Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn dich Antonio beleidigt hat,
So hat er dir auf irgendeine Weise
Genug zu tun, wie du eS fordern wirst.

Als Tasso mit einer gelinden Strafe verabschiedet ist, und Antonio voll
Mißgunst über die milde Auffassung des Fürsten die Forderung stellt, daß
das Schwert den Zwist entscheiden soll, sagt Alfons noch ganz im Sinne des
ritterlichen Ehrbegriffs:


Wenn es die Meinung fordert, mag es sein!

Dann erst gibt Antonio die erste klare Auskunft über den Ursprung des
Streites: " . . ^ . "-^ ....
Als Menschen hab ich ihn vielleicht gekränkt,
Als Edelmann hab ich ihn nicht beleidigt,
Und seinen Lippen ist im größten Zorne
Kein sittenloses Wort entflohn.

Nunmehr ist es dem Fürsten möglich, mit seinem gerechten Urteil und
seinem weitschauenden Blick den Handel zu ordnen. Antonio muß auf sein
Geheiß Tasso den Degen zurückbringen und den Beleidigten versöhnen. Diese
Ehrensache zwischen Tasso und Antonio muß man scharf im Auge behalten,
wenn man der Auffassung des Dichters über diesen Gegenstand gerecht werden
will. Sie fesselt uns gerade deshalb, weil Goethe, als er den Tasso in
Italien umarbeitete, zur Höhe seiner poetischen Entwicklung aufgestiegen war,
und weil er darin den Weg zeigt, der bei jedem Ehrenhandel einzuschlagen
ist. In seinem Tasso ist es der weise Fürst,, der Antonio nötigt, seine
Kränkung zurückzunehmen, und dadurch den Zweikampf verhütet, zugleich aber
auch deutlich zu erkennen gibt, daß es ritterlich ist, das Unrecht wieder gut
machen und die Hand zum gütlichen Ausgleiche zu bieten, und daß der Be¬
leidigte die zur Versöhnung gebotne Hand annehmen muß, wie es die wahr¬
haft gute Sitte fordert. Wer die versöhnende Macht der innern Einkehr und
der guten Sitte kennt, wird den tiefen Sinn in den Worten des Dichters
versteh", die er in ein Exemplar seiner Iphigenie schrieb:


Alle menschlichen Gebrechen
Sühnet reine Menschlichkeit,

A. "VHIert


Negermärchen
Paul Arfert von

> er die Kultur einer hoher" Zivilisation auf ein wildes Boll über¬
trage" will, muß erst in die Denk- und Anschauungsweise des
Naturvolkes eindringen. Nach diese"! alten Erfahrungssätze sollten
sich unsre Missionare, Lehrer. Beamten, Farmer und Kaufleute, ehe
^sie in die Kolonien gehn, bestreben, sich ein lebendiges, vom Zwange
unsrer gewohnheitsmäßigen Anschauungen befreites Bild von dem psychischen
Zustande der Stämme, die unsre Kolonien bewohnen, zu verschaffen. Vor kurzem



Wenn dich Antonio beleidigt hat,
So hat er dir auf irgendeine Weise
Genug zu tun, wie du eS fordern wirst.

Als Tasso mit einer gelinden Strafe verabschiedet ist, und Antonio voll
Mißgunst über die milde Auffassung des Fürsten die Forderung stellt, daß
das Schwert den Zwist entscheiden soll, sagt Alfons noch ganz im Sinne des
ritterlichen Ehrbegriffs:


Wenn es die Meinung fordert, mag es sein!

Dann erst gibt Antonio die erste klare Auskunft über den Ursprung des
Streites: „ . . ^ . „-^ ....
Als Menschen hab ich ihn vielleicht gekränkt,
Als Edelmann hab ich ihn nicht beleidigt,
Und seinen Lippen ist im größten Zorne
Kein sittenloses Wort entflohn.

Nunmehr ist es dem Fürsten möglich, mit seinem gerechten Urteil und
seinem weitschauenden Blick den Handel zu ordnen. Antonio muß auf sein
Geheiß Tasso den Degen zurückbringen und den Beleidigten versöhnen. Diese
Ehrensache zwischen Tasso und Antonio muß man scharf im Auge behalten,
wenn man der Auffassung des Dichters über diesen Gegenstand gerecht werden
will. Sie fesselt uns gerade deshalb, weil Goethe, als er den Tasso in
Italien umarbeitete, zur Höhe seiner poetischen Entwicklung aufgestiegen war,
und weil er darin den Weg zeigt, der bei jedem Ehrenhandel einzuschlagen
ist. In seinem Tasso ist es der weise Fürst,, der Antonio nötigt, seine
Kränkung zurückzunehmen, und dadurch den Zweikampf verhütet, zugleich aber
auch deutlich zu erkennen gibt, daß es ritterlich ist, das Unrecht wieder gut
machen und die Hand zum gütlichen Ausgleiche zu bieten, und daß der Be¬
leidigte die zur Versöhnung gebotne Hand annehmen muß, wie es die wahr¬
haft gute Sitte fordert. Wer die versöhnende Macht der innern Einkehr und
der guten Sitte kennt, wird den tiefen Sinn in den Worten des Dichters
versteh«, die er in ein Exemplar seiner Iphigenie schrieb:


Alle menschlichen Gebrechen
Sühnet reine Menschlichkeit,

A. «VHIert


Negermärchen
Paul Arfert von

> er die Kultur einer hoher» Zivilisation auf ein wildes Boll über¬
trage» will, muß erst in die Denk- und Anschauungsweise des
Naturvolkes eindringen. Nach diese»! alten Erfahrungssätze sollten
sich unsre Missionare, Lehrer. Beamten, Farmer und Kaufleute, ehe
^sie in die Kolonien gehn, bestreben, sich ein lebendiges, vom Zwange
unsrer gewohnheitsmäßigen Anschauungen befreites Bild von dem psychischen
Zustande der Stämme, die unsre Kolonien bewohnen, zu verschaffen. Vor kurzem


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0206" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297725"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <quote> Wenn dich Antonio beleidigt hat,<lb/>
So hat er dir auf irgendeine Weise<lb/>
Genug zu tun, wie du eS fordern wirst.</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_864"> Als Tasso mit einer gelinden Strafe verabschiedet ist, und Antonio voll<lb/>
Mißgunst über die milde Auffassung des Fürsten die Forderung stellt, daß<lb/>
das Schwert den Zwist entscheiden soll, sagt Alfons noch ganz im Sinne des<lb/>
ritterlichen Ehrbegriffs:</p><lb/>
          <quote> Wenn es die Meinung fordert, mag es sein!</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_865"> Dann erst gibt Antonio die erste klare Auskunft über den Ursprung des<lb/>
Streites: <quote> &#x201E;  . . ^   . &#x201E;-^ ....<lb/>
Als Menschen hab ich ihn vielleicht gekränkt,<lb/>
Als Edelmann hab ich ihn nicht beleidigt,<lb/>
Und seinen Lippen ist im größten Zorne<lb/>
Kein sittenloses Wort entflohn.</quote></p><lb/>
          <p xml:id="ID_866"> Nunmehr ist es dem Fürsten möglich, mit seinem gerechten Urteil und<lb/>
seinem weitschauenden Blick den Handel zu ordnen. Antonio muß auf sein<lb/>
Geheiß Tasso den Degen zurückbringen und den Beleidigten versöhnen. Diese<lb/>
Ehrensache zwischen Tasso und Antonio muß man scharf im Auge behalten,<lb/>
wenn man der Auffassung des Dichters über diesen Gegenstand gerecht werden<lb/>
will. Sie fesselt uns gerade deshalb, weil Goethe, als er den Tasso in<lb/>
Italien umarbeitete, zur Höhe seiner poetischen Entwicklung aufgestiegen war,<lb/>
und weil er darin den Weg zeigt, der bei jedem Ehrenhandel einzuschlagen<lb/>
ist. In seinem Tasso ist es der weise Fürst,, der Antonio nötigt, seine<lb/>
Kränkung zurückzunehmen, und dadurch den Zweikampf verhütet, zugleich aber<lb/>
auch deutlich zu erkennen gibt, daß es ritterlich ist, das Unrecht wieder gut<lb/>
machen und die Hand zum gütlichen Ausgleiche zu bieten, und daß der Be¬<lb/>
leidigte die zur Versöhnung gebotne Hand annehmen muß, wie es die wahr¬<lb/>
haft gute Sitte fordert. Wer die versöhnende Macht der innern Einkehr und<lb/>
der guten Sitte kennt, wird den tiefen Sinn in den Worten des Dichters<lb/>
versteh«, die er in ein Exemplar seiner Iphigenie schrieb:</p><lb/>
          <quote> Alle menschlichen Gebrechen<lb/>
Sühnet reine Menschlichkeit,</quote><lb/>
          <note type="byline"> A. «VHIert</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Negermärchen<lb/><note type="byline"> Paul Arfert</note> von</head><lb/>
          <p xml:id="ID_867" next="#ID_868"> &gt; er die Kultur einer hoher» Zivilisation auf ein wildes Boll über¬<lb/>
trage» will, muß erst in die Denk- und Anschauungsweise des<lb/>
Naturvolkes eindringen. Nach diese»! alten Erfahrungssätze sollten<lb/>
sich unsre Missionare, Lehrer. Beamten, Farmer und Kaufleute, ehe<lb/>
^sie in die Kolonien gehn, bestreben, sich ein lebendiges, vom Zwange<lb/>
unsrer gewohnheitsmäßigen Anschauungen befreites Bild von dem psychischen<lb/>
Zustande der Stämme, die unsre Kolonien bewohnen, zu verschaffen. Vor kurzem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0206] Wenn dich Antonio beleidigt hat, So hat er dir auf irgendeine Weise Genug zu tun, wie du eS fordern wirst. Als Tasso mit einer gelinden Strafe verabschiedet ist, und Antonio voll Mißgunst über die milde Auffassung des Fürsten die Forderung stellt, daß das Schwert den Zwist entscheiden soll, sagt Alfons noch ganz im Sinne des ritterlichen Ehrbegriffs: Wenn es die Meinung fordert, mag es sein! Dann erst gibt Antonio die erste klare Auskunft über den Ursprung des Streites: „ . . ^ . „-^ .... Als Menschen hab ich ihn vielleicht gekränkt, Als Edelmann hab ich ihn nicht beleidigt, Und seinen Lippen ist im größten Zorne Kein sittenloses Wort entflohn. Nunmehr ist es dem Fürsten möglich, mit seinem gerechten Urteil und seinem weitschauenden Blick den Handel zu ordnen. Antonio muß auf sein Geheiß Tasso den Degen zurückbringen und den Beleidigten versöhnen. Diese Ehrensache zwischen Tasso und Antonio muß man scharf im Auge behalten, wenn man der Auffassung des Dichters über diesen Gegenstand gerecht werden will. Sie fesselt uns gerade deshalb, weil Goethe, als er den Tasso in Italien umarbeitete, zur Höhe seiner poetischen Entwicklung aufgestiegen war, und weil er darin den Weg zeigt, der bei jedem Ehrenhandel einzuschlagen ist. In seinem Tasso ist es der weise Fürst,, der Antonio nötigt, seine Kränkung zurückzunehmen, und dadurch den Zweikampf verhütet, zugleich aber auch deutlich zu erkennen gibt, daß es ritterlich ist, das Unrecht wieder gut machen und die Hand zum gütlichen Ausgleiche zu bieten, und daß der Be¬ leidigte die zur Versöhnung gebotne Hand annehmen muß, wie es die wahr¬ haft gute Sitte fordert. Wer die versöhnende Macht der innern Einkehr und der guten Sitte kennt, wird den tiefen Sinn in den Worten des Dichters versteh«, die er in ein Exemplar seiner Iphigenie schrieb: Alle menschlichen Gebrechen Sühnet reine Menschlichkeit, A. «VHIert Negermärchen Paul Arfert von > er die Kultur einer hoher» Zivilisation auf ein wildes Boll über¬ trage» will, muß erst in die Denk- und Anschauungsweise des Naturvolkes eindringen. Nach diese»! alten Erfahrungssätze sollten sich unsre Missionare, Lehrer. Beamten, Farmer und Kaufleute, ehe ^sie in die Kolonien gehn, bestreben, sich ein lebendiges, vom Zwange unsrer gewohnheitsmäßigen Anschauungen befreites Bild von dem psychischen Zustande der Stämme, die unsre Kolonien bewohnen, zu verschaffen. Vor kurzem

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/206
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/206>, abgerufen am 27.09.2024.