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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.

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Herrenmenschen

Tiefe etwas nicht in Ordnung. Es gab etwas Fremdes zwischen beiden, eine un¬
sichtbare und doch spürbare Scheidewand. Die seelische Fühlung, von der der
Doktor gesprochen hatte, hatte sich noch nicht finden wollen. Man war äußerlich
einig, aber darunter lag jederzeit die Gefahr des Zwistes. Prinzeßchen war, wenn
sie gute Lanne hatte, von großer Liebenswürdigkeit, und sie hätschelte ihren Doktor
nach Noten, aber wenn es ihr nicht danach zumute war, war sie Prinzessin und
als solche unnahbar und herbe. Wir müssen versuchen, Eva recht zu verstehn. Sie
war nicht bloß ein schönes Mädchen, sie hatte auch eine schöne Seele. Aber diese
Seele war verborgen und von niemand gekannt, nicht einmal von Eva selbst. Sie
offenbarte sich bisweilen so, wie wenn unter dem Gipfel eines hohen Berges die
wallenden Wolken auseinandergehn und einen Blick in die blaue, goldne und grüne
Tiefe eröffnen. Eva war auch ein kluges Mädchen. Sie hatte ein feines Gefühl,
aber sie war unfrei. Es gab eine gewisse Grenze, über die sie nicht hinauskam,
und die sie sich selbst zu berühren scheute. Man konnte bei ihr an König Reuss
Tochter denken, die klug und poetisch zu sprechen wußte, in deren Rede aber nichts
vorkam, was eine Farbe bezeichnete, denn sie war blind. War das nun bei Eva
ein Fehler der natürlichen Anlage oder ein Mangel in der Entwicklung? Man
kann erleben, daß eine Rose, die alle Kraft daran setzt, aufzublühn, es doch nicht
vermag, die grünen Knospenblätter der Schattenseite zu sprengen, bis ein warmer
Sonnenstrahl um die schattige Seite herumleuchtet und das Werk vollendet. Und dieser
warme Sonnenstrahl fehlte bei Eva, hatte ihr schon ihr ganzes Leben lang gefehlt.

Und der Doktor konnte seine Neigung zu dozieren und zu erziehen nicht
meistern, was zur Folge hatte, daß seine Eva bei erster Gelegenheit mutwillig aus
der Bahn brach.

Eva und der Doktor ritten über eine Waldblöße, auf der in Gruppen junges
Holz stand. Der Doktor hing seinen Gedanken nach und hielt eine längere Rede,
und Eva hörte mit halbem Ohr zu und ließ ihre Reitgerte fallen. Der Doktor
beeilte sich, abzusteigen, die Reitgerte aufzuheben und sie ihrer Besitzerin zuzu¬
stellen. Das gefiel Eva, sie lächelte süß und nickte ihrem Heinz zu. Sie kam
sich mehr als je als Prinzessin vor und war stolz darauf, von einem so schmucken
Kavalier bedient zu werden. Heinz stieg wieder auf und setzte seine Erörterung
fort. Nach einiger Zeit lag die Peitsche wieder am Boden. Sie hatte sie nicht
mit Absicht fallen lassen, Gott bewahre! sie wußte nicht, wie es zugegangen war, daß
sie ihren Händen wieder entglitten war. Der Doktor stieg abermals ab und reichte
die Reitgerte zurück, und Eva nahm sie gnädig in Empfang.

Eva, sagte der Doktor, ich würde mich nun aber vorsehen, daß ich meinem
Kavalier nicht unnötige Mühe mache.

Ach Heinz, erwiderte Eva sorglos, du als Kavalier bist ja dazu da, deiner
Dame zu dienen.

Nicht jeder Dame, sagte Ramborn. Es kommt auf die Dame an.

Wieso?

Eine Dame, die sich bedienen läßt, erkennt damit ihre Schwäche an. Man
erweist dem schwachen Geschlechte Ritterdienste, nicht dem starken.

Ich gehöre nicht zu dem schwachen Geschlechte, ich will Herrin sein, wie du
minds gelehrt hast.

Tue das. Dann darfst du aber auch keine Dienste von jemand in Anspruch
nehmen, der deinesgleichen ist, sondern mußt dir selbst helfen. Wer auf Höhen
wohnen will, muß Höhenluft vertragen können. Die bevorzugte Stellung der Frau
hört auf, sobald sie sich dem Manne gleichstellt.

Eva lachte und ließ, jetzt mit klärlicher Absicht, ihr Taschentuch zu Boden
fallen. Namborn stieg ohne zu zögern abermals ab und sagte: Du hast wieder
einen Dienst beansprucht. Nun erkenne an, daß du zum schwachen Geschlechte ge¬
rechnet sein willst. Reiche deine Hand zum Kusse und sage: Danke schön.

Ich erkenne gar nichts an, erwiderte Eva sorglos.


Herrenmenschen

Tiefe etwas nicht in Ordnung. Es gab etwas Fremdes zwischen beiden, eine un¬
sichtbare und doch spürbare Scheidewand. Die seelische Fühlung, von der der
Doktor gesprochen hatte, hatte sich noch nicht finden wollen. Man war äußerlich
einig, aber darunter lag jederzeit die Gefahr des Zwistes. Prinzeßchen war, wenn
sie gute Lanne hatte, von großer Liebenswürdigkeit, und sie hätschelte ihren Doktor
nach Noten, aber wenn es ihr nicht danach zumute war, war sie Prinzessin und
als solche unnahbar und herbe. Wir müssen versuchen, Eva recht zu verstehn. Sie
war nicht bloß ein schönes Mädchen, sie hatte auch eine schöne Seele. Aber diese
Seele war verborgen und von niemand gekannt, nicht einmal von Eva selbst. Sie
offenbarte sich bisweilen so, wie wenn unter dem Gipfel eines hohen Berges die
wallenden Wolken auseinandergehn und einen Blick in die blaue, goldne und grüne
Tiefe eröffnen. Eva war auch ein kluges Mädchen. Sie hatte ein feines Gefühl,
aber sie war unfrei. Es gab eine gewisse Grenze, über die sie nicht hinauskam,
und die sie sich selbst zu berühren scheute. Man konnte bei ihr an König Reuss
Tochter denken, die klug und poetisch zu sprechen wußte, in deren Rede aber nichts
vorkam, was eine Farbe bezeichnete, denn sie war blind. War das nun bei Eva
ein Fehler der natürlichen Anlage oder ein Mangel in der Entwicklung? Man
kann erleben, daß eine Rose, die alle Kraft daran setzt, aufzublühn, es doch nicht
vermag, die grünen Knospenblätter der Schattenseite zu sprengen, bis ein warmer
Sonnenstrahl um die schattige Seite herumleuchtet und das Werk vollendet. Und dieser
warme Sonnenstrahl fehlte bei Eva, hatte ihr schon ihr ganzes Leben lang gefehlt.

Und der Doktor konnte seine Neigung zu dozieren und zu erziehen nicht
meistern, was zur Folge hatte, daß seine Eva bei erster Gelegenheit mutwillig aus
der Bahn brach.

Eva und der Doktor ritten über eine Waldblöße, auf der in Gruppen junges
Holz stand. Der Doktor hing seinen Gedanken nach und hielt eine längere Rede,
und Eva hörte mit halbem Ohr zu und ließ ihre Reitgerte fallen. Der Doktor
beeilte sich, abzusteigen, die Reitgerte aufzuheben und sie ihrer Besitzerin zuzu¬
stellen. Das gefiel Eva, sie lächelte süß und nickte ihrem Heinz zu. Sie kam
sich mehr als je als Prinzessin vor und war stolz darauf, von einem so schmucken
Kavalier bedient zu werden. Heinz stieg wieder auf und setzte seine Erörterung
fort. Nach einiger Zeit lag die Peitsche wieder am Boden. Sie hatte sie nicht
mit Absicht fallen lassen, Gott bewahre! sie wußte nicht, wie es zugegangen war, daß
sie ihren Händen wieder entglitten war. Der Doktor stieg abermals ab und reichte
die Reitgerte zurück, und Eva nahm sie gnädig in Empfang.

Eva, sagte der Doktor, ich würde mich nun aber vorsehen, daß ich meinem
Kavalier nicht unnötige Mühe mache.

Ach Heinz, erwiderte Eva sorglos, du als Kavalier bist ja dazu da, deiner
Dame zu dienen.

Nicht jeder Dame, sagte Ramborn. Es kommt auf die Dame an.

Wieso?

Eine Dame, die sich bedienen läßt, erkennt damit ihre Schwäche an. Man
erweist dem schwachen Geschlechte Ritterdienste, nicht dem starken.

Ich gehöre nicht zu dem schwachen Geschlechte, ich will Herrin sein, wie du
minds gelehrt hast.

Tue das. Dann darfst du aber auch keine Dienste von jemand in Anspruch
nehmen, der deinesgleichen ist, sondern mußt dir selbst helfen. Wer auf Höhen
wohnen will, muß Höhenluft vertragen können. Die bevorzugte Stellung der Frau
hört auf, sobald sie sich dem Manne gleichstellt.

Eva lachte und ließ, jetzt mit klärlicher Absicht, ihr Taschentuch zu Boden
fallen. Namborn stieg ohne zu zögern abermals ab und sagte: Du hast wieder
einen Dienst beansprucht. Nun erkenne an, daß du zum schwachen Geschlechte ge¬
rechnet sein willst. Reiche deine Hand zum Kusse und sage: Danke schön.

Ich erkenne gar nichts an, erwiderte Eva sorglos.


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[0107] Herrenmenschen Tiefe etwas nicht in Ordnung. Es gab etwas Fremdes zwischen beiden, eine un¬ sichtbare und doch spürbare Scheidewand. Die seelische Fühlung, von der der Doktor gesprochen hatte, hatte sich noch nicht finden wollen. Man war äußerlich einig, aber darunter lag jederzeit die Gefahr des Zwistes. Prinzeßchen war, wenn sie gute Lanne hatte, von großer Liebenswürdigkeit, und sie hätschelte ihren Doktor nach Noten, aber wenn es ihr nicht danach zumute war, war sie Prinzessin und als solche unnahbar und herbe. Wir müssen versuchen, Eva recht zu verstehn. Sie war nicht bloß ein schönes Mädchen, sie hatte auch eine schöne Seele. Aber diese Seele war verborgen und von niemand gekannt, nicht einmal von Eva selbst. Sie offenbarte sich bisweilen so, wie wenn unter dem Gipfel eines hohen Berges die wallenden Wolken auseinandergehn und einen Blick in die blaue, goldne und grüne Tiefe eröffnen. Eva war auch ein kluges Mädchen. Sie hatte ein feines Gefühl, aber sie war unfrei. Es gab eine gewisse Grenze, über die sie nicht hinauskam, und die sie sich selbst zu berühren scheute. Man konnte bei ihr an König Reuss Tochter denken, die klug und poetisch zu sprechen wußte, in deren Rede aber nichts vorkam, was eine Farbe bezeichnete, denn sie war blind. War das nun bei Eva ein Fehler der natürlichen Anlage oder ein Mangel in der Entwicklung? Man kann erleben, daß eine Rose, die alle Kraft daran setzt, aufzublühn, es doch nicht vermag, die grünen Knospenblätter der Schattenseite zu sprengen, bis ein warmer Sonnenstrahl um die schattige Seite herumleuchtet und das Werk vollendet. Und dieser warme Sonnenstrahl fehlte bei Eva, hatte ihr schon ihr ganzes Leben lang gefehlt. Und der Doktor konnte seine Neigung zu dozieren und zu erziehen nicht meistern, was zur Folge hatte, daß seine Eva bei erster Gelegenheit mutwillig aus der Bahn brach. Eva und der Doktor ritten über eine Waldblöße, auf der in Gruppen junges Holz stand. Der Doktor hing seinen Gedanken nach und hielt eine längere Rede, und Eva hörte mit halbem Ohr zu und ließ ihre Reitgerte fallen. Der Doktor beeilte sich, abzusteigen, die Reitgerte aufzuheben und sie ihrer Besitzerin zuzu¬ stellen. Das gefiel Eva, sie lächelte süß und nickte ihrem Heinz zu. Sie kam sich mehr als je als Prinzessin vor und war stolz darauf, von einem so schmucken Kavalier bedient zu werden. Heinz stieg wieder auf und setzte seine Erörterung fort. Nach einiger Zeit lag die Peitsche wieder am Boden. Sie hatte sie nicht mit Absicht fallen lassen, Gott bewahre! sie wußte nicht, wie es zugegangen war, daß sie ihren Händen wieder entglitten war. Der Doktor stieg abermals ab und reichte die Reitgerte zurück, und Eva nahm sie gnädig in Empfang. Eva, sagte der Doktor, ich würde mich nun aber vorsehen, daß ich meinem Kavalier nicht unnötige Mühe mache. Ach Heinz, erwiderte Eva sorglos, du als Kavalier bist ja dazu da, deiner Dame zu dienen. Nicht jeder Dame, sagte Ramborn. Es kommt auf die Dame an. Wieso? Eine Dame, die sich bedienen läßt, erkennt damit ihre Schwäche an. Man erweist dem schwachen Geschlechte Ritterdienste, nicht dem starken. Ich gehöre nicht zu dem schwachen Geschlechte, ich will Herrin sein, wie du minds gelehrt hast. Tue das. Dann darfst du aber auch keine Dienste von jemand in Anspruch nehmen, der deinesgleichen ist, sondern mußt dir selbst helfen. Wer auf Höhen wohnen will, muß Höhenluft vertragen können. Die bevorzugte Stellung der Frau hört auf, sobald sie sich dem Manne gleichstellt. Eva lachte und ließ, jetzt mit klärlicher Absicht, ihr Taschentuch zu Boden fallen. Namborn stieg ohne zu zögern abermals ab und sagte: Du hast wieder einen Dienst beansprucht. Nun erkenne an, daß du zum schwachen Geschlechte ge¬ rechnet sein willst. Reiche deine Hand zum Kusse und sage: Danke schön. Ich erkenne gar nichts an, erwiderte Eva sorglos.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_297518/107>, abgerufen am 27.09.2024.