Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Meißen Umgebung in mehreren Briefen Schillers, von denen einer zugleich für seine idea¬ Ganz besonders reich sind Meißens Erinnerungen an die Zeit Napoleons und Da Macht und Gllie sich vereint, Ein andres Bild aus dem Sommer 1869 zeigt uns den Herzog von Braun- Meißen Umgebung in mehreren Briefen Schillers, von denen einer zugleich für seine idea¬ Ganz besonders reich sind Meißens Erinnerungen an die Zeit Napoleons und Da Macht und Gllie sich vereint, Ein andres Bild aus dem Sommer 1869 zeigt uns den Herzog von Braun- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0724" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297103"/> <fw type="header" place="top"> Meißen</fw><lb/> <p xml:id="ID_3302" prev="#ID_3301"> Umgebung in mehreren Briefen Schillers, von denen einer zugleich für seine idea¬<lb/> listische Landschaftsauffassung bezeichnend ist. Im September 1785 kam er mit der<lb/> Post fahrend auf der Reise von Leipzig nach Dresden zuerst ius Meißner Elbtal;<lb/> diesen Augenblick schildert er am 13. September 1785 seinem Freunde Huber<lb/> folgendermaßen: „Als auf einmal und mir zum erstenmal die Elbe zwischen zwei<lb/> Bergen heraustrat ^es war in dem Dorfe Zehren^, schrie ich laut auf. O mein<lb/> liebster Freund, wie interessant war mir alles! Die Elbe bildet eine romantische<lb/> Natur um sich her, und eine schwesterliche Ähnlichkeit dieser Gegend mit dem<lb/> Tummelplatze meiner frühen dichterischen Kindheit machte mir sie dreifach teuer.<lb/> Meißen, Dresden und seine Gegenden gleichen ganz in die Familie meiner vater¬<lb/> ländischen Fluren." Und als Körners im April 1786 aus Leipzig wieder nach<lb/> Dresden heimkehrten, reitet er ihnen bis Meißen entgegen, um mit ihnen dort früh<lb/> Kaffee zu trinken und die Stadt und die Gegend zu besehen. Dasselbe tat er,<lb/> als in demselben Jahre der Mannheimer Buchhändler Schwan mit seinen beiden<lb/> Töchtern über Meißen nach Dresden reiste. Die jüngere berichtet darüber: „Als<lb/> wir in Meißen am PostHause anführen, wer stand unter dem Torweg? Schiller<lb/> in einem mausfarbnen Rock mit Stahlknöpfen. Er war, wie er es damals liebte,<lb/> zu Roß von Dresden gekommen, um uns einzuholen, und machte in Meißen den<lb/> artigsten Cicerone." Dieses Posthaus, an der Ecke der Elbgasse und des Heinrichs¬<lb/> platzes liegend, hat einem Neubau Platz gemacht, aber ein Schillerverehrer (Hofrat<lb/> Sturm) hat wenigstens die Steinpforte, unter der Schiller damals stand, gerettet<lb/> und in seinem Hause eingemauert.</p><lb/> <p xml:id="ID_3303"> Ganz besonders reich sind Meißens Erinnerungen an die Zeit Napoleons und<lb/> der Freiheitskriege. „Am 22. Juli (1307) war der für Meißen so merkwürdige<lb/> Tag, wo wir das Glück hatten, den großen Kaiser der Franzosen in unsrer Mitte<lb/> zu sehen, erzählt uns die zu derselben Zeit erschienene Denkschrift. Er kam in<lb/> Gesellschaft unsers geliebten Königs. Das Lauten aller Glocken, die kriegerische<lb/> Musik des Militärs und der bürgerschaftlichen Parade, die Trompeten und Pauken<lb/> auf dem Stadtkirchturme, der Freudenruf der Menge, wofür er mit freundlicher<lb/> Huld dankte, und vorzüglich der Anblick des großen Mannes, von welchem unser<lb/> Schicksal ganz abhing, und der uns vorm Jahre statt der verheerenden Fackel des<lb/> Kriegs die Palme des Friedens reichte, alles dieses machte einen rührenden Ein¬<lb/> druck." Dementsprechend lauteten die Transparents bei der Nachfeier des denk¬<lb/> würdigen Tages am 1. August in Herrn Thieles Garten auf dem Plosfen:</p><lb/> <quote> Da Macht und Gllie sich vereint,<lb/> Hat nun die Menschheit ausgeweint.</quote><lb/> <p xml:id="ID_3304" next="#ID_3305"> Ein andres Bild aus dem Sommer 1869 zeigt uns den Herzog von Braun-<lb/> schweig, wie er, den Totenkopf am Tschako, mit seiner „Schwarzen Schar" in<lb/> Meißen einreitet, um das sächsische Volk zur Erhebung gegen den „Tyrannen"<lb/> mit fortzureißen. Meißen war vom 14. bis zum 27. Juni sein Hauptquartier,<lb/> aber die Zeit war noch nicht reif. Fest vertrauten die damaligen Sachsen auf den<lb/> Stern ihres großen Verbündeten, der mit großem Geschick die alte Eifersucht gegen<lb/> Preußen wachrief und die alten polnischen Pläne der Wettiner erfolgreich aus ihrem<lb/> Schlummer weckte. Erst die furchtbaren Opfer, die Napoleons Rüstungen gegen<lb/> Rußland auch von Sachsen forderten, und namentlich der kostspielige Bau der<lb/> Festung Torgau, der weit über sechs Millionen Taler verschlingend die Staats¬<lb/> kassen leerte, öffnete den Einsichtsvollern die Augen. Darum war schon im<lb/> Mai 1812 die Stimmung in Meißen sehr zuungunsten der Franzosen und zu¬<lb/> gunsten Preußens umgeschlagen. Das zeigte sich bei einem Besuche, den Friedrich<lb/> Wilhelm der Dritte in Begleitung des Kronprinzen, des Kanzlers Hardenberg u. a.<lb/> am 30. und 31. Mai Meißen abstattete. Er wohnte beim General von Niese-<lb/> menschel (im jetzigen Hauptsteueramt am Heinrichsplatz) und wurde durch das Läuten<lb/> aller Glocken, durch Gesang und prachtvolle Illumination geehrt, wobei ein „immer-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0724]
Meißen
Umgebung in mehreren Briefen Schillers, von denen einer zugleich für seine idea¬
listische Landschaftsauffassung bezeichnend ist. Im September 1785 kam er mit der
Post fahrend auf der Reise von Leipzig nach Dresden zuerst ius Meißner Elbtal;
diesen Augenblick schildert er am 13. September 1785 seinem Freunde Huber
folgendermaßen: „Als auf einmal und mir zum erstenmal die Elbe zwischen zwei
Bergen heraustrat ^es war in dem Dorfe Zehren^, schrie ich laut auf. O mein
liebster Freund, wie interessant war mir alles! Die Elbe bildet eine romantische
Natur um sich her, und eine schwesterliche Ähnlichkeit dieser Gegend mit dem
Tummelplatze meiner frühen dichterischen Kindheit machte mir sie dreifach teuer.
Meißen, Dresden und seine Gegenden gleichen ganz in die Familie meiner vater¬
ländischen Fluren." Und als Körners im April 1786 aus Leipzig wieder nach
Dresden heimkehrten, reitet er ihnen bis Meißen entgegen, um mit ihnen dort früh
Kaffee zu trinken und die Stadt und die Gegend zu besehen. Dasselbe tat er,
als in demselben Jahre der Mannheimer Buchhändler Schwan mit seinen beiden
Töchtern über Meißen nach Dresden reiste. Die jüngere berichtet darüber: „Als
wir in Meißen am PostHause anführen, wer stand unter dem Torweg? Schiller
in einem mausfarbnen Rock mit Stahlknöpfen. Er war, wie er es damals liebte,
zu Roß von Dresden gekommen, um uns einzuholen, und machte in Meißen den
artigsten Cicerone." Dieses Posthaus, an der Ecke der Elbgasse und des Heinrichs¬
platzes liegend, hat einem Neubau Platz gemacht, aber ein Schillerverehrer (Hofrat
Sturm) hat wenigstens die Steinpforte, unter der Schiller damals stand, gerettet
und in seinem Hause eingemauert.
Ganz besonders reich sind Meißens Erinnerungen an die Zeit Napoleons und
der Freiheitskriege. „Am 22. Juli (1307) war der für Meißen so merkwürdige
Tag, wo wir das Glück hatten, den großen Kaiser der Franzosen in unsrer Mitte
zu sehen, erzählt uns die zu derselben Zeit erschienene Denkschrift. Er kam in
Gesellschaft unsers geliebten Königs. Das Lauten aller Glocken, die kriegerische
Musik des Militärs und der bürgerschaftlichen Parade, die Trompeten und Pauken
auf dem Stadtkirchturme, der Freudenruf der Menge, wofür er mit freundlicher
Huld dankte, und vorzüglich der Anblick des großen Mannes, von welchem unser
Schicksal ganz abhing, und der uns vorm Jahre statt der verheerenden Fackel des
Kriegs die Palme des Friedens reichte, alles dieses machte einen rührenden Ein¬
druck." Dementsprechend lauteten die Transparents bei der Nachfeier des denk¬
würdigen Tages am 1. August in Herrn Thieles Garten auf dem Plosfen:
Da Macht und Gllie sich vereint,
Hat nun die Menschheit ausgeweint.
Ein andres Bild aus dem Sommer 1869 zeigt uns den Herzog von Braun-
schweig, wie er, den Totenkopf am Tschako, mit seiner „Schwarzen Schar" in
Meißen einreitet, um das sächsische Volk zur Erhebung gegen den „Tyrannen"
mit fortzureißen. Meißen war vom 14. bis zum 27. Juni sein Hauptquartier,
aber die Zeit war noch nicht reif. Fest vertrauten die damaligen Sachsen auf den
Stern ihres großen Verbündeten, der mit großem Geschick die alte Eifersucht gegen
Preußen wachrief und die alten polnischen Pläne der Wettiner erfolgreich aus ihrem
Schlummer weckte. Erst die furchtbaren Opfer, die Napoleons Rüstungen gegen
Rußland auch von Sachsen forderten, und namentlich der kostspielige Bau der
Festung Torgau, der weit über sechs Millionen Taler verschlingend die Staats¬
kassen leerte, öffnete den Einsichtsvollern die Augen. Darum war schon im
Mai 1812 die Stimmung in Meißen sehr zuungunsten der Franzosen und zu¬
gunsten Preußens umgeschlagen. Das zeigte sich bei einem Besuche, den Friedrich
Wilhelm der Dritte in Begleitung des Kronprinzen, des Kanzlers Hardenberg u. a.
am 30. und 31. Mai Meißen abstattete. Er wohnte beim General von Niese-
menschel (im jetzigen Hauptsteueramt am Heinrichsplatz) und wurde durch das Läuten
aller Glocken, durch Gesang und prachtvolle Illumination geehrt, wobei ein „immer-
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