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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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außergewöhnlich anmutig, und Richter verkörperte sie in Darstellungen, deren Innig¬
keit kaum wieder erreicht wurde. Wie sich seiue "bis zum Krankhaften gesteigerte"
Schwärmerei für Italien allmählich in ein liebevolles Erfassen der heimatlich-sächsischen
Welt umwandelte, das kann man in dem Abschnitte "Meißen" seiner Selbstbiographie
verfolgen; viele Sätze darin lesen sich wie ein Kommentar zu seinen Bildern.

Eine Krankheit seiner Frau hatte ihn in einem Sommer verhindert, eine
längst geplante erneute Studienreise nach Italien anzutreten; statt dessen wanderte
er von Meißen aus durch das Elbtal ins böhmische Mittelgebirge; diese Wanderung
wurde ihm zur Offenbarung der malerischen Schönheit der Elblandschaft. "Von
dieser Zeit an wandte sich mein Streben wieder ganz der heimischen Natur zu.
Jetzt wurde mir alles, was mich umgab, auch das Geringste und Alltäglichste, ein
interessanter Gegenstand malerischer Beobachtung. Konnte ich jetzt nicht alles ge¬
brauchen? War nicht Feld und Busch, Haus und Hütte, Menschen wie Tiere,
jedes Pflänzchen und jeder Zaun und alles mein, was sich am Himmel bewegt
und was die Erde trägt? Ich arbeitete und sammelte jetzt mit neuer Lust an
vaterländischen Stoffen. Zunächst entstand ein Gemälde, wozu ich das Motiv im
Triebischtal bei Meißen gefunden hatte usw." Drei Kinder wurden Richter in
Meißen geboren; als sie heranwuchsen, zeichnete er für sie fast jeden Abend beim
Schein der Lampe "ein Haus- oder Straßenereignis des Tages. Mein Publikum
war das dankbarste, es jauchzte oft zwischen meinen auf dem Papier laufenden
Bleistift hinein. Wer hätte aber denken können, daß solches kindische Spiel der
Keim und Vorbote einer ebenso erfolg- als freudenreichen Arbeit wurde, die in
spätern Jahren mich beschäftigte? Ich meine die Hefte "Fürs Haus"." In der
Tat find diese und die verwandten Kompositionen Richters voll von meißnischen
Motiven: der "Feierabend" zeigt in der Mitte den Meißner Stadtkirchenturm,
rechts davon die Franziskanerkirche, links auf der Höhe die Zscheilaer Kirche, da¬
zwischen aber den Ringelreihn Meißner Kinder und ausruhende Eltern; das
"Dreikönigslied" zeigt den Rathausgiebel, der "Taufgang" die Afrakirche mit dem
alten Kirchhof, die köstliche Darstellung des Schlachtfestes aus dem "Herbst" zeigt
im Hintergrunde den charakteristischen Giebel der Propstei im Wirtschaftshofe der
Fürstenschule und die kleinen Häuser der nahen "Hintermauer"; wie oft auch
kommt die Martinskapelle auf diesen Bildern vor! "Zuweilen wurden schöne
Sommernachmittage mit den Kindern auf einem nahe gelegnen Dorfe bei bekannten
Bauersleuten zugebracht" -- die Illustration dazu bilden die Blätter "Auf der
Wiese" ans dem "Frühling" (etwa Garsebach), "Der Besuch auf dem Lande"
(aus dem "Sonntag in Bildern"), "Weine nur nicht, Heimchen" aus dem "Winter"
(die Eichen vor Scharfenberg), "Die Nachbarn" (Korbitz oder Questenberg).

Ludwig Richter ist wohl der vornehmste, aber nicht der einzige Vertreter des
künstlerischen Lebens, das in dem damaligen Meißen seine Heimstätte fand. Wie
viele andre Maler, Bildhauer und Dichter find aus dieser Stadt hervorgegangen
oder sind von ihr und ihrer Umgebung beeinflußt worden! Da ist der markige
Landschafter Heinrich Crola (Croll, 1804 bis 1879); eine Zeile aus seinem Tage¬
buche genügt, den Einfluß der Meißner Landschaft zu erkennen: "Oft süßen wir
auf den braunen, duftenden Heidehügeln, in der Tiefe die strömende, blau
schimmernde Elbe, über ihr in ferner Luft die Türme Dresdens, noch weiter zurück
die Umrisse der sächsischen und böhmischen Grenzgebirge, um uus die wohlbekannten
Fluren und Ortschaften, welche jede eine besondre Erinnerung oder Merkwürdigkeit
für uns enthielt. Wie lieblich klangen da in den stillen, heitern Sommerabenden
die zusammenstimmenden Flöten. . .!" Es ist die Aussicht von der damals noch
mehr als jetzt bewaldeten Südkuppe des Spargebirges, die neuerdings Oskar
Zwintscher so schön gemalt hat. Oder hören wir eine Stelle aus den Aufzeich¬
nungen Paul Modus, des 1842 in Meißen gebornen Schwiegersohns und Bio¬
graphen Ludwig Richters: "Im Jahre 1847 übernahm mein Vater das unserm
Hause gegenüber gelegne Mühlbergsche (jetzt Bahrmannsche) Brauhaus, ein Giebel-


Meißen

außergewöhnlich anmutig, und Richter verkörperte sie in Darstellungen, deren Innig¬
keit kaum wieder erreicht wurde. Wie sich seiue „bis zum Krankhaften gesteigerte"
Schwärmerei für Italien allmählich in ein liebevolles Erfassen der heimatlich-sächsischen
Welt umwandelte, das kann man in dem Abschnitte „Meißen" seiner Selbstbiographie
verfolgen; viele Sätze darin lesen sich wie ein Kommentar zu seinen Bildern.

Eine Krankheit seiner Frau hatte ihn in einem Sommer verhindert, eine
längst geplante erneute Studienreise nach Italien anzutreten; statt dessen wanderte
er von Meißen aus durch das Elbtal ins böhmische Mittelgebirge; diese Wanderung
wurde ihm zur Offenbarung der malerischen Schönheit der Elblandschaft. „Von
dieser Zeit an wandte sich mein Streben wieder ganz der heimischen Natur zu.
Jetzt wurde mir alles, was mich umgab, auch das Geringste und Alltäglichste, ein
interessanter Gegenstand malerischer Beobachtung. Konnte ich jetzt nicht alles ge¬
brauchen? War nicht Feld und Busch, Haus und Hütte, Menschen wie Tiere,
jedes Pflänzchen und jeder Zaun und alles mein, was sich am Himmel bewegt
und was die Erde trägt? Ich arbeitete und sammelte jetzt mit neuer Lust an
vaterländischen Stoffen. Zunächst entstand ein Gemälde, wozu ich das Motiv im
Triebischtal bei Meißen gefunden hatte usw." Drei Kinder wurden Richter in
Meißen geboren; als sie heranwuchsen, zeichnete er für sie fast jeden Abend beim
Schein der Lampe „ein Haus- oder Straßenereignis des Tages. Mein Publikum
war das dankbarste, es jauchzte oft zwischen meinen auf dem Papier laufenden
Bleistift hinein. Wer hätte aber denken können, daß solches kindische Spiel der
Keim und Vorbote einer ebenso erfolg- als freudenreichen Arbeit wurde, die in
spätern Jahren mich beschäftigte? Ich meine die Hefte »Fürs Haus«." In der
Tat find diese und die verwandten Kompositionen Richters voll von meißnischen
Motiven: der „Feierabend" zeigt in der Mitte den Meißner Stadtkirchenturm,
rechts davon die Franziskanerkirche, links auf der Höhe die Zscheilaer Kirche, da¬
zwischen aber den Ringelreihn Meißner Kinder und ausruhende Eltern; das
„Dreikönigslied" zeigt den Rathausgiebel, der „Taufgang" die Afrakirche mit dem
alten Kirchhof, die köstliche Darstellung des Schlachtfestes aus dem „Herbst" zeigt
im Hintergrunde den charakteristischen Giebel der Propstei im Wirtschaftshofe der
Fürstenschule und die kleinen Häuser der nahen „Hintermauer"; wie oft auch
kommt die Martinskapelle auf diesen Bildern vor! „Zuweilen wurden schöne
Sommernachmittage mit den Kindern auf einem nahe gelegnen Dorfe bei bekannten
Bauersleuten zugebracht" — die Illustration dazu bilden die Blätter „Auf der
Wiese" ans dem „Frühling" (etwa Garsebach), „Der Besuch auf dem Lande"
(aus dem „Sonntag in Bildern"), „Weine nur nicht, Heimchen" aus dem „Winter"
(die Eichen vor Scharfenberg), „Die Nachbarn" (Korbitz oder Questenberg).

Ludwig Richter ist wohl der vornehmste, aber nicht der einzige Vertreter des
künstlerischen Lebens, das in dem damaligen Meißen seine Heimstätte fand. Wie
viele andre Maler, Bildhauer und Dichter find aus dieser Stadt hervorgegangen
oder sind von ihr und ihrer Umgebung beeinflußt worden! Da ist der markige
Landschafter Heinrich Crola (Croll, 1804 bis 1879); eine Zeile aus seinem Tage¬
buche genügt, den Einfluß der Meißner Landschaft zu erkennen: „Oft süßen wir
auf den braunen, duftenden Heidehügeln, in der Tiefe die strömende, blau
schimmernde Elbe, über ihr in ferner Luft die Türme Dresdens, noch weiter zurück
die Umrisse der sächsischen und böhmischen Grenzgebirge, um uus die wohlbekannten
Fluren und Ortschaften, welche jede eine besondre Erinnerung oder Merkwürdigkeit
für uns enthielt. Wie lieblich klangen da in den stillen, heitern Sommerabenden
die zusammenstimmenden Flöten. . .!" Es ist die Aussicht von der damals noch
mehr als jetzt bewaldeten Südkuppe des Spargebirges, die neuerdings Oskar
Zwintscher so schön gemalt hat. Oder hören wir eine Stelle aus den Aufzeich¬
nungen Paul Modus, des 1842 in Meißen gebornen Schwiegersohns und Bio¬
graphen Ludwig Richters: „Im Jahre 1847 übernahm mein Vater das unserm
Hause gegenüber gelegne Mühlbergsche (jetzt Bahrmannsche) Brauhaus, ein Giebel-


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[0727] Meißen außergewöhnlich anmutig, und Richter verkörperte sie in Darstellungen, deren Innig¬ keit kaum wieder erreicht wurde. Wie sich seiue „bis zum Krankhaften gesteigerte" Schwärmerei für Italien allmählich in ein liebevolles Erfassen der heimatlich-sächsischen Welt umwandelte, das kann man in dem Abschnitte „Meißen" seiner Selbstbiographie verfolgen; viele Sätze darin lesen sich wie ein Kommentar zu seinen Bildern. Eine Krankheit seiner Frau hatte ihn in einem Sommer verhindert, eine längst geplante erneute Studienreise nach Italien anzutreten; statt dessen wanderte er von Meißen aus durch das Elbtal ins böhmische Mittelgebirge; diese Wanderung wurde ihm zur Offenbarung der malerischen Schönheit der Elblandschaft. „Von dieser Zeit an wandte sich mein Streben wieder ganz der heimischen Natur zu. Jetzt wurde mir alles, was mich umgab, auch das Geringste und Alltäglichste, ein interessanter Gegenstand malerischer Beobachtung. Konnte ich jetzt nicht alles ge¬ brauchen? War nicht Feld und Busch, Haus und Hütte, Menschen wie Tiere, jedes Pflänzchen und jeder Zaun und alles mein, was sich am Himmel bewegt und was die Erde trägt? Ich arbeitete und sammelte jetzt mit neuer Lust an vaterländischen Stoffen. Zunächst entstand ein Gemälde, wozu ich das Motiv im Triebischtal bei Meißen gefunden hatte usw." Drei Kinder wurden Richter in Meißen geboren; als sie heranwuchsen, zeichnete er für sie fast jeden Abend beim Schein der Lampe „ein Haus- oder Straßenereignis des Tages. Mein Publikum war das dankbarste, es jauchzte oft zwischen meinen auf dem Papier laufenden Bleistift hinein. Wer hätte aber denken können, daß solches kindische Spiel der Keim und Vorbote einer ebenso erfolg- als freudenreichen Arbeit wurde, die in spätern Jahren mich beschäftigte? Ich meine die Hefte »Fürs Haus«." In der Tat find diese und die verwandten Kompositionen Richters voll von meißnischen Motiven: der „Feierabend" zeigt in der Mitte den Meißner Stadtkirchenturm, rechts davon die Franziskanerkirche, links auf der Höhe die Zscheilaer Kirche, da¬ zwischen aber den Ringelreihn Meißner Kinder und ausruhende Eltern; das „Dreikönigslied" zeigt den Rathausgiebel, der „Taufgang" die Afrakirche mit dem alten Kirchhof, die köstliche Darstellung des Schlachtfestes aus dem „Herbst" zeigt im Hintergrunde den charakteristischen Giebel der Propstei im Wirtschaftshofe der Fürstenschule und die kleinen Häuser der nahen „Hintermauer"; wie oft auch kommt die Martinskapelle auf diesen Bildern vor! „Zuweilen wurden schöne Sommernachmittage mit den Kindern auf einem nahe gelegnen Dorfe bei bekannten Bauersleuten zugebracht" — die Illustration dazu bilden die Blätter „Auf der Wiese" ans dem „Frühling" (etwa Garsebach), „Der Besuch auf dem Lande" (aus dem „Sonntag in Bildern"), „Weine nur nicht, Heimchen" aus dem „Winter" (die Eichen vor Scharfenberg), „Die Nachbarn" (Korbitz oder Questenberg). Ludwig Richter ist wohl der vornehmste, aber nicht der einzige Vertreter des künstlerischen Lebens, das in dem damaligen Meißen seine Heimstätte fand. Wie viele andre Maler, Bildhauer und Dichter find aus dieser Stadt hervorgegangen oder sind von ihr und ihrer Umgebung beeinflußt worden! Da ist der markige Landschafter Heinrich Crola (Croll, 1804 bis 1879); eine Zeile aus seinem Tage¬ buche genügt, den Einfluß der Meißner Landschaft zu erkennen: „Oft süßen wir auf den braunen, duftenden Heidehügeln, in der Tiefe die strömende, blau schimmernde Elbe, über ihr in ferner Luft die Türme Dresdens, noch weiter zurück die Umrisse der sächsischen und böhmischen Grenzgebirge, um uus die wohlbekannten Fluren und Ortschaften, welche jede eine besondre Erinnerung oder Merkwürdigkeit für uns enthielt. Wie lieblich klangen da in den stillen, heitern Sommerabenden die zusammenstimmenden Flöten. . .!" Es ist die Aussicht von der damals noch mehr als jetzt bewaldeten Südkuppe des Spargebirges, die neuerdings Oskar Zwintscher so schön gemalt hat. Oder hören wir eine Stelle aus den Aufzeich¬ nungen Paul Modus, des 1842 in Meißen gebornen Schwiegersohns und Bio¬ graphen Ludwig Richters: „Im Jahre 1847 übernahm mein Vater das unserm Hause gegenüber gelegne Mühlbergsche (jetzt Bahrmannsche) Brauhaus, ein Giebel-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/727>, abgerufen am 06.02.2025.