Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

in eine frühere Stellung nach Frankfurt zurückzukehren. Nachdem der Wirt diese
Karte gelesen hatte, zahlte er mir das Reisegeld und wünschte mir Glück auf den
Weg. Ich begab mich zu dem Kellner zurück, teilte mit ihm den sehr ansehnlichen
Erlös meiner Fahrt und wanderte mit ihm und einem Sattler zunächst nach Schlüch-
tern. Hier trafen wir mit zwei Tippelschicksen zusammen, die auf den Sattler einen
so starken Eindruck machten, daß er bei ihnen blieb und uns allein weiter ziehn
ließ. Am andern Tage stießen wir mit dem Kleeblatt wieder zusammen und rich¬
teten es so ein, daß wir zuerst die Dörfer abfochten und den drei andern die Nach¬
lese überließen. Am Ausgange des Dorfes erwarteten wir sie dann und hatten
Gelegenheit zu beobachten, daß die Schicksen immer bessere Geschäfte gemacht hatten
als wir. Sie brachten außer reichlichem Kies und Lebensmitteln gewöhnlich einen
Pack Kinderwäsche mit, den sie aber in das nächste beste Wasser warfen. So ge¬
langten wir nach Gelnhausen, wo die eine der Schicksen der andern die Papiere
zottelte und damit auf Nimmerwiedersehen verschwand. Über Hann und Offen¬
bach kamen wir nach Aschaffenburg und stellten uns zum Mittagessen in einem
Kloster ein. Dort war ein Vorraum mit zwei oder drei Tischen und einer An¬
zahl Bänken ausgestattet, wo jeden Tag die Armen gespeist wurden. Um zwölf
Uhr erschienen zwei Mönche, die einen großen Blechkübel mit Essen trugen und
ihn in dem Raume niederstellten, worauf sie ein Gebet sprachen. Dann kamen ein
paar andre Mönche mit Tonschüsseln, die als Teller dienen mußten. Wer mit einem
Löffel essen wollte, mußte seinen Hut zum Pfande geben, woraus ich schloß, daß
die frommen Brüder mit ihren Gästen schon schlimme Erfahrungen gemacht hatten.
Das Essen bestand aus einem Gemisch von Erbsen, Linsen, Brodstücken, Kartoffeln
und Fleischresten, alles Dinge, die nicht von der besten Qualität waren, und die
offenbar als für die Tafel der Mönche ungeeignet aussortiert worden waren. Da
wir aber Hunger hatten, langten wir gehörig zu und verließen das Kloster wenigstens
mit dem Gefühl, gesättigt zu sein. Auf dem Wege nach Würzburg sprachen wir
noch mehreremal in Klöstern vor und erhielten regelmäßig eine Maß "Schöps"
(billiges Hausbier) nebst einem Stück Brot. In Würzburg kehrte ich in der Her¬
berge ein und besuchte am andern Tage um die Mittagszeit das Juliusspital, eine
großartige, mit einem Krankenhaus verbundne Anlage. Auch hier gab es wieder
ein aus verschiednen Kohlsorten und Fleischstücken gemischtes Essen, das in irdnen
Schüsseln verabreicht wurde. Allerdings war es nicht ganz leicht, mit dem Essen
fertig zu werden, da man uns keine Löffel einhändigte, und wir also gezwungen
waren, die ganze Schüssel an den Mund zu setzen und das Gemisch hinunter-
zuschlurfen. Auf der Herberge war ein Techniker, der bis vor kurzem wohl bessere
Tage gesehen und die Scheu vor dem Umschauen noch nicht überwunden hatte. Er
musterte mich von Kopf bis zu Füßen und händigte mir im Vertrauen auf meine
neue Kluft seiue Papiere ein, worunter sich die Zeichnung irgendeiner technischen
Anlage befand. Mit diesen Papieren besuchte ich die Ingenieure und erregte bei
einem davon mit der, wie er vermutete, von mir selbst angefertigten Zeichnung
so viel Bewunderung, daß er mir zwei Mark schenkte.

Auf der Reise nach Bamberg traf ich mit einem Bäcker aus Böhmen zu¬
sammen, der mir mitteilte, wir könnten in einem Dorfe zwischen Regensburg und
Landshut Arbeit bekommen, müßten uns aber dazu halten, wenn wir zur rechten
Zeit anlangen wollten. Als ich mich danach erkundigte, welcher Art die Arbeit sei,
sagte er mir, es handle sich um Hopfenzupfeu, er sei schon im letzten Sommer dort
gewesen und habe diese Arbeit verrichtet. Wir gingen zunächst über Kulmbach nach
Bayreuth, wo wir in einem Gasthofe logierten, und wo ich mir in der Gesellschaft
mehrerer Touristen das Grab Richard Wagners im Garten der Villa Wnhnfried
ansah, zu dem uus ein älterer Gärtner gegen ein Trinkgeld geleitete. Das Grab
war sehr einfach und wies als einzigen Schmuck eine schwarze Marmortafel ohne
Inschrift auf.

Nach diesem Abstecher, zu dem ich meinen Wanderkollegen überredet hatte,


Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren

in eine frühere Stellung nach Frankfurt zurückzukehren. Nachdem der Wirt diese
Karte gelesen hatte, zahlte er mir das Reisegeld und wünschte mir Glück auf den
Weg. Ich begab mich zu dem Kellner zurück, teilte mit ihm den sehr ansehnlichen
Erlös meiner Fahrt und wanderte mit ihm und einem Sattler zunächst nach Schlüch-
tern. Hier trafen wir mit zwei Tippelschicksen zusammen, die auf den Sattler einen
so starken Eindruck machten, daß er bei ihnen blieb und uns allein weiter ziehn
ließ. Am andern Tage stießen wir mit dem Kleeblatt wieder zusammen und rich¬
teten es so ein, daß wir zuerst die Dörfer abfochten und den drei andern die Nach¬
lese überließen. Am Ausgange des Dorfes erwarteten wir sie dann und hatten
Gelegenheit zu beobachten, daß die Schicksen immer bessere Geschäfte gemacht hatten
als wir. Sie brachten außer reichlichem Kies und Lebensmitteln gewöhnlich einen
Pack Kinderwäsche mit, den sie aber in das nächste beste Wasser warfen. So ge¬
langten wir nach Gelnhausen, wo die eine der Schicksen der andern die Papiere
zottelte und damit auf Nimmerwiedersehen verschwand. Über Hann und Offen¬
bach kamen wir nach Aschaffenburg und stellten uns zum Mittagessen in einem
Kloster ein. Dort war ein Vorraum mit zwei oder drei Tischen und einer An¬
zahl Bänken ausgestattet, wo jeden Tag die Armen gespeist wurden. Um zwölf
Uhr erschienen zwei Mönche, die einen großen Blechkübel mit Essen trugen und
ihn in dem Raume niederstellten, worauf sie ein Gebet sprachen. Dann kamen ein
paar andre Mönche mit Tonschüsseln, die als Teller dienen mußten. Wer mit einem
Löffel essen wollte, mußte seinen Hut zum Pfande geben, woraus ich schloß, daß
die frommen Brüder mit ihren Gästen schon schlimme Erfahrungen gemacht hatten.
Das Essen bestand aus einem Gemisch von Erbsen, Linsen, Brodstücken, Kartoffeln
und Fleischresten, alles Dinge, die nicht von der besten Qualität waren, und die
offenbar als für die Tafel der Mönche ungeeignet aussortiert worden waren. Da
wir aber Hunger hatten, langten wir gehörig zu und verließen das Kloster wenigstens
mit dem Gefühl, gesättigt zu sein. Auf dem Wege nach Würzburg sprachen wir
noch mehreremal in Klöstern vor und erhielten regelmäßig eine Maß „Schöps"
(billiges Hausbier) nebst einem Stück Brot. In Würzburg kehrte ich in der Her¬
berge ein und besuchte am andern Tage um die Mittagszeit das Juliusspital, eine
großartige, mit einem Krankenhaus verbundne Anlage. Auch hier gab es wieder
ein aus verschiednen Kohlsorten und Fleischstücken gemischtes Essen, das in irdnen
Schüsseln verabreicht wurde. Allerdings war es nicht ganz leicht, mit dem Essen
fertig zu werden, da man uns keine Löffel einhändigte, und wir also gezwungen
waren, die ganze Schüssel an den Mund zu setzen und das Gemisch hinunter-
zuschlurfen. Auf der Herberge war ein Techniker, der bis vor kurzem wohl bessere
Tage gesehen und die Scheu vor dem Umschauen noch nicht überwunden hatte. Er
musterte mich von Kopf bis zu Füßen und händigte mir im Vertrauen auf meine
neue Kluft seiue Papiere ein, worunter sich die Zeichnung irgendeiner technischen
Anlage befand. Mit diesen Papieren besuchte ich die Ingenieure und erregte bei
einem davon mit der, wie er vermutete, von mir selbst angefertigten Zeichnung
so viel Bewunderung, daß er mir zwei Mark schenkte.

Auf der Reise nach Bamberg traf ich mit einem Bäcker aus Böhmen zu¬
sammen, der mir mitteilte, wir könnten in einem Dorfe zwischen Regensburg und
Landshut Arbeit bekommen, müßten uns aber dazu halten, wenn wir zur rechten
Zeit anlangen wollten. Als ich mich danach erkundigte, welcher Art die Arbeit sei,
sagte er mir, es handle sich um Hopfenzupfeu, er sei schon im letzten Sommer dort
gewesen und habe diese Arbeit verrichtet. Wir gingen zunächst über Kulmbach nach
Bayreuth, wo wir in einem Gasthofe logierten, und wo ich mir in der Gesellschaft
mehrerer Touristen das Grab Richard Wagners im Garten der Villa Wnhnfried
ansah, zu dem uus ein älterer Gärtner gegen ein Trinkgeld geleitete. Das Grab
war sehr einfach und wies als einzigen Schmuck eine schwarze Marmortafel ohne
Inschrift auf.

Nach diesem Abstecher, zu dem ich meinen Wanderkollegen überredet hatte,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0157" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297676"/>
          <fw type="header" place="top"> Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_628" prev="#ID_627"> in eine frühere Stellung nach Frankfurt zurückzukehren. Nachdem der Wirt diese<lb/>
Karte gelesen hatte, zahlte er mir das Reisegeld und wünschte mir Glück auf den<lb/>
Weg. Ich begab mich zu dem Kellner zurück, teilte mit ihm den sehr ansehnlichen<lb/>
Erlös meiner Fahrt und wanderte mit ihm und einem Sattler zunächst nach Schlüch-<lb/>
tern. Hier trafen wir mit zwei Tippelschicksen zusammen, die auf den Sattler einen<lb/>
so starken Eindruck machten, daß er bei ihnen blieb und uns allein weiter ziehn<lb/>
ließ. Am andern Tage stießen wir mit dem Kleeblatt wieder zusammen und rich¬<lb/>
teten es so ein, daß wir zuerst die Dörfer abfochten und den drei andern die Nach¬<lb/>
lese überließen. Am Ausgange des Dorfes erwarteten wir sie dann und hatten<lb/>
Gelegenheit zu beobachten, daß die Schicksen immer bessere Geschäfte gemacht hatten<lb/>
als wir. Sie brachten außer reichlichem Kies und Lebensmitteln gewöhnlich einen<lb/>
Pack Kinderwäsche mit, den sie aber in das nächste beste Wasser warfen. So ge¬<lb/>
langten wir nach Gelnhausen, wo die eine der Schicksen der andern die Papiere<lb/>
zottelte und damit auf Nimmerwiedersehen verschwand. Über Hann und Offen¬<lb/>
bach kamen wir nach Aschaffenburg und stellten uns zum Mittagessen in einem<lb/>
Kloster ein. Dort war ein Vorraum mit zwei oder drei Tischen und einer An¬<lb/>
zahl Bänken ausgestattet, wo jeden Tag die Armen gespeist wurden. Um zwölf<lb/>
Uhr erschienen zwei Mönche, die einen großen Blechkübel mit Essen trugen und<lb/>
ihn in dem Raume niederstellten, worauf sie ein Gebet sprachen. Dann kamen ein<lb/>
paar andre Mönche mit Tonschüsseln, die als Teller dienen mußten. Wer mit einem<lb/>
Löffel essen wollte, mußte seinen Hut zum Pfande geben, woraus ich schloß, daß<lb/>
die frommen Brüder mit ihren Gästen schon schlimme Erfahrungen gemacht hatten.<lb/>
Das Essen bestand aus einem Gemisch von Erbsen, Linsen, Brodstücken, Kartoffeln<lb/>
und Fleischresten, alles Dinge, die nicht von der besten Qualität waren, und die<lb/>
offenbar als für die Tafel der Mönche ungeeignet aussortiert worden waren. Da<lb/>
wir aber Hunger hatten, langten wir gehörig zu und verließen das Kloster wenigstens<lb/>
mit dem Gefühl, gesättigt zu sein. Auf dem Wege nach Würzburg sprachen wir<lb/>
noch mehreremal in Klöstern vor und erhielten regelmäßig eine Maß &#x201E;Schöps"<lb/>
(billiges Hausbier) nebst einem Stück Brot. In Würzburg kehrte ich in der Her¬<lb/>
berge ein und besuchte am andern Tage um die Mittagszeit das Juliusspital, eine<lb/>
großartige, mit einem Krankenhaus verbundne Anlage. Auch hier gab es wieder<lb/>
ein aus verschiednen Kohlsorten und Fleischstücken gemischtes Essen, das in irdnen<lb/>
Schüsseln verabreicht wurde. Allerdings war es nicht ganz leicht, mit dem Essen<lb/>
fertig zu werden, da man uns keine Löffel einhändigte, und wir also gezwungen<lb/>
waren, die ganze Schüssel an den Mund zu setzen und das Gemisch hinunter-<lb/>
zuschlurfen. Auf der Herberge war ein Techniker, der bis vor kurzem wohl bessere<lb/>
Tage gesehen und die Scheu vor dem Umschauen noch nicht überwunden hatte. Er<lb/>
musterte mich von Kopf bis zu Füßen und händigte mir im Vertrauen auf meine<lb/>
neue Kluft seiue Papiere ein, worunter sich die Zeichnung irgendeiner technischen<lb/>
Anlage befand. Mit diesen Papieren besuchte ich die Ingenieure und erregte bei<lb/>
einem davon mit der, wie er vermutete, von mir selbst angefertigten Zeichnung<lb/>
so viel Bewunderung, daß er mir zwei Mark schenkte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_629"> Auf der Reise nach Bamberg traf ich mit einem Bäcker aus Böhmen zu¬<lb/>
sammen, der mir mitteilte, wir könnten in einem Dorfe zwischen Regensburg und<lb/>
Landshut Arbeit bekommen, müßten uns aber dazu halten, wenn wir zur rechten<lb/>
Zeit anlangen wollten. Als ich mich danach erkundigte, welcher Art die Arbeit sei,<lb/>
sagte er mir, es handle sich um Hopfenzupfeu, er sei schon im letzten Sommer dort<lb/>
gewesen und habe diese Arbeit verrichtet. Wir gingen zunächst über Kulmbach nach<lb/>
Bayreuth, wo wir in einem Gasthofe logierten, und wo ich mir in der Gesellschaft<lb/>
mehrerer Touristen das Grab Richard Wagners im Garten der Villa Wnhnfried<lb/>
ansah, zu dem uus ein älterer Gärtner gegen ein Trinkgeld geleitete. Das Grab<lb/>
war sehr einfach und wies als einzigen Schmuck eine schwarze Marmortafel ohne<lb/>
Inschrift auf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_630" next="#ID_631"> Nach diesem Abstecher, zu dem ich meinen Wanderkollegen überredet hatte,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0157] Unter Kunden, Komödianten und wilden Tieren in eine frühere Stellung nach Frankfurt zurückzukehren. Nachdem der Wirt diese Karte gelesen hatte, zahlte er mir das Reisegeld und wünschte mir Glück auf den Weg. Ich begab mich zu dem Kellner zurück, teilte mit ihm den sehr ansehnlichen Erlös meiner Fahrt und wanderte mit ihm und einem Sattler zunächst nach Schlüch- tern. Hier trafen wir mit zwei Tippelschicksen zusammen, die auf den Sattler einen so starken Eindruck machten, daß er bei ihnen blieb und uns allein weiter ziehn ließ. Am andern Tage stießen wir mit dem Kleeblatt wieder zusammen und rich¬ teten es so ein, daß wir zuerst die Dörfer abfochten und den drei andern die Nach¬ lese überließen. Am Ausgange des Dorfes erwarteten wir sie dann und hatten Gelegenheit zu beobachten, daß die Schicksen immer bessere Geschäfte gemacht hatten als wir. Sie brachten außer reichlichem Kies und Lebensmitteln gewöhnlich einen Pack Kinderwäsche mit, den sie aber in das nächste beste Wasser warfen. So ge¬ langten wir nach Gelnhausen, wo die eine der Schicksen der andern die Papiere zottelte und damit auf Nimmerwiedersehen verschwand. Über Hann und Offen¬ bach kamen wir nach Aschaffenburg und stellten uns zum Mittagessen in einem Kloster ein. Dort war ein Vorraum mit zwei oder drei Tischen und einer An¬ zahl Bänken ausgestattet, wo jeden Tag die Armen gespeist wurden. Um zwölf Uhr erschienen zwei Mönche, die einen großen Blechkübel mit Essen trugen und ihn in dem Raume niederstellten, worauf sie ein Gebet sprachen. Dann kamen ein paar andre Mönche mit Tonschüsseln, die als Teller dienen mußten. Wer mit einem Löffel essen wollte, mußte seinen Hut zum Pfande geben, woraus ich schloß, daß die frommen Brüder mit ihren Gästen schon schlimme Erfahrungen gemacht hatten. Das Essen bestand aus einem Gemisch von Erbsen, Linsen, Brodstücken, Kartoffeln und Fleischresten, alles Dinge, die nicht von der besten Qualität waren, und die offenbar als für die Tafel der Mönche ungeeignet aussortiert worden waren. Da wir aber Hunger hatten, langten wir gehörig zu und verließen das Kloster wenigstens mit dem Gefühl, gesättigt zu sein. Auf dem Wege nach Würzburg sprachen wir noch mehreremal in Klöstern vor und erhielten regelmäßig eine Maß „Schöps" (billiges Hausbier) nebst einem Stück Brot. In Würzburg kehrte ich in der Her¬ berge ein und besuchte am andern Tage um die Mittagszeit das Juliusspital, eine großartige, mit einem Krankenhaus verbundne Anlage. Auch hier gab es wieder ein aus verschiednen Kohlsorten und Fleischstücken gemischtes Essen, das in irdnen Schüsseln verabreicht wurde. Allerdings war es nicht ganz leicht, mit dem Essen fertig zu werden, da man uns keine Löffel einhändigte, und wir also gezwungen waren, die ganze Schüssel an den Mund zu setzen und das Gemisch hinunter- zuschlurfen. Auf der Herberge war ein Techniker, der bis vor kurzem wohl bessere Tage gesehen und die Scheu vor dem Umschauen noch nicht überwunden hatte. Er musterte mich von Kopf bis zu Füßen und händigte mir im Vertrauen auf meine neue Kluft seiue Papiere ein, worunter sich die Zeichnung irgendeiner technischen Anlage befand. Mit diesen Papieren besuchte ich die Ingenieure und erregte bei einem davon mit der, wie er vermutete, von mir selbst angefertigten Zeichnung so viel Bewunderung, daß er mir zwei Mark schenkte. Auf der Reise nach Bamberg traf ich mit einem Bäcker aus Böhmen zu¬ sammen, der mir mitteilte, wir könnten in einem Dorfe zwischen Regensburg und Landshut Arbeit bekommen, müßten uns aber dazu halten, wenn wir zur rechten Zeit anlangen wollten. Als ich mich danach erkundigte, welcher Art die Arbeit sei, sagte er mir, es handle sich um Hopfenzupfeu, er sei schon im letzten Sommer dort gewesen und habe diese Arbeit verrichtet. Wir gingen zunächst über Kulmbach nach Bayreuth, wo wir in einem Gasthofe logierten, und wo ich mir in der Gesellschaft mehrerer Touristen das Grab Richard Wagners im Garten der Villa Wnhnfried ansah, zu dem uus ein älterer Gärtner gegen ein Trinkgeld geleitete. Das Grab war sehr einfach und wies als einzigen Schmuck eine schwarze Marmortafel ohne Inschrift auf. Nach diesem Abstecher, zu dem ich meinen Wanderkollegen überredet hatte,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/157
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/157>, abgerufen am 27.09.2024.