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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Herrenmenschen

putieren über Fragen wie die, ob man auch für die Sünden Buße tun müsse, die
mau nicht getan hat. Das ist denn doch eine ungesunde Sache und zum mindesten
übergeistlich.

Woher wissen Sie das, Herr Doktor? fragte Pastor Peternelle überrascht.

Ich war dabei.

Sie Weltkind unter den Propheten? Aber wie kamen unsre Frommen darauf,
zu Streite", ob man für ungetane Sünden Buße tun müsse? Vermutlich meinten
sie solche, deren man sich nicht bewußt ist.

Kann sein, erwiderte der Doktor. Aber ich bitte Sie, das sind doch Haar¬
spaltereien.

Oder Feinheiten, antwortete der Pastor, für die manches moderne Auge die
Sehschärfe verloren hat. Die Frage läuft auf ein Kapitel Philosophie des Unbe¬
wußten hinaus. Ihr Hartmann hat, ohne selbst etwas Positives beizusteuern, die
Aufmerksamkeit auf die interessante Tatsache gelenkt, daß es auch unterhalb der
Schwelle des Bewußtseins ein Seelenleben gibt, Aktionen, Tatsachen, Werte, die
das, was mit Bewußtsein geschieht, tief beeinflussen. Hier ist viel Raum, sowohl
für den heiligen Geist wie auch für den Teufel, hier liegen die Wurzeln des Besten
und des Bösesten im Menschen. Hier liegt alles das, was aus der Welt des Be¬
wußten in die Vergessenheit zurückgesunken, und was doch eine Schuld geblieben
ist. Hier sitzt der Keimpunkt des Willens, hier wird das Erkannte zum Begehrten.
Das ist es, was der Apostel meint, wenn er sagt: Ich bin mir Wohl nichts be¬
wußt, aber ich bin darum nicht gerechtfertigt. Sagen Sie, Herr Doktor, ist es
nicht ein feiner Kopf, dieser Paulus?

Der Doktor, dem als modernem Denker mehr daran gelegen war, Schlag¬
worte zu bilden, als fein zu denken, hatte in der Tat nicht recht verstanden, was
Pastor Peternelle meinte, scheute sich aber zu fragen und lenkte ab, indem er fragte:
Was heißt denn das: die schweigende Taube in der Fremde?

Der Pastor war über die Frage erstaunt und wußte nicht sogleich Antwort
zu geben. Wo denn das vorkomme? fragte er. Im 56. Psalm. -- Man schlug
also diesen Psalm auf und las: Ein gülden Kleinod Davids von der stummen
Taube unter den Fremden, da ihn die Philister griffen zu Gäth. -- Das bedeute
die schweigende Demut nach der Ansicht Kondrots, sagte der Doktor.

Nicht übel, antwortete Pastor Peternelle, nach Psalm 39: Ich will schweigen
und meinen Mund nicht auftun, denn ich bin beides, dein Pilgrim und dein
Bürger, wie alle meine Väter. Aber der Sinn ist doch ein andrer, er bedeutet:
"Ein köstliches Lied Davids nach der Melodie: Die schweigende Taube unter den
Fremden." Und mit der gefangnen schweigenden Taube ist vermutlich Israel gemeint.
Aber sagen Sie, Herr Doktor, haben wir mit unsrer exegetisch richtigen Auslegung
etwas Wertvolleres gewonnen als Kondrot, ja auch etwas Richtigeres? Die Taube
schweigt, nicht weil sie nicht reden kann, sondern weil sie sich in Demut unterwirft.
Das ist das Wunderbare am Worte Gottes, daß es jedem Antwort gibt auf das,
was er fragt. Wer nichts mitbringt an die Schrift, nimmt auch nichts heim.

Das würde heißen, die Schrift ist, wie manches Dichterwerk, ein Stimulans
für die eignen Gedanken des Lesenden. So meinte der Doktor, aber er sprach
nicht aus, was er dachte.

Ich will nicht bestreiten, fuhr Pastor Peteruelle fort, daß mit der Art, wie
man hier die Bibel liest, auch eine Gefahr verbunden ist. Sie führt zur Über¬
hebung. Ich habe selbst darunter zu leiden. Seitdem einmal einer Brehms Tier¬
leben auf meinem Schreibtische gesehen hat, hält man mich für einen Naturforscher
und nicht für völlig rechtgläubig. Bei jeder Predigt, die ich halte, sitzen ein paar
unter meinen Zuhörern und prüfen, ob sie auch das lautere Wort zu hören be¬
kommen statt den Befehl herauszuhören: Du bist der Mann, tue du Buße. Aber
ich wills gern tragen. Es ist mir lieber, Leute vor mir zu haben, die mich fragen,
als solchen zu predigen, die stumpf dabei sitzen und kaum hören.


Herrenmenschen

putieren über Fragen wie die, ob man auch für die Sünden Buße tun müsse, die
mau nicht getan hat. Das ist denn doch eine ungesunde Sache und zum mindesten
übergeistlich.

Woher wissen Sie das, Herr Doktor? fragte Pastor Peternelle überrascht.

Ich war dabei.

Sie Weltkind unter den Propheten? Aber wie kamen unsre Frommen darauf,
zu Streite», ob man für ungetane Sünden Buße tun müsse? Vermutlich meinten
sie solche, deren man sich nicht bewußt ist.

Kann sein, erwiderte der Doktor. Aber ich bitte Sie, das sind doch Haar¬
spaltereien.

Oder Feinheiten, antwortete der Pastor, für die manches moderne Auge die
Sehschärfe verloren hat. Die Frage läuft auf ein Kapitel Philosophie des Unbe¬
wußten hinaus. Ihr Hartmann hat, ohne selbst etwas Positives beizusteuern, die
Aufmerksamkeit auf die interessante Tatsache gelenkt, daß es auch unterhalb der
Schwelle des Bewußtseins ein Seelenleben gibt, Aktionen, Tatsachen, Werte, die
das, was mit Bewußtsein geschieht, tief beeinflussen. Hier ist viel Raum, sowohl
für den heiligen Geist wie auch für den Teufel, hier liegen die Wurzeln des Besten
und des Bösesten im Menschen. Hier liegt alles das, was aus der Welt des Be¬
wußten in die Vergessenheit zurückgesunken, und was doch eine Schuld geblieben
ist. Hier sitzt der Keimpunkt des Willens, hier wird das Erkannte zum Begehrten.
Das ist es, was der Apostel meint, wenn er sagt: Ich bin mir Wohl nichts be¬
wußt, aber ich bin darum nicht gerechtfertigt. Sagen Sie, Herr Doktor, ist es
nicht ein feiner Kopf, dieser Paulus?

Der Doktor, dem als modernem Denker mehr daran gelegen war, Schlag¬
worte zu bilden, als fein zu denken, hatte in der Tat nicht recht verstanden, was
Pastor Peternelle meinte, scheute sich aber zu fragen und lenkte ab, indem er fragte:
Was heißt denn das: die schweigende Taube in der Fremde?

Der Pastor war über die Frage erstaunt und wußte nicht sogleich Antwort
zu geben. Wo denn das vorkomme? fragte er. Im 56. Psalm. — Man schlug
also diesen Psalm auf und las: Ein gülden Kleinod Davids von der stummen
Taube unter den Fremden, da ihn die Philister griffen zu Gäth. — Das bedeute
die schweigende Demut nach der Ansicht Kondrots, sagte der Doktor.

Nicht übel, antwortete Pastor Peternelle, nach Psalm 39: Ich will schweigen
und meinen Mund nicht auftun, denn ich bin beides, dein Pilgrim und dein
Bürger, wie alle meine Väter. Aber der Sinn ist doch ein andrer, er bedeutet:
„Ein köstliches Lied Davids nach der Melodie: Die schweigende Taube unter den
Fremden." Und mit der gefangnen schweigenden Taube ist vermutlich Israel gemeint.
Aber sagen Sie, Herr Doktor, haben wir mit unsrer exegetisch richtigen Auslegung
etwas Wertvolleres gewonnen als Kondrot, ja auch etwas Richtigeres? Die Taube
schweigt, nicht weil sie nicht reden kann, sondern weil sie sich in Demut unterwirft.
Das ist das Wunderbare am Worte Gottes, daß es jedem Antwort gibt auf das,
was er fragt. Wer nichts mitbringt an die Schrift, nimmt auch nichts heim.

Das würde heißen, die Schrift ist, wie manches Dichterwerk, ein Stimulans
für die eignen Gedanken des Lesenden. So meinte der Doktor, aber er sprach
nicht aus, was er dachte.

Ich will nicht bestreiten, fuhr Pastor Peteruelle fort, daß mit der Art, wie
man hier die Bibel liest, auch eine Gefahr verbunden ist. Sie führt zur Über¬
hebung. Ich habe selbst darunter zu leiden. Seitdem einmal einer Brehms Tier¬
leben auf meinem Schreibtische gesehen hat, hält man mich für einen Naturforscher
und nicht für völlig rechtgläubig. Bei jeder Predigt, die ich halte, sitzen ein paar
unter meinen Zuhörern und prüfen, ob sie auch das lautere Wort zu hören be¬
kommen statt den Befehl herauszuhören: Du bist der Mann, tue du Buße. Aber
ich wills gern tragen. Es ist mir lieber, Leute vor mir zu haben, die mich fragen,
als solchen zu predigen, die stumpf dabei sitzen und kaum hören.


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[0682] Herrenmenschen putieren über Fragen wie die, ob man auch für die Sünden Buße tun müsse, die mau nicht getan hat. Das ist denn doch eine ungesunde Sache und zum mindesten übergeistlich. Woher wissen Sie das, Herr Doktor? fragte Pastor Peternelle überrascht. Ich war dabei. Sie Weltkind unter den Propheten? Aber wie kamen unsre Frommen darauf, zu Streite», ob man für ungetane Sünden Buße tun müsse? Vermutlich meinten sie solche, deren man sich nicht bewußt ist. Kann sein, erwiderte der Doktor. Aber ich bitte Sie, das sind doch Haar¬ spaltereien. Oder Feinheiten, antwortete der Pastor, für die manches moderne Auge die Sehschärfe verloren hat. Die Frage läuft auf ein Kapitel Philosophie des Unbe¬ wußten hinaus. Ihr Hartmann hat, ohne selbst etwas Positives beizusteuern, die Aufmerksamkeit auf die interessante Tatsache gelenkt, daß es auch unterhalb der Schwelle des Bewußtseins ein Seelenleben gibt, Aktionen, Tatsachen, Werte, die das, was mit Bewußtsein geschieht, tief beeinflussen. Hier ist viel Raum, sowohl für den heiligen Geist wie auch für den Teufel, hier liegen die Wurzeln des Besten und des Bösesten im Menschen. Hier liegt alles das, was aus der Welt des Be¬ wußten in die Vergessenheit zurückgesunken, und was doch eine Schuld geblieben ist. Hier sitzt der Keimpunkt des Willens, hier wird das Erkannte zum Begehrten. Das ist es, was der Apostel meint, wenn er sagt: Ich bin mir Wohl nichts be¬ wußt, aber ich bin darum nicht gerechtfertigt. Sagen Sie, Herr Doktor, ist es nicht ein feiner Kopf, dieser Paulus? Der Doktor, dem als modernem Denker mehr daran gelegen war, Schlag¬ worte zu bilden, als fein zu denken, hatte in der Tat nicht recht verstanden, was Pastor Peternelle meinte, scheute sich aber zu fragen und lenkte ab, indem er fragte: Was heißt denn das: die schweigende Taube in der Fremde? Der Pastor war über die Frage erstaunt und wußte nicht sogleich Antwort zu geben. Wo denn das vorkomme? fragte er. Im 56. Psalm. — Man schlug also diesen Psalm auf und las: Ein gülden Kleinod Davids von der stummen Taube unter den Fremden, da ihn die Philister griffen zu Gäth. — Das bedeute die schweigende Demut nach der Ansicht Kondrots, sagte der Doktor. Nicht übel, antwortete Pastor Peternelle, nach Psalm 39: Ich will schweigen und meinen Mund nicht auftun, denn ich bin beides, dein Pilgrim und dein Bürger, wie alle meine Väter. Aber der Sinn ist doch ein andrer, er bedeutet: „Ein köstliches Lied Davids nach der Melodie: Die schweigende Taube unter den Fremden." Und mit der gefangnen schweigenden Taube ist vermutlich Israel gemeint. Aber sagen Sie, Herr Doktor, haben wir mit unsrer exegetisch richtigen Auslegung etwas Wertvolleres gewonnen als Kondrot, ja auch etwas Richtigeres? Die Taube schweigt, nicht weil sie nicht reden kann, sondern weil sie sich in Demut unterwirft. Das ist das Wunderbare am Worte Gottes, daß es jedem Antwort gibt auf das, was er fragt. Wer nichts mitbringt an die Schrift, nimmt auch nichts heim. Das würde heißen, die Schrift ist, wie manches Dichterwerk, ein Stimulans für die eignen Gedanken des Lesenden. So meinte der Doktor, aber er sprach nicht aus, was er dachte. Ich will nicht bestreiten, fuhr Pastor Peteruelle fort, daß mit der Art, wie man hier die Bibel liest, auch eine Gefahr verbunden ist. Sie führt zur Über¬ hebung. Ich habe selbst darunter zu leiden. Seitdem einmal einer Brehms Tier¬ leben auf meinem Schreibtische gesehen hat, hält man mich für einen Naturforscher und nicht für völlig rechtgläubig. Bei jeder Predigt, die ich halte, sitzen ein paar unter meinen Zuhörern und prüfen, ob sie auch das lautere Wort zu hören be¬ kommen statt den Befehl herauszuhören: Du bist der Mann, tue du Buße. Aber ich wills gern tragen. Es ist mir lieber, Leute vor mir zu haben, die mich fragen, als solchen zu predigen, die stumpf dabei sitzen und kaum hören.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/682>, abgerufen am 06.02.2025.