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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

hatte sie Vertrauen. Schwechting hatte sie ja alte Margell genannt und auf die
Wangen geklopft und hatte ihr ein Zuckerherz geschenkt. Sie erzählte eine Ge¬
schichte, die nichts Romantisches an sich hatte, und die wohl ähnlich oft genug vor¬
gekommen sein mochte, eine von den alten Geschichten, die immer wieder neu werden.
Sie war die Tochter eines Bauern in Kalgillen. Das Gut hatte zu wenig Ertrag,
als daß es alle Kinder hätte ernähren können, besonders weil der Vater krank, und
der älteste Sohn träge war. Darum mußten sich die Töchter bei andern Herren
als Mägde vermieten. Die Arte kam zu einem Bauer" in Possukai und lerute dort
ihren Ansas kennen und lieben. Er war armer Leute Kind und hatte nichts als
sein schmuckes Gesicht, sein braves Herz und seine derben Fäuste. Er hätte seine
Arte wohl ernähren können. Aber der Vater widersetzte sich der Verheiratung.
Sein Bauernstolz wollte es nicht dulden, daß seine Tochter einen Bettler heirate.
Und doch hatte er selbst seine Tochter nicht ernähren können und hatte sie zu
fremden Leuten gestoßen, und doch war der Knecht ein tüchtiger Mensch, der seine
Hände rührte und nicht trank. Um dem Verhältnis ein Ende zu bereiten, nahm
sie ihr Vater in sein Haus zurück, wo sie härter arbeiten mußte als eine Magd,
ohne jedoch den Lohn einer Magd zu bekommen. Da ist sie bei Nacht und Nebel
aus ihrem Vaterhaus entflohn und zu ihrem Ansas zurückgekehrt. Aber kein Pastor
wollte sie trauen, und es währte nicht lange, so hatten sie ihren Ansas aus seiner
Stellung weggebissen. Er nahm Heuer auf einem Memeler Schiff und wollte,
wenn er genug Geld verdient hätte, zurückkehren und sich selbständig machen.
Draußen am Strande hatten sie zuletzt gestanden, früh vor Sonnenaufgang, und
Ansas hatte gesagt: Warte auf mich. Und dann hatte er ihre beiden Hände in
seine Hände genommen und sie zusammengepreßt und gesagt: So binde ich dich.
Jetzt bist du mein bis zum jüngsten Tage. Und dann war er langsam und mit
gesenktem Kopfe davongegangen. Von da an hatte sie gewartet. Sie war nicht
nach Hause zurückgekehrt, fondern Kondrots Vater gefolgt, der sie gefunden hatte,
wie sie am Wege saß und wartete, und hatte ihm treu gedient und hatte nichts
weiter verlangt als warten zu dürfen. Und später, als des jüngern Kondrots
Frau gestorben war, war sie in dessen Hans gezogen und hatte weiter gewartet.
Es war die alte Geschichte von zwei Menschen, die sich nicht kriegen durften, die
sich aber die Treue hielten, der Zeit und den Menschen zum Trotz. Und die Arte
Beit erzählte sie ohne Erregung wie etwas ihr Fremdes, ohne Schmuck, hart wie
mit dem Beile zugehauen.

Schwechting hörte der Geschichte mit innerer Teilnahme zu. Und während
er ihr nachdachte, gestalteten sich ihm Personen und Orte zu lebendigen Bildern.
Er sah den Ansas und die Arte vor Tage am Strande und empfand den tiefen
Eindruck, deu ihre kargen Worte auf seine Seele machten. Wie wenig gehört dazu,
sagte er zu sich, Eindruck zu machen, wenn das Wenige wahr und echt ist! Dann
kehrte sein Blick zu der Arte zurück. Hottsdonnerwetter, sagte er, das ist ja ein
großartiges Motiv, ein Bild zuni hinschreiben. Sogleich nahm er sein Skizzenbuch
heraus und zeichnete das Bild nieder. Den alten Hausgiebel und den Weiterbauen
und die Arte mit dem Netz und das Drum und Dran, das den Vordergrund füllen
und das Bild runden sollte, und dahinter die See. Wenn man nun etwas gelernt
hätte, sagte er zu sich selbst, so müßte man das in Öl malen.

Noch während Arte erzählte und Schwechting zuhörte, erklang aus dem Hause
hinter ihnen Gestöhn und Gewimmer, und jetzt, als der Maler sein Skizzenbuch
zuschlug, hörte man zweistimmig und in jammervollen Tönen den Choral: "Wenn
wir in höchsten Nöten sein und wissen weder aus noch ein." Schwechting sah auf
und rief: Hoppe bewahre! was ist denn da los?

Das sind die alten Schwiegereltern, sagte die Arte, die denken, sie müssen
verhungern, weil sie ihr Gedinge zum Ersten nicht gekriegt haben.

Na erlaub mal, Arte, es ist aber auch schlimm genug für alte Leute, hungern,
zu müssen.


Herrenmenschen

hatte sie Vertrauen. Schwechting hatte sie ja alte Margell genannt und auf die
Wangen geklopft und hatte ihr ein Zuckerherz geschenkt. Sie erzählte eine Ge¬
schichte, die nichts Romantisches an sich hatte, und die wohl ähnlich oft genug vor¬
gekommen sein mochte, eine von den alten Geschichten, die immer wieder neu werden.
Sie war die Tochter eines Bauern in Kalgillen. Das Gut hatte zu wenig Ertrag,
als daß es alle Kinder hätte ernähren können, besonders weil der Vater krank, und
der älteste Sohn träge war. Darum mußten sich die Töchter bei andern Herren
als Mägde vermieten. Die Arte kam zu einem Bauer» in Possukai und lerute dort
ihren Ansas kennen und lieben. Er war armer Leute Kind und hatte nichts als
sein schmuckes Gesicht, sein braves Herz und seine derben Fäuste. Er hätte seine
Arte wohl ernähren können. Aber der Vater widersetzte sich der Verheiratung.
Sein Bauernstolz wollte es nicht dulden, daß seine Tochter einen Bettler heirate.
Und doch hatte er selbst seine Tochter nicht ernähren können und hatte sie zu
fremden Leuten gestoßen, und doch war der Knecht ein tüchtiger Mensch, der seine
Hände rührte und nicht trank. Um dem Verhältnis ein Ende zu bereiten, nahm
sie ihr Vater in sein Haus zurück, wo sie härter arbeiten mußte als eine Magd,
ohne jedoch den Lohn einer Magd zu bekommen. Da ist sie bei Nacht und Nebel
aus ihrem Vaterhaus entflohn und zu ihrem Ansas zurückgekehrt. Aber kein Pastor
wollte sie trauen, und es währte nicht lange, so hatten sie ihren Ansas aus seiner
Stellung weggebissen. Er nahm Heuer auf einem Memeler Schiff und wollte,
wenn er genug Geld verdient hätte, zurückkehren und sich selbständig machen.
Draußen am Strande hatten sie zuletzt gestanden, früh vor Sonnenaufgang, und
Ansas hatte gesagt: Warte auf mich. Und dann hatte er ihre beiden Hände in
seine Hände genommen und sie zusammengepreßt und gesagt: So binde ich dich.
Jetzt bist du mein bis zum jüngsten Tage. Und dann war er langsam und mit
gesenktem Kopfe davongegangen. Von da an hatte sie gewartet. Sie war nicht
nach Hause zurückgekehrt, fondern Kondrots Vater gefolgt, der sie gefunden hatte,
wie sie am Wege saß und wartete, und hatte ihm treu gedient und hatte nichts
weiter verlangt als warten zu dürfen. Und später, als des jüngern Kondrots
Frau gestorben war, war sie in dessen Hans gezogen und hatte weiter gewartet.
Es war die alte Geschichte von zwei Menschen, die sich nicht kriegen durften, die
sich aber die Treue hielten, der Zeit und den Menschen zum Trotz. Und die Arte
Beit erzählte sie ohne Erregung wie etwas ihr Fremdes, ohne Schmuck, hart wie
mit dem Beile zugehauen.

Schwechting hörte der Geschichte mit innerer Teilnahme zu. Und während
er ihr nachdachte, gestalteten sich ihm Personen und Orte zu lebendigen Bildern.
Er sah den Ansas und die Arte vor Tage am Strande und empfand den tiefen
Eindruck, deu ihre kargen Worte auf seine Seele machten. Wie wenig gehört dazu,
sagte er zu sich, Eindruck zu machen, wenn das Wenige wahr und echt ist! Dann
kehrte sein Blick zu der Arte zurück. Hottsdonnerwetter, sagte er, das ist ja ein
großartiges Motiv, ein Bild zuni hinschreiben. Sogleich nahm er sein Skizzenbuch
heraus und zeichnete das Bild nieder. Den alten Hausgiebel und den Weiterbauen
und die Arte mit dem Netz und das Drum und Dran, das den Vordergrund füllen
und das Bild runden sollte, und dahinter die See. Wenn man nun etwas gelernt
hätte, sagte er zu sich selbst, so müßte man das in Öl malen.

Noch während Arte erzählte und Schwechting zuhörte, erklang aus dem Hause
hinter ihnen Gestöhn und Gewimmer, und jetzt, als der Maler sein Skizzenbuch
zuschlug, hörte man zweistimmig und in jammervollen Tönen den Choral: „Wenn
wir in höchsten Nöten sein und wissen weder aus noch ein." Schwechting sah auf
und rief: Hoppe bewahre! was ist denn da los?

Das sind die alten Schwiegereltern, sagte die Arte, die denken, sie müssen
verhungern, weil sie ihr Gedinge zum Ersten nicht gekriegt haben.

Na erlaub mal, Arte, es ist aber auch schlimm genug für alte Leute, hungern,
zu müssen.


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[0111] Herrenmenschen hatte sie Vertrauen. Schwechting hatte sie ja alte Margell genannt und auf die Wangen geklopft und hatte ihr ein Zuckerherz geschenkt. Sie erzählte eine Ge¬ schichte, die nichts Romantisches an sich hatte, und die wohl ähnlich oft genug vor¬ gekommen sein mochte, eine von den alten Geschichten, die immer wieder neu werden. Sie war die Tochter eines Bauern in Kalgillen. Das Gut hatte zu wenig Ertrag, als daß es alle Kinder hätte ernähren können, besonders weil der Vater krank, und der älteste Sohn träge war. Darum mußten sich die Töchter bei andern Herren als Mägde vermieten. Die Arte kam zu einem Bauer» in Possukai und lerute dort ihren Ansas kennen und lieben. Er war armer Leute Kind und hatte nichts als sein schmuckes Gesicht, sein braves Herz und seine derben Fäuste. Er hätte seine Arte wohl ernähren können. Aber der Vater widersetzte sich der Verheiratung. Sein Bauernstolz wollte es nicht dulden, daß seine Tochter einen Bettler heirate. Und doch hatte er selbst seine Tochter nicht ernähren können und hatte sie zu fremden Leuten gestoßen, und doch war der Knecht ein tüchtiger Mensch, der seine Hände rührte und nicht trank. Um dem Verhältnis ein Ende zu bereiten, nahm sie ihr Vater in sein Haus zurück, wo sie härter arbeiten mußte als eine Magd, ohne jedoch den Lohn einer Magd zu bekommen. Da ist sie bei Nacht und Nebel aus ihrem Vaterhaus entflohn und zu ihrem Ansas zurückgekehrt. Aber kein Pastor wollte sie trauen, und es währte nicht lange, so hatten sie ihren Ansas aus seiner Stellung weggebissen. Er nahm Heuer auf einem Memeler Schiff und wollte, wenn er genug Geld verdient hätte, zurückkehren und sich selbständig machen. Draußen am Strande hatten sie zuletzt gestanden, früh vor Sonnenaufgang, und Ansas hatte gesagt: Warte auf mich. Und dann hatte er ihre beiden Hände in seine Hände genommen und sie zusammengepreßt und gesagt: So binde ich dich. Jetzt bist du mein bis zum jüngsten Tage. Und dann war er langsam und mit gesenktem Kopfe davongegangen. Von da an hatte sie gewartet. Sie war nicht nach Hause zurückgekehrt, fondern Kondrots Vater gefolgt, der sie gefunden hatte, wie sie am Wege saß und wartete, und hatte ihm treu gedient und hatte nichts weiter verlangt als warten zu dürfen. Und später, als des jüngern Kondrots Frau gestorben war, war sie in dessen Hans gezogen und hatte weiter gewartet. Es war die alte Geschichte von zwei Menschen, die sich nicht kriegen durften, die sich aber die Treue hielten, der Zeit und den Menschen zum Trotz. Und die Arte Beit erzählte sie ohne Erregung wie etwas ihr Fremdes, ohne Schmuck, hart wie mit dem Beile zugehauen. Schwechting hörte der Geschichte mit innerer Teilnahme zu. Und während er ihr nachdachte, gestalteten sich ihm Personen und Orte zu lebendigen Bildern. Er sah den Ansas und die Arte vor Tage am Strande und empfand den tiefen Eindruck, deu ihre kargen Worte auf seine Seele machten. Wie wenig gehört dazu, sagte er zu sich, Eindruck zu machen, wenn das Wenige wahr und echt ist! Dann kehrte sein Blick zu der Arte zurück. Hottsdonnerwetter, sagte er, das ist ja ein großartiges Motiv, ein Bild zuni hinschreiben. Sogleich nahm er sein Skizzenbuch heraus und zeichnete das Bild nieder. Den alten Hausgiebel und den Weiterbauen und die Arte mit dem Netz und das Drum und Dran, das den Vordergrund füllen und das Bild runden sollte, und dahinter die See. Wenn man nun etwas gelernt hätte, sagte er zu sich selbst, so müßte man das in Öl malen. Noch während Arte erzählte und Schwechting zuhörte, erklang aus dem Hause hinter ihnen Gestöhn und Gewimmer, und jetzt, als der Maler sein Skizzenbuch zuschlug, hörte man zweistimmig und in jammervollen Tönen den Choral: „Wenn wir in höchsten Nöten sein und wissen weder aus noch ein." Schwechting sah auf und rief: Hoppe bewahre! was ist denn da los? Das sind die alten Schwiegereltern, sagte die Arte, die denken, sie müssen verhungern, weil sie ihr Gedinge zum Ersten nicht gekriegt haben. Na erlaub mal, Arte, es ist aber auch schlimm genug für alte Leute, hungern, zu müssen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/111>, abgerufen am 27.09.2024.