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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Afghanistan

abgebaut; sie kann jedoch wegen des Mangels an Eisenbahnen nicht verwertet
werden. Versuchshalber wurden von dieser Kohle mehrere Kamelladungen nach
Kabul gebracht, wo sie geprüft und als vorzüglich befunden wurde. Größere
Mengen können wegen der Länge und Beschwerlichkeit des Weges -- der
Transport beansprucht mit Kamelen mindestens einen Monat -- von Turkestan
nach Kabul nicht gebracht werden, zumal da ein Kamel höchstens 250 Kilo¬
gramm tragen kann. Es besteht die Absicht, in Turkestan ein großes Eisenwerk
zu errichten, doch wird wohl auch dieser Plan, wie so mancher andre, noch
lange seiner Verwirklichung harren. Am Ausgang des westlichen Kabultales,
etwa zwanzig Kilometer von Kabul entfernt, gibt es unermeßliche Lager von
Kupfererz, das bei der Probe, der ich beiwohnte, 24 bis 25 Prozent Kupfer
ergab. Gegen Ende des Jahres 1898 wurde beschlossen, in der Nähe der großen
Kupfererzlager ein Hüttenwerk zur Gewinnung des Metalls zu errichten, und
der Ingenieur Frank Martin erhielt den Auftrag, die nötigen Vorrichtungen und
Maschinen anfertigen zu lassen. Im Frühjahr 1899 war dieser Auftrag aus¬
geführt und auch ein Bauplatz gewählt, aber zum Bau des Werkes kam es nicht.
Es ist gewiß, daß Afghanistan sehr bedeutende Kupfermengen erzeugen könnte.

Auch Kohlenlager sind im Kabultale vorhanden, die Kohle tritt an mehreren
Orten zutage. Im westlichen Kabultale werden seit drei Jahren Bohrungen
vorgenommen, aber die Arbeiten schreiten sehr langsam vorwärts und werden
nachlässig gefördert, wenn nicht Europäer sie beaufsichtigen. So erklärt es sich
denn, daß die Bohrungen in dem angegebnen Zeitraum noch nicht bis zu einer
Tiefe von zwanzig Metern gediehen sind. Der Emir wurde ungeduldig und sprach
die Ansicht aus, es sollte nicht an einen? Orte so lange gebohrt, es sollten viel¬
mehr an verschiednen Orten Bohrversuche gemacht werden. Er glaubt eben,
man müsse schon in geringer Tiefe auf große Kohlenlager stoßen, wenn Kohle
überhaupt vorhanden sei. Diese Unwissenheit und die oben gerügte Nachlässigkeit
der eingebornen Arbeiter würden sich auch erfahrnen Fachleuten als schwer über-
windliche Hindernisse entgegenstellen, und so werden denn, vorderhand wenigstens,
die reichen Schätze im Schoße der Erde unberührt bleiben, bis weisere Herrscher
sie werden heben lassen. Asbest tritt allenthalben in der Umgebung Kabuls
zutage, und zwar in solcher Menge, daß auf Eisenbahnen jährlich Tausende von
Tonnen ausgeführt werden könnten. Gute, feuerfeste Tonarten und Porzellän¬
erde kommen in großen Mengen vor und könnten für verschiedne Industriezweige
den nötigen Rohstoff liefern.

Afghanistan wäre zweifellos eines der reichsten Länder Asiens, wenn seine
Bodenschätze planmäßig gehoben und auf den Weltmarkt gebracht würden. Unter
mohammedanischer Herrschaft wird es diesem Ziele allerdings nur langsam näher
kommen; ob es jemals erreicht wird, wenn sich die Verhältnisse nicht von Grund
aus ändern, muß billig bezweifelt werden.

(Fortsetzung folgt)




Grenzboten II 190590
Afghanistan

abgebaut; sie kann jedoch wegen des Mangels an Eisenbahnen nicht verwertet
werden. Versuchshalber wurden von dieser Kohle mehrere Kamelladungen nach
Kabul gebracht, wo sie geprüft und als vorzüglich befunden wurde. Größere
Mengen können wegen der Länge und Beschwerlichkeit des Weges — der
Transport beansprucht mit Kamelen mindestens einen Monat — von Turkestan
nach Kabul nicht gebracht werden, zumal da ein Kamel höchstens 250 Kilo¬
gramm tragen kann. Es besteht die Absicht, in Turkestan ein großes Eisenwerk
zu errichten, doch wird wohl auch dieser Plan, wie so mancher andre, noch
lange seiner Verwirklichung harren. Am Ausgang des westlichen Kabultales,
etwa zwanzig Kilometer von Kabul entfernt, gibt es unermeßliche Lager von
Kupfererz, das bei der Probe, der ich beiwohnte, 24 bis 25 Prozent Kupfer
ergab. Gegen Ende des Jahres 1898 wurde beschlossen, in der Nähe der großen
Kupfererzlager ein Hüttenwerk zur Gewinnung des Metalls zu errichten, und
der Ingenieur Frank Martin erhielt den Auftrag, die nötigen Vorrichtungen und
Maschinen anfertigen zu lassen. Im Frühjahr 1899 war dieser Auftrag aus¬
geführt und auch ein Bauplatz gewählt, aber zum Bau des Werkes kam es nicht.
Es ist gewiß, daß Afghanistan sehr bedeutende Kupfermengen erzeugen könnte.

Auch Kohlenlager sind im Kabultale vorhanden, die Kohle tritt an mehreren
Orten zutage. Im westlichen Kabultale werden seit drei Jahren Bohrungen
vorgenommen, aber die Arbeiten schreiten sehr langsam vorwärts und werden
nachlässig gefördert, wenn nicht Europäer sie beaufsichtigen. So erklärt es sich
denn, daß die Bohrungen in dem angegebnen Zeitraum noch nicht bis zu einer
Tiefe von zwanzig Metern gediehen sind. Der Emir wurde ungeduldig und sprach
die Ansicht aus, es sollte nicht an einen? Orte so lange gebohrt, es sollten viel¬
mehr an verschiednen Orten Bohrversuche gemacht werden. Er glaubt eben,
man müsse schon in geringer Tiefe auf große Kohlenlager stoßen, wenn Kohle
überhaupt vorhanden sei. Diese Unwissenheit und die oben gerügte Nachlässigkeit
der eingebornen Arbeiter würden sich auch erfahrnen Fachleuten als schwer über-
windliche Hindernisse entgegenstellen, und so werden denn, vorderhand wenigstens,
die reichen Schätze im Schoße der Erde unberührt bleiben, bis weisere Herrscher
sie werden heben lassen. Asbest tritt allenthalben in der Umgebung Kabuls
zutage, und zwar in solcher Menge, daß auf Eisenbahnen jährlich Tausende von
Tonnen ausgeführt werden könnten. Gute, feuerfeste Tonarten und Porzellän¬
erde kommen in großen Mengen vor und könnten für verschiedne Industriezweige
den nötigen Rohstoff liefern.

Afghanistan wäre zweifellos eines der reichsten Länder Asiens, wenn seine
Bodenschätze planmäßig gehoben und auf den Weltmarkt gebracht würden. Unter
mohammedanischer Herrschaft wird es diesem Ziele allerdings nur langsam näher
kommen; ob es jemals erreicht wird, wenn sich die Verhältnisse nicht von Grund
aus ändern, muß billig bezweifelt werden.

(Fortsetzung folgt)




Grenzboten II 190590
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/709>, abgerufen am 05.02.2025.