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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Line Gesandtschaft Peters des Großen

Geld läßt sich in England nichts ausrichten; bei dem teuern Leben in London
erhalten alle Residenten den doppelten Gehalt im Vergleich mit andern euro¬
päischen Höfen. In England ist ein Parlament und eine zahlreiche vornehme
Gesellschaft. Inkognito in London leben hat keinen Zweck und schädigt die
Staatsinteressen. Umgang und gute Bekanntschaft kosten aber Geld." Erst im
September erhielt Kurakin in Holland 4000 Taler, und bald darauf fuhr er
nach England.

In Hannover hatte er am 27. Juli 1710 die letzte Audienz beim Kurfürsten,
in Herrenhausen, im Lustschloß. Die Unterhaltung wurde Italienisch geführt.
Georg Ludwig dankte Kurakin für seine Dienste und bat ihn, dem Zaren die
Versicherung seiner Freundschaft zu übermitteln. Kurakin erwiderte sehr kurz,
da er eine volle Stunde hatte warten müssen und infolgedessen verstimmt war.
Der Kurfürst teilte ihm dann den Inhalt seines Antwortschreibens auf das
Kreditiv Kurakins mit, das ihm Nachts ins Haus geschickt wurde. Als Er¬
läuterung fügt Kurakin hinzu: Es besteht an allen Höfen Europas die Gewohn¬
heit, das Beglaubigungsschreiben eines Gesandten nicht dem Souverän selbst
bei der Vorstellung zu überreichen, sondern es wird vorher zum Marschall zur
Durchsicht geschickt, und dann wird die Audienz gewährt. Ähnlich ist es bei
der Entlassung eines Gesandten. Die Antwort auf das Beglaubigungsschreiben
wird ihm zunächst zur Durchsicht geschickt, dann wird die Abschiedsaudienz an¬
beraumt, in der der Inhalt mitgeteilt und die Absendung an den Hof bekannt
gegeben wird.

Kurakin hatte während der Audienz die italienisch-französischen Worte des
Kurfürsten: Isters, al rsorsanov saro su roof xour moi g. urg. ins-son nicht
richtig verstanden. Nach der Audienz beim Kurfürsten war Kurakin bei der
Kurfürstin Sophie, die ihn sehr liebenswürdig verabschiedete. Er bemerkt über
sie in einem Briefe, sie habe immer "besondre Achtung und Neigung für die
Interessen des Zaren" bewiesen. Von dem Kurprinzen und der Prinzessin da¬
gegen, von denen er sich dann verabschiedete, schreibt er: "Sie sind jederzeit
gegen unsre Interessen gewesen."

Am nächsten Morgen, am 28. Juli, reiste Kurakin aus Hannover ab. Bei
der Abschiedskonferenz mit den Ministern Bernsdorff, Elze und Göritz sagte
Kurakin, das Bündnis Rußlands mit Hannover solle im gegenwärtigen Nor¬
dischen Kriege dazu dienen, die Neutralität des Reichs zu sichern, die Truppen
Kmssaus nicht aus Pommern nach Polen und Sachsen zu lassen und eben¬
falls nicht aus Bremen; ferner den Gegner nicht mit Geld zu unterstützen.
Der Zar würde sein Wort halten. Die Minister erwiderten hierauf zustimmend
und sprachen die Hoffnung aus, daß der Kurfürst einen Gesandten zum Zaren
schicken würde. Damit endete Kurakins Mission am hannoverschen Hofe.


Adolf Heß


Line Gesandtschaft Peters des Großen

Geld läßt sich in England nichts ausrichten; bei dem teuern Leben in London
erhalten alle Residenten den doppelten Gehalt im Vergleich mit andern euro¬
päischen Höfen. In England ist ein Parlament und eine zahlreiche vornehme
Gesellschaft. Inkognito in London leben hat keinen Zweck und schädigt die
Staatsinteressen. Umgang und gute Bekanntschaft kosten aber Geld." Erst im
September erhielt Kurakin in Holland 4000 Taler, und bald darauf fuhr er
nach England.

In Hannover hatte er am 27. Juli 1710 die letzte Audienz beim Kurfürsten,
in Herrenhausen, im Lustschloß. Die Unterhaltung wurde Italienisch geführt.
Georg Ludwig dankte Kurakin für seine Dienste und bat ihn, dem Zaren die
Versicherung seiner Freundschaft zu übermitteln. Kurakin erwiderte sehr kurz,
da er eine volle Stunde hatte warten müssen und infolgedessen verstimmt war.
Der Kurfürst teilte ihm dann den Inhalt seines Antwortschreibens auf das
Kreditiv Kurakins mit, das ihm Nachts ins Haus geschickt wurde. Als Er¬
läuterung fügt Kurakin hinzu: Es besteht an allen Höfen Europas die Gewohn¬
heit, das Beglaubigungsschreiben eines Gesandten nicht dem Souverän selbst
bei der Vorstellung zu überreichen, sondern es wird vorher zum Marschall zur
Durchsicht geschickt, und dann wird die Audienz gewährt. Ähnlich ist es bei
der Entlassung eines Gesandten. Die Antwort auf das Beglaubigungsschreiben
wird ihm zunächst zur Durchsicht geschickt, dann wird die Abschiedsaudienz an¬
beraumt, in der der Inhalt mitgeteilt und die Absendung an den Hof bekannt
gegeben wird.

Kurakin hatte während der Audienz die italienisch-französischen Worte des
Kurfürsten: Isters, al rsorsanov saro su roof xour moi g. urg. ins-son nicht
richtig verstanden. Nach der Audienz beim Kurfürsten war Kurakin bei der
Kurfürstin Sophie, die ihn sehr liebenswürdig verabschiedete. Er bemerkt über
sie in einem Briefe, sie habe immer „besondre Achtung und Neigung für die
Interessen des Zaren" bewiesen. Von dem Kurprinzen und der Prinzessin da¬
gegen, von denen er sich dann verabschiedete, schreibt er: „Sie sind jederzeit
gegen unsre Interessen gewesen."

Am nächsten Morgen, am 28. Juli, reiste Kurakin aus Hannover ab. Bei
der Abschiedskonferenz mit den Ministern Bernsdorff, Elze und Göritz sagte
Kurakin, das Bündnis Rußlands mit Hannover solle im gegenwärtigen Nor¬
dischen Kriege dazu dienen, die Neutralität des Reichs zu sichern, die Truppen
Kmssaus nicht aus Pommern nach Polen und Sachsen zu lassen und eben¬
falls nicht aus Bremen; ferner den Gegner nicht mit Geld zu unterstützen.
Der Zar würde sein Wort halten. Die Minister erwiderten hierauf zustimmend
und sprachen die Hoffnung aus, daß der Kurfürst einen Gesandten zum Zaren
schicken würde. Damit endete Kurakins Mission am hannoverschen Hofe.


Adolf Heß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/138>, abgerufen am 28.09.2024.