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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Fremdenlegionen

Verschmelzung hauptsächlich durch die Errichtung eines stehenden Heeres ge¬
sichert. Nur im deutschen Reiche konnte man den Weg zur Einheit nicht
finden, weil die führende Macht es dauernd versäumte, die Ansprüche, die sie
nach innen und außen hin machte, mit dem Gewicht einer jeden Augenblick
zu Gebote stehenden Waffenbereitschaft zu unterstützen. Kzlix ^.ustria,
nubs. Heirath- und andre Staatsverträge mochten im Interesse der Habs¬
burgischen Dynastie von Bedeutung sein, aber zur Stärkung und Konsolidierung
des Reiches trugen sie nicht nur nichts bei, sondern hatten eher die entgegen¬
gesetzte Wirkung.

In Deutschland und Italien blieb deshalb das Söldnerwesen nach wie
vor im Schwange, und was noch während des Dreißigjährigen Krieges an
Truppen eigentlich nationalen Charakters innerhalb der deutschen Grenzen
auftrat, waren französische und schwedische Regimenter. Es wurden wohl hier
und da Ansätze zu staatlicher Wehrkraft gemacht, aber sie verschwanden neben
den starken Armeen, die die Werbetrommeln der großen Feldherren unter ihre
Fahnen riefen. Erst gegen das Ende des furchtbaren Krieges stellte der
brandenbnrgisch-preußische Staat unter Führung des Großen Kurfürsten das
nationale Prinzip in der Wehrhaftmachung seines Volkes auf, das Preußen
und Deutschland zu ihrer jetzigen Größe emporgetragen hat. In großen
Wandlungen mit steigender Tendenz hat sich der Grundsatz zu seinem augen¬
blicklichen Stande entwickelt und hat vermutlich noch weitere Evolutionen
vor sich.

Welcher Art diese sein mögen, kann füglich dahingestellt bleiben, aber
was sich gerade bei der Entwicklung des preußischen Staatswesens jedem
denkenden Menschen aufdrängt, das ist die Bemerkung, daß auch die Geschichte
der modernen Völker dasselbe lehrt, was im vorhergehenden von der des Alter¬
tums gesagt worden ist. Gegen die nationale Wehrverfaffung treten alle andern
Staatseinrichtungen, wie vortrefflich sie an und für sich auch sein mögen,
zurück. Die Wehrkraft eines Volkes, die von diesem selbst mit seinen Knochen
und mit seinem Blute geleistet wird, ist der sicherste Wertmesser für seine
Lebenskraft. Läßt eine Nation die notwendigen Geschäfte des Krieges von
gewordnen Truppen oder durch Söldnerscharen besorgen, so steckt sie ent¬
weder noch in den ersten Stadien ihrer Entwicklung, oder sie ist aus seniler
Übermüdung wieder im Niedergange begriffen.

Es ist eine Wahrheit, die uns besonders in der deutschen Geschichte greif¬
bar entgegentritt. Als Friedrich der Große unter dem bewaffneten Protest
von Kaiser und Reich die Geschicke Deutschlands einer bessern Zukunft ent-
gegenftthrte, da bestand der Kern seiner Armeen aus Nationalpreußen, und
nur mit der Disziplin und der Vaterlandsliebe solcher Truppen konnte er die
Hitze des Schmelzofens überstehn, womit die Großmächte Europas seinen
kleinen Staat umfangen hatten. Zwar waren auch die Friderieianischen Heere
durch Streif- oder Freiwilligenkorps flankiert, die als fremde Bestandteile
außerhalb des festen Gefüges seiner sonstigen militärischen Einrichtungen
standen, aber das waren Ausnahmen und bestätigten als solche die Regel.
Denn auch in der Umgebung des großen Königs bringen sie den Beweis, daß


Fremdenlegionen

Verschmelzung hauptsächlich durch die Errichtung eines stehenden Heeres ge¬
sichert. Nur im deutschen Reiche konnte man den Weg zur Einheit nicht
finden, weil die führende Macht es dauernd versäumte, die Ansprüche, die sie
nach innen und außen hin machte, mit dem Gewicht einer jeden Augenblick
zu Gebote stehenden Waffenbereitschaft zu unterstützen. Kzlix ^.ustria,
nubs. Heirath- und andre Staatsverträge mochten im Interesse der Habs¬
burgischen Dynastie von Bedeutung sein, aber zur Stärkung und Konsolidierung
des Reiches trugen sie nicht nur nichts bei, sondern hatten eher die entgegen¬
gesetzte Wirkung.

In Deutschland und Italien blieb deshalb das Söldnerwesen nach wie
vor im Schwange, und was noch während des Dreißigjährigen Krieges an
Truppen eigentlich nationalen Charakters innerhalb der deutschen Grenzen
auftrat, waren französische und schwedische Regimenter. Es wurden wohl hier
und da Ansätze zu staatlicher Wehrkraft gemacht, aber sie verschwanden neben
den starken Armeen, die die Werbetrommeln der großen Feldherren unter ihre
Fahnen riefen. Erst gegen das Ende des furchtbaren Krieges stellte der
brandenbnrgisch-preußische Staat unter Führung des Großen Kurfürsten das
nationale Prinzip in der Wehrhaftmachung seines Volkes auf, das Preußen
und Deutschland zu ihrer jetzigen Größe emporgetragen hat. In großen
Wandlungen mit steigender Tendenz hat sich der Grundsatz zu seinem augen¬
blicklichen Stande entwickelt und hat vermutlich noch weitere Evolutionen
vor sich.

Welcher Art diese sein mögen, kann füglich dahingestellt bleiben, aber
was sich gerade bei der Entwicklung des preußischen Staatswesens jedem
denkenden Menschen aufdrängt, das ist die Bemerkung, daß auch die Geschichte
der modernen Völker dasselbe lehrt, was im vorhergehenden von der des Alter¬
tums gesagt worden ist. Gegen die nationale Wehrverfaffung treten alle andern
Staatseinrichtungen, wie vortrefflich sie an und für sich auch sein mögen,
zurück. Die Wehrkraft eines Volkes, die von diesem selbst mit seinen Knochen
und mit seinem Blute geleistet wird, ist der sicherste Wertmesser für seine
Lebenskraft. Läßt eine Nation die notwendigen Geschäfte des Krieges von
gewordnen Truppen oder durch Söldnerscharen besorgen, so steckt sie ent¬
weder noch in den ersten Stadien ihrer Entwicklung, oder sie ist aus seniler
Übermüdung wieder im Niedergange begriffen.

Es ist eine Wahrheit, die uns besonders in der deutschen Geschichte greif¬
bar entgegentritt. Als Friedrich der Große unter dem bewaffneten Protest
von Kaiser und Reich die Geschicke Deutschlands einer bessern Zukunft ent-
gegenftthrte, da bestand der Kern seiner Armeen aus Nationalpreußen, und
nur mit der Disziplin und der Vaterlandsliebe solcher Truppen konnte er die
Hitze des Schmelzofens überstehn, womit die Großmächte Europas seinen
kleinen Staat umfangen hatten. Zwar waren auch die Friderieianischen Heere
durch Streif- oder Freiwilligenkorps flankiert, die als fremde Bestandteile
außerhalb des festen Gefüges seiner sonstigen militärischen Einrichtungen
standen, aber das waren Ausnahmen und bestätigten als solche die Regel.
Denn auch in der Umgebung des großen Königs bringen sie den Beweis, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/126>, abgerufen am 27.09.2024.