verscherzt hatte. „Ich mag ihn nicht/' damit hatte sie „ihn" verleugnet. Und sie hatte nicht den Mut gefunden, das Wort zurückzunehmen und zu bekennen: Ich habe gelogen, er ist mir das Liebste auf der Welt. Sie hatte sich ihren Heinz aus Nacht und Eis geholt, aber durch ihren kindischen Trotz hatte sie ihn doch verloren. Sie hatte ihn von sich gestoßen. Und nun war er weg. Kam er wieder? Hatte er die Brücke hinter sich abgebrochen? Sie hatte nicht gewagt, danach zu fragen. Und Tauenden kam ihr nicht entgegen und half ihr nicht, das auszusprechen, was ihr auf der Seele lag. Tauenden war eine gute Köchin und wußte, daß man die Suppe nicht zu zeitig vom Feuer nehmen dürfe, wenn sie gut werden soll. Tauenden war auch eine gute Krankenpflegerin und wußte, daß eine gründliche Heilung Zeit braucht. Tauenden, sagte Eva schüchtern, ist es wahr, daß die Frauen in der Ehe dienen müssen? Ja, Kind, erwiderte Tauenden. Doch nicht in der Ehe allein, sondern auch sonst, und auch nicht die Frauen allein, sondern auch die Männer. In der Welt dient alles, vom Kaiser und vom Minister herab bis zur letzten Dienstmagd. Und wer nicht dienen will, ist ein unnützes Glied in der Menschheit. " „Er sagte, fuhr Eva fort, eine Ehe müsse ein Kunstwerk sein, eine Harmonie wie die der zwei Uhren Karls des Fünften. Ach das ist ja dummes Zeug, antwortete Tauenden. Ich will dir was sagen, wer immer von sich als Künstler und von seinem Werke als Kunstwerk redet, von dem kannst du annehmen, daß er nicht viel kann. Dem rechten Künstler geht es von der Hand — spielend leicht, und er merkt es nicht, daß es Kunst ist, was er schafft. Sag einmal, hat denn Karl der Fünfte seine zwei Uhren in gleichen Schlag gebracht? Soviel ich mich erinnere, hat ers nicht. Und es wird auch nie gelingen, wenn es zwei Uhren sind, von denen jede ihr eignes Gewicht hat. Wenn aber dasselbe Gewicht beide Uhren treibt, ich glaube, dann kommt auch ein gleicher Gang heraus. Eva, es gibt eine Kraft, die Himmel und Erde durchdringt. Von Gott geht sie aus, in seinem Sohne offenbarte sie sich, und im Menschenherzen wirkt sie Glück und Leben. Das ist die Liebe. Nicht die Liebe, die begehrlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/219>, abgerufen am 27.09.2024.