Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Gin Dresdner Don Juan Bachmann und ganz neuerdings an Sara Bernard klar geworden. Ich kann Gin Dresdner Don Juan Bachmann und ganz neuerdings an Sara Bernard klar geworden. Ich kann <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0711" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297090"/> <fw type="header" place="top"> Gin Dresdner Don Juan</fw><lb/> <p xml:id="ID_3269" prev="#ID_3268" next="#ID_3270"> Bachmann und ganz neuerdings an Sara Bernard klar geworden. Ich kann<lb/> nicht wie ein Materialwarenjüngling, der Mokka und Menado zu einer er¬<lb/> freulichen Mischung zusammenbringt, die Achtung vor der die Natur ersetzenden<lb/> Kunst und das lallende Gefühl eingetretnen Verfalls in einem Gefühle ver¬<lb/> einen, das sich wie Genuß und wie Behagen anließe. Wenn eine Sängerin<lb/> über die erste Jugend hinaus ist und den Cherubin zu geben fortfährt, so<lb/> hört sie auf mir zu gefallen. Ich begreife — denn mit edelmütiger Aner¬<lb/> kennung halbüberwundner Schwierigkeiten hat meine Kunstfreude nichts zu<lb/> tun — den fein gebadeten und pomadisierten Römer, der, in seidenweichem<lb/> Wollenkleid den Gladiatorenspielen zusehend, xollios vsrso über einen Kämpfer,<lb/> dessen Erscheinung oder Gebaren ihm nicht zusagte, das Todesurteil aussprach.<lb/> Ja vielleicht würde ich, wenn wir in der Türkei lebten, und wenn ich der<lb/> Großherr wäre, einer Sängerin, die meiner Phantasie die unbequeme Arbeit<lb/> zumutete, mir eine Heldin anders vorzustellen, als sie mir gezeigt wird, den<lb/> Mann mit der grünen Schnur zusenden und ihr die Wahl lassen, die Rolle<lb/> entweder an eine jüngere Kraft abzugeben, oder wenn sie fanatisch an ihrem<lb/> Rolleneigentum hinge, ihre Überzeugungsfreudigkeit mit einem mutigen: „Kehle,<lb/> Kehle schnüren zu" zu besiegeln. Was Goethe, der in solchen Dingen der<lb/> echte Schalk war, beim Erscheinen des Paris der jungen Dame, der ältern<lb/> und der ältesten in den Mund legt, ist ja in den Ausdrücken, die er sie<lb/> brauchen läßt, eitel Ironie, aber Recht haben im Grunde alle drei doch in¬<lb/> sofern, als in der Natur jedes Ding seine Zeit und seinen besondern Reiz<lb/> hat: uns die aufgehende Sonne durch ein elektrisches Strahlenbündel vor¬<lb/> gaukeln zu wollen, ist ein ebenso vergeblicher Versuch, als wenn sich alte<lb/> Leute künstlich jung machen wollen. Es ist wenig Mimen vergönnt, aus<lb/> dem Schiffbruch der Jahre den leichten anmutigen oder doch die Lachlust er¬<lb/> regenden Humor ins reifere Alter hinüberzuretten. Ich hatte an der Dresdner<lb/> Buhne einen Vetter mütterlicherseits, der, glaube ich, in jungen Jahren aller¬<lb/> hand Buffopartien gegeben hatte und in spätern Jahren hauptsächlich den<lb/> Kilian im Freischütz: Was traf er denn? und den Haushofmeister in der<lb/> Negimentstochter „personifizierte." Bei dem war die Freude an seinen eignen<lb/> zu Tode gehetzten Witzen, die er immer von neuem auflegte, so harmlos und<lb/> so ansteckend, daß man, obwohl man den Moment, wo das Schlagwort kommen<lb/> mußte, wie die elektrische Entladung auf dem Jahrmarkte fürchtete, doch nicht<lb/> umhin konnte, herzlich anzulanden, wenn er zum aberhundertstenmale den<lb/> Namen seiner Gebieterin, der Marquise von Maggiorivoglio in Matschvogel<lb/> umwandelte, und das Gewieher der Galerie dieses „feine Wortspiel" und die<lb/> Meldung, das Volk bereite sich zum Tode (statt zum Tanz), frohlockend be¬<lb/> grüßte. Harmlose Spaßvogel altern nicht, das wollte ich durch das Beispiel<lb/> meines inzwischen längst mit Weber und Donizetti vereinigten Vetters an¬<lb/> deuten, aber einmal sollen Kilian und der Haushofmeister keine Jünglinge<lb/> sein, und das andremal sind die harmlosen Spaßvogel fast so selten wie die<lb/> Weißen Sperlinge. Für die Partie des Leporello finden sich noch eher junge<lb/> Leute, denen die Jugend anmutigen und gewinnenden Humor verleiht, als daß<lb/> es dein zu Jahren gekommnen Manne gelingt, uns die Hasenfüßigkeit, den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0711]
Gin Dresdner Don Juan
Bachmann und ganz neuerdings an Sara Bernard klar geworden. Ich kann
nicht wie ein Materialwarenjüngling, der Mokka und Menado zu einer er¬
freulichen Mischung zusammenbringt, die Achtung vor der die Natur ersetzenden
Kunst und das lallende Gefühl eingetretnen Verfalls in einem Gefühle ver¬
einen, das sich wie Genuß und wie Behagen anließe. Wenn eine Sängerin
über die erste Jugend hinaus ist und den Cherubin zu geben fortfährt, so
hört sie auf mir zu gefallen. Ich begreife — denn mit edelmütiger Aner¬
kennung halbüberwundner Schwierigkeiten hat meine Kunstfreude nichts zu
tun — den fein gebadeten und pomadisierten Römer, der, in seidenweichem
Wollenkleid den Gladiatorenspielen zusehend, xollios vsrso über einen Kämpfer,
dessen Erscheinung oder Gebaren ihm nicht zusagte, das Todesurteil aussprach.
Ja vielleicht würde ich, wenn wir in der Türkei lebten, und wenn ich der
Großherr wäre, einer Sängerin, die meiner Phantasie die unbequeme Arbeit
zumutete, mir eine Heldin anders vorzustellen, als sie mir gezeigt wird, den
Mann mit der grünen Schnur zusenden und ihr die Wahl lassen, die Rolle
entweder an eine jüngere Kraft abzugeben, oder wenn sie fanatisch an ihrem
Rolleneigentum hinge, ihre Überzeugungsfreudigkeit mit einem mutigen: „Kehle,
Kehle schnüren zu" zu besiegeln. Was Goethe, der in solchen Dingen der
echte Schalk war, beim Erscheinen des Paris der jungen Dame, der ältern
und der ältesten in den Mund legt, ist ja in den Ausdrücken, die er sie
brauchen läßt, eitel Ironie, aber Recht haben im Grunde alle drei doch in¬
sofern, als in der Natur jedes Ding seine Zeit und seinen besondern Reiz
hat: uns die aufgehende Sonne durch ein elektrisches Strahlenbündel vor¬
gaukeln zu wollen, ist ein ebenso vergeblicher Versuch, als wenn sich alte
Leute künstlich jung machen wollen. Es ist wenig Mimen vergönnt, aus
dem Schiffbruch der Jahre den leichten anmutigen oder doch die Lachlust er¬
regenden Humor ins reifere Alter hinüberzuretten. Ich hatte an der Dresdner
Buhne einen Vetter mütterlicherseits, der, glaube ich, in jungen Jahren aller¬
hand Buffopartien gegeben hatte und in spätern Jahren hauptsächlich den
Kilian im Freischütz: Was traf er denn? und den Haushofmeister in der
Negimentstochter „personifizierte." Bei dem war die Freude an seinen eignen
zu Tode gehetzten Witzen, die er immer von neuem auflegte, so harmlos und
so ansteckend, daß man, obwohl man den Moment, wo das Schlagwort kommen
mußte, wie die elektrische Entladung auf dem Jahrmarkte fürchtete, doch nicht
umhin konnte, herzlich anzulanden, wenn er zum aberhundertstenmale den
Namen seiner Gebieterin, der Marquise von Maggiorivoglio in Matschvogel
umwandelte, und das Gewieher der Galerie dieses „feine Wortspiel" und die
Meldung, das Volk bereite sich zum Tode (statt zum Tanz), frohlockend be¬
grüßte. Harmlose Spaßvogel altern nicht, das wollte ich durch das Beispiel
meines inzwischen längst mit Weber und Donizetti vereinigten Vetters an¬
deuten, aber einmal sollen Kilian und der Haushofmeister keine Jünglinge
sein, und das andremal sind die harmlosen Spaßvogel fast so selten wie die
Weißen Sperlinge. Für die Partie des Leporello finden sich noch eher junge
Leute, denen die Jugend anmutigen und gewinnenden Humor verleiht, als daß
es dein zu Jahren gekommnen Manne gelingt, uns die Hasenfüßigkeit, den
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