Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Afghanistan scheinen, der sich damals in dem herrlich liegenden Sommerschlosse Bagabale 2. Land und Leute Afghanistan ist zuweilen, und nicht ganz mit Unrecht, mit der Schweiz Damit ist schon so ziemlich alles hervorgehoben, worin sich die beiden Von den großen Gebirgszügen, die Afghanistan von Osten nach Westen Afghanistan scheinen, der sich damals in dem herrlich liegenden Sommerschlosse Bagabale 2. Land und Leute Afghanistan ist zuweilen, und nicht ganz mit Unrecht, mit der Schweiz Damit ist schon so ziemlich alles hervorgehoben, worin sich die beiden Von den großen Gebirgszügen, die Afghanistan von Osten nach Westen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0706" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297085"/> <fw type="header" place="top"> Afghanistan</fw><lb/> <p xml:id="ID_3253" prev="#ID_3252"> scheinen, der sich damals in dem herrlich liegenden Sommerschlosse Bagabale<lb/> aufhielt. In einer Kutsche mit vier Sitzen, die uns zur Verfügung gestellt<lb/> wurde, fuhren wir, von einem Dolmetsch begleitet, durch wunderschöne Pappel¬<lb/> alleen nach dem Schlosse, das etwa sieben Kilometer von unserm Wohnhause<lb/> entfernt war. In einem Hause außerhalb des Schlosses warteten wir von<lb/> zwölf bis zwei Uhr Nachmittags und wurden mit Tee und Backwerk bewirtet.<lb/> Um zwei Uhr kamen einige Beamte und Diener, um uns zum Emir zu ge¬<lb/> leiten. Vorher wurde Nachschau gehalten, ob wir nicht etwa Waffen mit uns<lb/> führten, und einer der Beamten meinte, wir möchten diese Maßregel nicht übel<lb/> aufnehmen. Es sei Vorschrift, jeden Fremden, der zum erstenmal vor dem Emir<lb/> erscheine, in solcher Weise zu untersuchen. Vor den Emir geführt, wurden wir<lb/> freundlichst begrüßt. Der Fürst reichte jedem die Hand und hielt meine Hand<lb/> solange in der seinen, bis wir unsre Reiseerlebnisse erzählt hatten. Über das<lb/> Vorgehn der Engländer uns gegenüber äußerte der Emir sein Mißfallen. Er<lb/> war davon schon vor unsrer Ankunft in Kabul in Kenntnis gesetzt worden.<lb/> Unser Empfang währte bis fünf Uhr am Nachmittag. Hierauf fuhren wir in<lb/> unsre Wohnung zurück und nahmen nach etlichen Tagen die uns obliegende<lb/> Tätigkeit auf.</p><lb/> <div n="2"> <head> 2. Land und Leute</head><lb/> <p xml:id="ID_3254"> Afghanistan ist zuweilen, und nicht ganz mit Unrecht, mit der Schweiz<lb/> verglichen worden, doch darf nicht übersehen werden, daß solche Vergleiche immer<lb/> nur eine recht allgemeine Ähnlichkeit andeuten und durchaus nicht geeignet sind,<lb/> klare Vorstellungen hervorzurufen und richtige Begriffe zu erzeugen. Was<lb/> Afghanistan mit der Schweiz etwa gemein hat, ist bald gesagt: hier wie dort ver¬<lb/> leihen gewaltige Bodenerhebungen einem großen Teile der Oberflüche den Charakter<lb/> eines aus fruchtbaren Niederungen bis in die Regionen des ewigen Schnees<lb/> und Eises ansteigenden, mächtigen Gebirgslandes, das sich auf breiter Grund¬<lb/> lage höher und höher aufbaut, und dessen unwirtliche Bergketten und Höhenzüge<lb/> nur auf ebenso beschwerlichen wie, zu gewissen Zeiten wenigstens, gefahrvollen<lb/> Pässen überschritten werden können. In beiden Ländern finden sich ansehnliche<lb/> Wasserläufe, die im Norden und im Süden der Gebirgsmassen ihre segen¬<lb/> spendenden Fluten dahinwälzen, und wie die Rhone in den Genfer See, so<lb/> mündet der Hilmend oder Helmend in den Sawarcmsee, wo er freilich verschwindet.</p><lb/> <p xml:id="ID_3255"> Damit ist schon so ziemlich alles hervorgehoben, worin sich die beiden<lb/> Länder ähneln, wenn man nicht etwa auf gewisse Erzeugnisse des Bodens, die<lb/> sie ebenfalls gemeinsam haben, und auf die in beiden Gebieten mit Vorliebe<lb/> betriebne Viehzucht hinweisen will, um für den Vergleich eine größere innere<lb/> Berechtigung ausfindig zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3256" next="#ID_3257"> Von den großen Gebirgszügen, die Afghanistan von Osten nach Westen<lb/> durchschneiden, bilden der mächtige Hindukusch, der Kohl-Bcwa, Sefid-Koh, Sia-<lb/> Koh und das Paropanisosgebirge eine ungeheure, über tausend Kilometer lange<lb/> Scheidewand zwischen dem Süden und dem Norden des Landes, dessen klima¬<lb/> tische Verhältnisse durch diese Oberflächen gestaltung wesentlich beeinflußt werden<lb/> und Unterschiede aufweisen, wie sie unter diesen Breiten kaum in einem andern<lb/> Lande beobachtet werden. Außer den genannten Gebirgen sind noch das Kodscha-<lb/> Mahomedgebirge im nordöstlichen Teile des Landes, ferner ein andrer Sefid</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0706]
Afghanistan
scheinen, der sich damals in dem herrlich liegenden Sommerschlosse Bagabale
aufhielt. In einer Kutsche mit vier Sitzen, die uns zur Verfügung gestellt
wurde, fuhren wir, von einem Dolmetsch begleitet, durch wunderschöne Pappel¬
alleen nach dem Schlosse, das etwa sieben Kilometer von unserm Wohnhause
entfernt war. In einem Hause außerhalb des Schlosses warteten wir von
zwölf bis zwei Uhr Nachmittags und wurden mit Tee und Backwerk bewirtet.
Um zwei Uhr kamen einige Beamte und Diener, um uns zum Emir zu ge¬
leiten. Vorher wurde Nachschau gehalten, ob wir nicht etwa Waffen mit uns
führten, und einer der Beamten meinte, wir möchten diese Maßregel nicht übel
aufnehmen. Es sei Vorschrift, jeden Fremden, der zum erstenmal vor dem Emir
erscheine, in solcher Weise zu untersuchen. Vor den Emir geführt, wurden wir
freundlichst begrüßt. Der Fürst reichte jedem die Hand und hielt meine Hand
solange in der seinen, bis wir unsre Reiseerlebnisse erzählt hatten. Über das
Vorgehn der Engländer uns gegenüber äußerte der Emir sein Mißfallen. Er
war davon schon vor unsrer Ankunft in Kabul in Kenntnis gesetzt worden.
Unser Empfang währte bis fünf Uhr am Nachmittag. Hierauf fuhren wir in
unsre Wohnung zurück und nahmen nach etlichen Tagen die uns obliegende
Tätigkeit auf.
2. Land und Leute
Afghanistan ist zuweilen, und nicht ganz mit Unrecht, mit der Schweiz
verglichen worden, doch darf nicht übersehen werden, daß solche Vergleiche immer
nur eine recht allgemeine Ähnlichkeit andeuten und durchaus nicht geeignet sind,
klare Vorstellungen hervorzurufen und richtige Begriffe zu erzeugen. Was
Afghanistan mit der Schweiz etwa gemein hat, ist bald gesagt: hier wie dort ver¬
leihen gewaltige Bodenerhebungen einem großen Teile der Oberflüche den Charakter
eines aus fruchtbaren Niederungen bis in die Regionen des ewigen Schnees
und Eises ansteigenden, mächtigen Gebirgslandes, das sich auf breiter Grund¬
lage höher und höher aufbaut, und dessen unwirtliche Bergketten und Höhenzüge
nur auf ebenso beschwerlichen wie, zu gewissen Zeiten wenigstens, gefahrvollen
Pässen überschritten werden können. In beiden Ländern finden sich ansehnliche
Wasserläufe, die im Norden und im Süden der Gebirgsmassen ihre segen¬
spendenden Fluten dahinwälzen, und wie die Rhone in den Genfer See, so
mündet der Hilmend oder Helmend in den Sawarcmsee, wo er freilich verschwindet.
Damit ist schon so ziemlich alles hervorgehoben, worin sich die beiden
Länder ähneln, wenn man nicht etwa auf gewisse Erzeugnisse des Bodens, die
sie ebenfalls gemeinsam haben, und auf die in beiden Gebieten mit Vorliebe
betriebne Viehzucht hinweisen will, um für den Vergleich eine größere innere
Berechtigung ausfindig zu machen.
Von den großen Gebirgszügen, die Afghanistan von Osten nach Westen
durchschneiden, bilden der mächtige Hindukusch, der Kohl-Bcwa, Sefid-Koh, Sia-
Koh und das Paropanisosgebirge eine ungeheure, über tausend Kilometer lange
Scheidewand zwischen dem Süden und dem Norden des Landes, dessen klima¬
tische Verhältnisse durch diese Oberflächen gestaltung wesentlich beeinflußt werden
und Unterschiede aufweisen, wie sie unter diesen Breiten kaum in einem andern
Lande beobachtet werden. Außer den genannten Gebirgen sind noch das Kodscha-
Mahomedgebirge im nordöstlichen Teile des Landes, ferner ein andrer Sefid
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