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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

daß Delcasse auf einem toten Strange fahrt. Um so gerechtfertigter ist die Hal¬
tung Deutschlands. Das französisch-englische Abkommen wegen Marokkos bedeutet
für uns weiter nichts, als daß England gegen die französische Ausbreitung in
Marokko nichts einzuwenden habe. Aber England hatte so wenig ein Recht,
Marokko zu verschenken, wie Frankreich ein Recht hat, aus der billigen englischen
Schenkung Ansprüche herzuleiten, die mit den vertragsmäßigen Rechten andrer
Nationen in Widerspruch stehn. Die Londoner Norning - ?ost hat in einem sehr
verständigen Artikel ausgeführt, daß von einer tatsächlichen Unterstützung des fran¬
zösischen Anspruchs durch England, falls dieser irgendwo auf Widerspruch stoße,
nicht die Rede sein könne. Großbritannien werde um so weniger an einen Kreuzzug
für Frankreichs Stellung in Marokko denken, als Frankreich selbst offenbar dazu
gar keine Neigung habe. Deutschland möge darum ruhig auf seinen Rechten in
Marokko bestehn, bis es von Frankreich deren volle Anerkennung oder einen an¬
nehmbaren Gegenwert, etwa ein Besatzungsrecht an einem Küstenpunkte, erhalten
habe. Hierin allerdings irrt die An>rang'-?ost> vollständig. Deutschland will in
Marokko keinen Fuß breit Land, sucht auch keineswegs dort ein zweites Kiautschou
zu etablieren, das ebenso wie der chinesische Platz an der Sonne jeder feindlichen
Flotte preisgegeben sein oder die Abwesenheit der deutschen Schlachtflotte von den
heimischen Küsten erheischen würde. Wir wollen in Marokko nichts weiter als
die offne Tür, für uns wie für alle andern Nationen, und befinden uns
mit diesem Verlangen in der besten Gesellschaft. Außerdem ist Frankreich weder
alö M-s noch as Kreta der Souverän von Marokko, kann also dort weder Gebiet
noch Besatzungsrechte abtreten, in einem Lande, dessen Herr zu sein es noch recht
weit entfernt ist.

Aber auch vom Sultan selbst würden wir solche Zugeständnisse weder ver¬
langen noch annehmen, da mit solchen doch früher oder später Konflikte mit der
muselmännischen Bevölkerung verbunden sein könnten, und es zum Beispiel für
einen Politiker wie Delcasse eine besonders erwünschte Aufgabe sein dürfte, den
Zorn der Marokkaner über das Eindringen der Fremden -- auf die Deutschen
abzulenken. In diese Verlegenheit wollen wir die französische Politik nicht bringen.
Aber auch wenn Marokko vollständig in französischen Händen wäre, könnte Frank¬
reich unsern Vertrag mit dem Sultan nicht ignorieren, sondern müßte ihn fortsetzen
oder die Zustimmung Deutschlands zu einer Abänderung zu erlangen suchen. Hierzu
kommt, daß Frankreich sich durch Artikel 11 des Frankfurter Friedens Deutschland
gegenüber verpflichtet hat, die beiderseitigen Handelsbeziehungen auf dem Fuße der
meistbegünstigten Nation einzurichten, wozu ausdrücklich "die Zulassung und die
Behandlung der Untertanen beider Nationen und ihrer Vertreter" gehört. Weiter
ist im Artikel 11 insbesondre die Gleichberechtigung, u. ni. die mit England und
Rußland, stipuliert. Herr Delcasse' hätte also der deutschen Regierung entweder
amtlich mitteilen müssen, daß Frankreich, das auf Grund eines Abkommens mit
England eine bevorrechtete Stellung in Marokko anstrebe, den deutsch-marokkanischen
Vertrag in allen Teilen respektieren werde, oder daß von einem zu verabredenden
Zeitpunkt ab, zum Beispiel den dreißig Jahren des französisch-englischen Vertrags,
der Artikel 11 des Frankfurter Friedens auch auf Marokko ausgedehnt werden
solle. Das wäre loyal gewesen. Ob Deutschland einen Wechsel auf so lange Sicht,
wie dreißig Jahre, in Zahlung nehmen würde, ist freilich wenig wahrscheinlich, und
zudem, wer bürgt dafür, daß uach dreißig Jahre" noch ein Franzose in Marokko
ist! Halten wir uns also einstweilen an den souveränen Sultan und an unsern
Vertrag mit diesem! Kommt der Sultan oder sein Nachfolger wirklich eines Tags
in die Lage, uns den Vertrag nicht mehr erfüllen zu können, d. h. tritt Frankreich
tatsächlich an seine Stelle -- dann damit anch der Artikel 11 des Frankfurter
Friedens, der uns zum mindesten die Gleichberechtigung mit England sichert. Einst¬
weilen aber hoffen wir, daß Delcasse über das Fell des marokkanischen Löwen
nicht eher verfügt, als bis er ihn wirklich erlegt hat. Die vom Kaiser an den


Maßgebliches und Unmaßgebliches

daß Delcasse auf einem toten Strange fahrt. Um so gerechtfertigter ist die Hal¬
tung Deutschlands. Das französisch-englische Abkommen wegen Marokkos bedeutet
für uns weiter nichts, als daß England gegen die französische Ausbreitung in
Marokko nichts einzuwenden habe. Aber England hatte so wenig ein Recht,
Marokko zu verschenken, wie Frankreich ein Recht hat, aus der billigen englischen
Schenkung Ansprüche herzuleiten, die mit den vertragsmäßigen Rechten andrer
Nationen in Widerspruch stehn. Die Londoner Norning - ?ost hat in einem sehr
verständigen Artikel ausgeführt, daß von einer tatsächlichen Unterstützung des fran¬
zösischen Anspruchs durch England, falls dieser irgendwo auf Widerspruch stoße,
nicht die Rede sein könne. Großbritannien werde um so weniger an einen Kreuzzug
für Frankreichs Stellung in Marokko denken, als Frankreich selbst offenbar dazu
gar keine Neigung habe. Deutschland möge darum ruhig auf seinen Rechten in
Marokko bestehn, bis es von Frankreich deren volle Anerkennung oder einen an¬
nehmbaren Gegenwert, etwa ein Besatzungsrecht an einem Küstenpunkte, erhalten
habe. Hierin allerdings irrt die An>rang'-?ost> vollständig. Deutschland will in
Marokko keinen Fuß breit Land, sucht auch keineswegs dort ein zweites Kiautschou
zu etablieren, das ebenso wie der chinesische Platz an der Sonne jeder feindlichen
Flotte preisgegeben sein oder die Abwesenheit der deutschen Schlachtflotte von den
heimischen Küsten erheischen würde. Wir wollen in Marokko nichts weiter als
die offne Tür, für uns wie für alle andern Nationen, und befinden uns
mit diesem Verlangen in der besten Gesellschaft. Außerdem ist Frankreich weder
alö M-s noch as Kreta der Souverän von Marokko, kann also dort weder Gebiet
noch Besatzungsrechte abtreten, in einem Lande, dessen Herr zu sein es noch recht
weit entfernt ist.

Aber auch vom Sultan selbst würden wir solche Zugeständnisse weder ver¬
langen noch annehmen, da mit solchen doch früher oder später Konflikte mit der
muselmännischen Bevölkerung verbunden sein könnten, und es zum Beispiel für
einen Politiker wie Delcasse eine besonders erwünschte Aufgabe sein dürfte, den
Zorn der Marokkaner über das Eindringen der Fremden — auf die Deutschen
abzulenken. In diese Verlegenheit wollen wir die französische Politik nicht bringen.
Aber auch wenn Marokko vollständig in französischen Händen wäre, könnte Frank¬
reich unsern Vertrag mit dem Sultan nicht ignorieren, sondern müßte ihn fortsetzen
oder die Zustimmung Deutschlands zu einer Abänderung zu erlangen suchen. Hierzu
kommt, daß Frankreich sich durch Artikel 11 des Frankfurter Friedens Deutschland
gegenüber verpflichtet hat, die beiderseitigen Handelsbeziehungen auf dem Fuße der
meistbegünstigten Nation einzurichten, wozu ausdrücklich „die Zulassung und die
Behandlung der Untertanen beider Nationen und ihrer Vertreter" gehört. Weiter
ist im Artikel 11 insbesondre die Gleichberechtigung, u. ni. die mit England und
Rußland, stipuliert. Herr Delcasse' hätte also der deutschen Regierung entweder
amtlich mitteilen müssen, daß Frankreich, das auf Grund eines Abkommens mit
England eine bevorrechtete Stellung in Marokko anstrebe, den deutsch-marokkanischen
Vertrag in allen Teilen respektieren werde, oder daß von einem zu verabredenden
Zeitpunkt ab, zum Beispiel den dreißig Jahren des französisch-englischen Vertrags,
der Artikel 11 des Frankfurter Friedens auch auf Marokko ausgedehnt werden
solle. Das wäre loyal gewesen. Ob Deutschland einen Wechsel auf so lange Sicht,
wie dreißig Jahre, in Zahlung nehmen würde, ist freilich wenig wahrscheinlich, und
zudem, wer bürgt dafür, daß uach dreißig Jahre» noch ein Franzose in Marokko
ist! Halten wir uns also einstweilen an den souveränen Sultan und an unsern
Vertrag mit diesem! Kommt der Sultan oder sein Nachfolger wirklich eines Tags
in die Lage, uns den Vertrag nicht mehr erfüllen zu können, d. h. tritt Frankreich
tatsächlich an seine Stelle — dann damit anch der Artikel 11 des Frankfurter
Friedens, der uns zum mindesten die Gleichberechtigung mit England sichert. Einst¬
weilen aber hoffen wir, daß Delcasse über das Fell des marokkanischen Löwen
nicht eher verfügt, als bis er ihn wirklich erlegt hat. Die vom Kaiser an den


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[0062] Maßgebliches und Unmaßgebliches daß Delcasse auf einem toten Strange fahrt. Um so gerechtfertigter ist die Hal¬ tung Deutschlands. Das französisch-englische Abkommen wegen Marokkos bedeutet für uns weiter nichts, als daß England gegen die französische Ausbreitung in Marokko nichts einzuwenden habe. Aber England hatte so wenig ein Recht, Marokko zu verschenken, wie Frankreich ein Recht hat, aus der billigen englischen Schenkung Ansprüche herzuleiten, die mit den vertragsmäßigen Rechten andrer Nationen in Widerspruch stehn. Die Londoner Norning - ?ost hat in einem sehr verständigen Artikel ausgeführt, daß von einer tatsächlichen Unterstützung des fran¬ zösischen Anspruchs durch England, falls dieser irgendwo auf Widerspruch stoße, nicht die Rede sein könne. Großbritannien werde um so weniger an einen Kreuzzug für Frankreichs Stellung in Marokko denken, als Frankreich selbst offenbar dazu gar keine Neigung habe. Deutschland möge darum ruhig auf seinen Rechten in Marokko bestehn, bis es von Frankreich deren volle Anerkennung oder einen an¬ nehmbaren Gegenwert, etwa ein Besatzungsrecht an einem Küstenpunkte, erhalten habe. Hierin allerdings irrt die An>rang'-?ost> vollständig. Deutschland will in Marokko keinen Fuß breit Land, sucht auch keineswegs dort ein zweites Kiautschou zu etablieren, das ebenso wie der chinesische Platz an der Sonne jeder feindlichen Flotte preisgegeben sein oder die Abwesenheit der deutschen Schlachtflotte von den heimischen Küsten erheischen würde. Wir wollen in Marokko nichts weiter als die offne Tür, für uns wie für alle andern Nationen, und befinden uns mit diesem Verlangen in der besten Gesellschaft. Außerdem ist Frankreich weder alö M-s noch as Kreta der Souverän von Marokko, kann also dort weder Gebiet noch Besatzungsrechte abtreten, in einem Lande, dessen Herr zu sein es noch recht weit entfernt ist. Aber auch vom Sultan selbst würden wir solche Zugeständnisse weder ver¬ langen noch annehmen, da mit solchen doch früher oder später Konflikte mit der muselmännischen Bevölkerung verbunden sein könnten, und es zum Beispiel für einen Politiker wie Delcasse eine besonders erwünschte Aufgabe sein dürfte, den Zorn der Marokkaner über das Eindringen der Fremden — auf die Deutschen abzulenken. In diese Verlegenheit wollen wir die französische Politik nicht bringen. Aber auch wenn Marokko vollständig in französischen Händen wäre, könnte Frank¬ reich unsern Vertrag mit dem Sultan nicht ignorieren, sondern müßte ihn fortsetzen oder die Zustimmung Deutschlands zu einer Abänderung zu erlangen suchen. Hierzu kommt, daß Frankreich sich durch Artikel 11 des Frankfurter Friedens Deutschland gegenüber verpflichtet hat, die beiderseitigen Handelsbeziehungen auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation einzurichten, wozu ausdrücklich „die Zulassung und die Behandlung der Untertanen beider Nationen und ihrer Vertreter" gehört. Weiter ist im Artikel 11 insbesondre die Gleichberechtigung, u. ni. die mit England und Rußland, stipuliert. Herr Delcasse' hätte also der deutschen Regierung entweder amtlich mitteilen müssen, daß Frankreich, das auf Grund eines Abkommens mit England eine bevorrechtete Stellung in Marokko anstrebe, den deutsch-marokkanischen Vertrag in allen Teilen respektieren werde, oder daß von einem zu verabredenden Zeitpunkt ab, zum Beispiel den dreißig Jahren des französisch-englischen Vertrags, der Artikel 11 des Frankfurter Friedens auch auf Marokko ausgedehnt werden solle. Das wäre loyal gewesen. Ob Deutschland einen Wechsel auf so lange Sicht, wie dreißig Jahre, in Zahlung nehmen würde, ist freilich wenig wahrscheinlich, und zudem, wer bürgt dafür, daß uach dreißig Jahre» noch ein Franzose in Marokko ist! Halten wir uns also einstweilen an den souveränen Sultan und an unsern Vertrag mit diesem! Kommt der Sultan oder sein Nachfolger wirklich eines Tags in die Lage, uns den Vertrag nicht mehr erfüllen zu können, d. h. tritt Frankreich tatsächlich an seine Stelle — dann damit anch der Artikel 11 des Frankfurter Friedens, der uns zum mindesten die Gleichberechtigung mit England sichert. Einst¬ weilen aber hoffen wir, daß Delcasse über das Fell des marokkanischen Löwen nicht eher verfügt, als bis er ihn wirklich erlegt hat. Die vom Kaiser an den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/62>, abgerufen am 05.02.2025.