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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Aus König Wilhelms ersten Jahren
von Veto Kaemmel (Schluß)

i chon war damals der Grund zum "Konflikt" gelegt; er steigerte
sich im Winter 1861/62. Daß Hohenlohe hier unbedingt auf
der Seite des Königs stand und die Motive der Opposition zu
niedrig taxierte, lag in seiner dienstlichen Stellung wie in der
I Sache selbst. Es war wirklich ein Kampf zwischen der Krone
und dem Abgeordnetenhause um die höchste Macht im Staate; mit vollem
Recht hat einmal der König dabei an Karl den Ersten von England gedacht
(Bismarcks Gedanken und Erinnerungen I, 284 f.). Da aber das liberale
Ministerium der "neuen Ära" die Sache der Krone schlecht vertrat und von
seinen eignen Parteigenossen im Landtage heftig befehdet wurde, so verlor
der König allmählich alles Vertrauen zu ihm. Schon im Dezember 1859
hatte er den liberalen Kriegsminister von Bonin durch den hochkonservativcn
Albrecht von Roon ersetzt; im Oktober 1861 berief er an Stelle des Ministers
Alexander von Schleinitz, des eigentlichen Vertrauensmannes der Königin
August", den ebenso hochkonservativen Grafen von Bernstorff zur Leitung der
auswärtigen Politik. "Mit der ihm eignen Ruhe sagte er damals, er habe
es über drei Jahre mit den liberalen Ministern versucht, und diese hätten ge¬
zeigt, daß sie es nicht könnten." Als der Justizminister von Bernuth das in
der Kammer eingebrachte Ministerverantwortlichkeitsgesetz, das sie aus Ver¬
trauensmännern des Königs zu Mandataren des Parlaments gemacht haben
würde, dem König zur Annahme empfahl, wurde dieser, so erzählt Hohenlohe,
"ernstlich zornig," legte dem Ministerrate seinen eignen Entwurf vor und er¬
klärte dabei: "Hier haben Sie das Gesetz, wie ich es genehmige. Ein andres
genehmige ich nie" (S. 304). So entließ er fast alle liberalen Minister und
berief am 17. März 1862 das Ministerium Hohenlohe, das eine überwiegend
konservative Färbung trug. Das Abgeordnetenhaus war schon am 11. Mürz
aufgelöst worden, denn der liberale Finanzminister A. von der Heydt selbst
hatte betont, daß die Negierung nach der Verfassung das Recht habe, auch
wenn kein Budget rechtzeitig vereinbart würde, die einmal bewilligten Steuern


Grenzboten II 1905 81


Aus König Wilhelms ersten Jahren
von Veto Kaemmel (Schluß)

i chon war damals der Grund zum „Konflikt" gelegt; er steigerte
sich im Winter 1861/62. Daß Hohenlohe hier unbedingt auf
der Seite des Königs stand und die Motive der Opposition zu
niedrig taxierte, lag in seiner dienstlichen Stellung wie in der
I Sache selbst. Es war wirklich ein Kampf zwischen der Krone
und dem Abgeordnetenhause um die höchste Macht im Staate; mit vollem
Recht hat einmal der König dabei an Karl den Ersten von England gedacht
(Bismarcks Gedanken und Erinnerungen I, 284 f.). Da aber das liberale
Ministerium der „neuen Ära" die Sache der Krone schlecht vertrat und von
seinen eignen Parteigenossen im Landtage heftig befehdet wurde, so verlor
der König allmählich alles Vertrauen zu ihm. Schon im Dezember 1859
hatte er den liberalen Kriegsminister von Bonin durch den hochkonservativcn
Albrecht von Roon ersetzt; im Oktober 1861 berief er an Stelle des Ministers
Alexander von Schleinitz, des eigentlichen Vertrauensmannes der Königin
August«, den ebenso hochkonservativen Grafen von Bernstorff zur Leitung der
auswärtigen Politik. „Mit der ihm eignen Ruhe sagte er damals, er habe
es über drei Jahre mit den liberalen Ministern versucht, und diese hätten ge¬
zeigt, daß sie es nicht könnten." Als der Justizminister von Bernuth das in
der Kammer eingebrachte Ministerverantwortlichkeitsgesetz, das sie aus Ver¬
trauensmännern des Königs zu Mandataren des Parlaments gemacht haben
würde, dem König zur Annahme empfahl, wurde dieser, so erzählt Hohenlohe,
„ernstlich zornig," legte dem Ministerrate seinen eignen Entwurf vor und er¬
klärte dabei: „Hier haben Sie das Gesetz, wie ich es genehmige. Ein andres
genehmige ich nie" (S. 304). So entließ er fast alle liberalen Minister und
berief am 17. März 1862 das Ministerium Hohenlohe, das eine überwiegend
konservative Färbung trug. Das Abgeordnetenhaus war schon am 11. Mürz
aufgelöst worden, denn der liberale Finanzminister A. von der Heydt selbst
hatte betont, daß die Negierung nach der Verfassung das Recht habe, auch
wenn kein Budget rechtzeitig vereinbart würde, die einmal bewilligten Steuern


Grenzboten II 1905 81
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[0637] [Abbildung] Aus König Wilhelms ersten Jahren von Veto Kaemmel (Schluß) i chon war damals der Grund zum „Konflikt" gelegt; er steigerte sich im Winter 1861/62. Daß Hohenlohe hier unbedingt auf der Seite des Königs stand und die Motive der Opposition zu niedrig taxierte, lag in seiner dienstlichen Stellung wie in der I Sache selbst. Es war wirklich ein Kampf zwischen der Krone und dem Abgeordnetenhause um die höchste Macht im Staate; mit vollem Recht hat einmal der König dabei an Karl den Ersten von England gedacht (Bismarcks Gedanken und Erinnerungen I, 284 f.). Da aber das liberale Ministerium der „neuen Ära" die Sache der Krone schlecht vertrat und von seinen eignen Parteigenossen im Landtage heftig befehdet wurde, so verlor der König allmählich alles Vertrauen zu ihm. Schon im Dezember 1859 hatte er den liberalen Kriegsminister von Bonin durch den hochkonservativcn Albrecht von Roon ersetzt; im Oktober 1861 berief er an Stelle des Ministers Alexander von Schleinitz, des eigentlichen Vertrauensmannes der Königin August«, den ebenso hochkonservativen Grafen von Bernstorff zur Leitung der auswärtigen Politik. „Mit der ihm eignen Ruhe sagte er damals, er habe es über drei Jahre mit den liberalen Ministern versucht, und diese hätten ge¬ zeigt, daß sie es nicht könnten." Als der Justizminister von Bernuth das in der Kammer eingebrachte Ministerverantwortlichkeitsgesetz, das sie aus Ver¬ trauensmännern des Königs zu Mandataren des Parlaments gemacht haben würde, dem König zur Annahme empfahl, wurde dieser, so erzählt Hohenlohe, „ernstlich zornig," legte dem Ministerrate seinen eignen Entwurf vor und er¬ klärte dabei: „Hier haben Sie das Gesetz, wie ich es genehmige. Ein andres genehmige ich nie" (S. 304). So entließ er fast alle liberalen Minister und berief am 17. März 1862 das Ministerium Hohenlohe, das eine überwiegend konservative Färbung trug. Das Abgeordnetenhaus war schon am 11. Mürz aufgelöst worden, denn der liberale Finanzminister A. von der Heydt selbst hatte betont, daß die Negierung nach der Verfassung das Recht habe, auch wenn kein Budget rechtzeitig vereinbart würde, die einmal bewilligten Steuern Grenzboten II 1905 81

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/637>, abgerufen am 05.02.2025.