Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Großmächte aufnehmen können. Der Beschleunigung dieses Baues stehn aber leider Nun kann man ja sagen, daß es richtig wäre, Linienschiffe bei ihrer fünfund- Weiter sagt er: "Die Stellung des Reichskanzlers zur Flottenfrage ist auf- Maßgebliches und Unmaßgebliches Großmächte aufnehmen können. Der Beschleunigung dieses Baues stehn aber leider Nun kann man ja sagen, daß es richtig wäre, Linienschiffe bei ihrer fünfund- Weiter sagt er: „Die Stellung des Reichskanzlers zur Flottenfrage ist auf- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0746" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297125"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_3498" prev="#ID_3497"> Großmächte aufnehmen können. Der Beschleunigung dieses Baues stehn aber leider<lb/> die Finanzen im Wege, auch bedürfen unsre Dock- und Hafenbauten zuvor noch mancher<lb/> Vervollkommnung. Der Preis eines solchen modernen großen Linienschiffes erreicht<lb/> die Höhe von 30 Millionen Mark, also würden vierzehn Schiffe (13 und 1) gleich<lb/> 420 Millionen Mark kosten. Der Preis großer Panzerkreuzer bleibt wenig dahinter<lb/> zurück, sodaß die für deu Herbst schou von der Regierung angekündigten sechs großen<lb/> Panzerkreuzer auch noch 180 Millionen Mark fordern, es müßten also 600 Millionen<lb/> Mark zur Verfügung gestellt werden, um diese Schiffszahl bis zum Jahre 1912<lb/> fertig zu Wasser zu bringen, wenn jährlich ihrer vier auf den Stapel gelegt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_3499"> Nun kann man ja sagen, daß es richtig wäre, Linienschiffe bei ihrer fünfund-<lb/> zwanzigjährigen Lebensdauer mit Hilfe von Anleihen zu bauen, die innerhalb fünf¬<lb/> undzwanzig Jahren amortisiert werden müssen; es wäre vielleicht sogar rationell, die<lb/> von Jahr zu Jahr in das öffentliche Leben hineinwachsende Generation an diesen<lb/> Lasten voll teilnehmen zu lassen. Aber das alles ist so eng mit der Gesamtlage der<lb/> Reichsfinanzen verknüpft, daß sich solche Fragen nur im Zusammenhange mit der<lb/> Neichsfinanzreform regeln lassen. In der Sache selbst werden bei allen, die Ver¬<lb/> ständnis für die Flotte haben, kaum zweierlei Meinungen vorhanden sein. Insofern<lb/> könnte man dem Inhalt einer Schrift des Grafen E. Reventlow, Kapitänleutnants a.D.,<lb/> im wesentlichen zustimmen, die den Titel führt: „Deutschland in der Welt voran?"<lb/> und marinetechnisch tatsächlich nichts Neues beibringt, sondern eben nur Forderungen<lb/> aufstellt und versieht, die eigentlich in jedermanns Munde sind, der von diesen Dingen<lb/> etwas versteht. Um so bedauerlicher ist das angefügte „Schlußwort," das im gewöhn¬<lb/> lichsten Bierbnnkräsonnierton die deutsche Politik angreift. Was soll es zum Beispiel<lb/> heißen, wenn der genannte Autor schreibt: „. . . Aber immerhin wird uus die Flotte<lb/> vor dem Schlimmsten bewahren, wie uns die Armee im Laufe der letzten Jahre trotz<lb/> unsrer Politik (!) vor schlimmeren bewahrt hat." Man darf fragen: bei welcher Ge¬<lb/> legenheit? Wer solche Behauptungen öffentlich aufstellt, muß doch wenigstens den<lb/> Schein eines Beweises versuchen, sonst bleibt es Gewäsch. Dieser Versuch ist aber<lb/> in keiner Weise gemacht worden. Derselbe Autor, der einen bedeutenden Aufwand für<lb/> die Flotte wünscht, ist darüber beunruhigt, daß „die Flotteuleistungen des Zentrums<lb/> wieder erkauft (!) werden sollen." Seine Naivität in politischen Dingen, wenn dieser<lb/> Ausdruck noch zutrifft, geht so weit, daß er die Kampfparole: Gegen deu Ultra-<lb/> montanismus! ausgegeben sehen möchte. „Ich fürchte, daß dieses Ziel, für das wir<lb/> einen Konflikt mit Freuden in Kauf nehmen würden, sich in utopischer Ferne befinde.<lb/> Das Verhältnis des Kaisers zum Katholizismus läßt es schon als unmöglich er¬<lb/> scheinen." Er wirft also Ultramontanismus und Katholizismus in einen Topf — und<lb/> mit solche» Leuten soll in einem Reiche Politik gemacht werden, dessen Bevölkerung<lb/> zu mehr als einem Drittel aus politisch fest organisierten Katholiken besteht!</p><lb/> <p xml:id="ID_3500"> Weiter sagt er: „Die Stellung des Reichskanzlers zur Flottenfrage ist auf-<lb/> fnllendcrweise bis jetzt wenig klar! Wer hat denn die beiden ersten Flottengesetze<lb/> durchdringen helfen? Ohne die nachhaltige Unterstützung des damaligen Staats¬<lb/> sekretärs Grafen Bülow würde das dem verdienten Staatssekretär der Marine kaum<lb/> gelungen sein. Geradezu unsinnig und widerlich berühren aber Behauptungen wie die,<lb/> daß wir uns „dank der Haltung unsers Auswärtigen Amts bezüglich einer künftigen<lb/> Flottenvermehrnng England gegenüber in der Lage eines Untergebnen oder Dienstboten<lb/> befinden." Sogar ein mißvergnügter Deutscher sollte zu stolz sein, solches Zeug drucken<lb/> zu lassen. Vermag Graf Reventlow das zum Schiffbau nötige Geld durch den Reichs¬<lb/> tag aufbringen zu lassen, wozu der Kampf „gegen den Ultramontanismus" zurzeit<lb/> freilich kaum der geeignete Weg sein dürfte, es sei denn, daß Graf Reventlow zu¬<lb/> gleich auch die Beseitigung des allgemeinen Stimmrechts — zwei Herkulesarbeiten<lb/> ans einmal — unternähme, der Reichskanzler würde sich schwerlich auch nur eine<lb/> Stunde besinnen, die 600 Millionen dem Staatssekretär der Marine zu überweisen,<lb/> und dieser kein Bedenken tragen, sie zu verwenden. Würde Graf Reventlow erst<lb/> das Geld beschafft und dann seine Schrift verfaßt haben, er hätte sich damit mehr<lb/><note type="byline"> *Z*</note> Dank und mehr Ehre verdient</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0746]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Großmächte aufnehmen können. Der Beschleunigung dieses Baues stehn aber leider
die Finanzen im Wege, auch bedürfen unsre Dock- und Hafenbauten zuvor noch mancher
Vervollkommnung. Der Preis eines solchen modernen großen Linienschiffes erreicht
die Höhe von 30 Millionen Mark, also würden vierzehn Schiffe (13 und 1) gleich
420 Millionen Mark kosten. Der Preis großer Panzerkreuzer bleibt wenig dahinter
zurück, sodaß die für deu Herbst schou von der Regierung angekündigten sechs großen
Panzerkreuzer auch noch 180 Millionen Mark fordern, es müßten also 600 Millionen
Mark zur Verfügung gestellt werden, um diese Schiffszahl bis zum Jahre 1912
fertig zu Wasser zu bringen, wenn jährlich ihrer vier auf den Stapel gelegt werden.
Nun kann man ja sagen, daß es richtig wäre, Linienschiffe bei ihrer fünfund-
zwanzigjährigen Lebensdauer mit Hilfe von Anleihen zu bauen, die innerhalb fünf¬
undzwanzig Jahren amortisiert werden müssen; es wäre vielleicht sogar rationell, die
von Jahr zu Jahr in das öffentliche Leben hineinwachsende Generation an diesen
Lasten voll teilnehmen zu lassen. Aber das alles ist so eng mit der Gesamtlage der
Reichsfinanzen verknüpft, daß sich solche Fragen nur im Zusammenhange mit der
Neichsfinanzreform regeln lassen. In der Sache selbst werden bei allen, die Ver¬
ständnis für die Flotte haben, kaum zweierlei Meinungen vorhanden sein. Insofern
könnte man dem Inhalt einer Schrift des Grafen E. Reventlow, Kapitänleutnants a.D.,
im wesentlichen zustimmen, die den Titel führt: „Deutschland in der Welt voran?"
und marinetechnisch tatsächlich nichts Neues beibringt, sondern eben nur Forderungen
aufstellt und versieht, die eigentlich in jedermanns Munde sind, der von diesen Dingen
etwas versteht. Um so bedauerlicher ist das angefügte „Schlußwort," das im gewöhn¬
lichsten Bierbnnkräsonnierton die deutsche Politik angreift. Was soll es zum Beispiel
heißen, wenn der genannte Autor schreibt: „. . . Aber immerhin wird uus die Flotte
vor dem Schlimmsten bewahren, wie uns die Armee im Laufe der letzten Jahre trotz
unsrer Politik (!) vor schlimmeren bewahrt hat." Man darf fragen: bei welcher Ge¬
legenheit? Wer solche Behauptungen öffentlich aufstellt, muß doch wenigstens den
Schein eines Beweises versuchen, sonst bleibt es Gewäsch. Dieser Versuch ist aber
in keiner Weise gemacht worden. Derselbe Autor, der einen bedeutenden Aufwand für
die Flotte wünscht, ist darüber beunruhigt, daß „die Flotteuleistungen des Zentrums
wieder erkauft (!) werden sollen." Seine Naivität in politischen Dingen, wenn dieser
Ausdruck noch zutrifft, geht so weit, daß er die Kampfparole: Gegen deu Ultra-
montanismus! ausgegeben sehen möchte. „Ich fürchte, daß dieses Ziel, für das wir
einen Konflikt mit Freuden in Kauf nehmen würden, sich in utopischer Ferne befinde.
Das Verhältnis des Kaisers zum Katholizismus läßt es schon als unmöglich er¬
scheinen." Er wirft also Ultramontanismus und Katholizismus in einen Topf — und
mit solche» Leuten soll in einem Reiche Politik gemacht werden, dessen Bevölkerung
zu mehr als einem Drittel aus politisch fest organisierten Katholiken besteht!
Weiter sagt er: „Die Stellung des Reichskanzlers zur Flottenfrage ist auf-
fnllendcrweise bis jetzt wenig klar! Wer hat denn die beiden ersten Flottengesetze
durchdringen helfen? Ohne die nachhaltige Unterstützung des damaligen Staats¬
sekretärs Grafen Bülow würde das dem verdienten Staatssekretär der Marine kaum
gelungen sein. Geradezu unsinnig und widerlich berühren aber Behauptungen wie die,
daß wir uns „dank der Haltung unsers Auswärtigen Amts bezüglich einer künftigen
Flottenvermehrnng England gegenüber in der Lage eines Untergebnen oder Dienstboten
befinden." Sogar ein mißvergnügter Deutscher sollte zu stolz sein, solches Zeug drucken
zu lassen. Vermag Graf Reventlow das zum Schiffbau nötige Geld durch den Reichs¬
tag aufbringen zu lassen, wozu der Kampf „gegen den Ultramontanismus" zurzeit
freilich kaum der geeignete Weg sein dürfte, es sei denn, daß Graf Reventlow zu¬
gleich auch die Beseitigung des allgemeinen Stimmrechts — zwei Herkulesarbeiten
ans einmal — unternähme, der Reichskanzler würde sich schwerlich auch nur eine
Stunde besinnen, die 600 Millionen dem Staatssekretär der Marine zu überweisen,
und dieser kein Bedenken tragen, sie zu verwenden. Würde Graf Reventlow erst
das Geld beschafft und dann seine Schrift verfaßt haben, er hätte sich damit mehr
*Z* Dank und mehr Ehre verdient
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