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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Meißen

sind in die jetzige Freimaurerloge eingebaut), das zugleich die Zollstätte für die
Hebung des im Jahre 983 dem Bischof vom Kaiser Otto dem Zweiten verliehenen
Elbzolls enthielt. So waren also bis zum Jahre 1000 der ursprünglichen kaiser¬
lichen Grenzburg drei wertvolle Glieder angewachsen: die curis. marebicmis, die
ouria "zxiseovi und das sudurdium samt der Wasserburg.

Als um 1050 Kaiser Heinrich der Dritte die Organisation der Mark dadurch
vervollständigte, daß er für Meißen, Dohna, Leisnig und Dohm (bei Grimma) be¬
sondre Burggrafen als kaiserliche Beamte einsetzte, Distriktsbeamte, die neben den
Markgrafen, etwa wie im alten Rom die Prätoren neben den Konsuln, gewisse
militärische und richterliche Funktionen ausübten, so brachte das auf den, Schlo߬
berge keine räumliche Änderung hervor: der kaiserliche Burggraf bezog einfach die
schon vorhandne kaiserliche Burg. Wohl aber entstanden daraus später rechtliche
Schwierigkeiten, da die Markgrafen, je mehr sie im zwölften und im dreizehnten
Jahrhundert ihre bloße Beamtenstellung in eine Landeshoheit zu verwandeln ver¬
mochten, um so mehr darauf bedacht waren, die kaiserlichen Burggrafen zu ihren
Lehnsleuten zu machen. Schon im Jahre 1150 erscheint Burggraf Hermann als
üäölissiwus des Markgrafen Konrad des Ersten, später andre als Vertreter der
Markgrafen bei Gerichtsprozessen vor dem Landdinge.

Ein fünftes wichtiges Glied des heutigen Meißen erwuchs seit 1205 in der
afranischen Freiheit, dem Gebiete des 1205 gegründeten, aus einer schon lange
zuvor bestehenden Kirche der heiligen Afra hervorgegcmgnen Augustinerchorherrnstifts
Se. Afra. Der "Hohlweg" schied die afrcmische Freiheit von der Freiheit des
Burggrafen.

Weit wichtiger aber war das sechste Glied: die eigentliche Stadt Meißen.
Über ihre Entstehung ist man nur in einigen negativen Ansichten einig, nämlich
daß sie weder eine kaiserliche noch eine bischöfliche Gründung war, noch aus dem
alten Suburbium hervorgewachsen ist. Im übrigen tobt der Streit der Meinungen
hin und her. Nach meiner Ansicht war der Hergang etwa folgender. Als mit
dem Markgrafen Konrad dem Ersten (1123 bis 1156) friedlichere Zeiten kamen,
und die Kolonisation rasch fortschritt, genügte der alte "Jahrmarkt" des Burg¬
vororts nicht mehr für den Handelsverkehr der Insassen mit der deutsch werdenden,
wirtschaftlich aufblühenden Landschaft. Deshalb vereinigten sich die auf dem Burg¬
berge und im Suburbium maßgebenden weltlichen Gewalten, also der Markgraf
und der Burggraf, und legten in der Mitte zwischen dem Burgberge und der
Triebisch, doch des Hochwassers wegen möglichst weit von der Elbe, also zu Füßen
des Afraberges einen fast quadratischen Markt an und ließen ihn mit Häusern
umbauen. Diese neue Siedlung erscheint unter dem bezeichnenden Namen Forum
im Jahre 1205 in den Urkunden, sie muß aber noch einige Jahre oder Jahr¬
zehnte älter sein, weil 1205 schon die an der Westseite stehende Stadt- oder
Frauenkirche (ca-xsllg. s. Ug,rav toronsis) vorhanden ist. Allmählich verbinden
Straßen dieses Forum mit der Burg (Burgstraße), dem Burgvorort und der Elbe
(Elbgasse und Leipziger Straße). Die Unregelmäßigkeit dieser Straßen deutet auf
ein allmähliches Wachstum der neuen Stadt, nicht auf einen von vornherein fest¬
stehenden (ostdeutschen) Bebauungsplan. Im Jahre 1221 ist schon das den Armen,
wohl aber auch deu Kaufleuten und den Schiffern dienende Laurentiusspital vor¬
handen, 1256 erscheint die Stadt (univeiÄtas ourssonsium Nisnensium) in fertiger
Ummauerung, und 1270 ist schon ein neues -- das siebente Glied -- an die
ganze Meißner Siedlung angewachsen: die Neumarktgemeinde, d. i. die Judenvor¬
stadt jenseits der Triebisch. Meißen ist von Hans aus keine rein markgräfliche
Stadt gewesen, sondern wie in den militärischen und ritterlichen Befugnissen der
Landschaft neben dem Markgrafen mit einem engern Amtsdistrikt der Burggraf
steht, so ist dieser sicher auch bei der Gründung der Stadt mit beteiligt. Meißen
ist also eine markgräfliche und burggräfliche Stadt zugleich. Nur unter dieser An¬
nahme verstehn wir, daß der Burggraf, wie in seinem ganzen Distrikte, so auch in


Meißen

sind in die jetzige Freimaurerloge eingebaut), das zugleich die Zollstätte für die
Hebung des im Jahre 983 dem Bischof vom Kaiser Otto dem Zweiten verliehenen
Elbzolls enthielt. So waren also bis zum Jahre 1000 der ursprünglichen kaiser¬
lichen Grenzburg drei wertvolle Glieder angewachsen: die curis. marebicmis, die
ouria «zxiseovi und das sudurdium samt der Wasserburg.

Als um 1050 Kaiser Heinrich der Dritte die Organisation der Mark dadurch
vervollständigte, daß er für Meißen, Dohna, Leisnig und Dohm (bei Grimma) be¬
sondre Burggrafen als kaiserliche Beamte einsetzte, Distriktsbeamte, die neben den
Markgrafen, etwa wie im alten Rom die Prätoren neben den Konsuln, gewisse
militärische und richterliche Funktionen ausübten, so brachte das auf den, Schlo߬
berge keine räumliche Änderung hervor: der kaiserliche Burggraf bezog einfach die
schon vorhandne kaiserliche Burg. Wohl aber entstanden daraus später rechtliche
Schwierigkeiten, da die Markgrafen, je mehr sie im zwölften und im dreizehnten
Jahrhundert ihre bloße Beamtenstellung in eine Landeshoheit zu verwandeln ver¬
mochten, um so mehr darauf bedacht waren, die kaiserlichen Burggrafen zu ihren
Lehnsleuten zu machen. Schon im Jahre 1150 erscheint Burggraf Hermann als
üäölissiwus des Markgrafen Konrad des Ersten, später andre als Vertreter der
Markgrafen bei Gerichtsprozessen vor dem Landdinge.

Ein fünftes wichtiges Glied des heutigen Meißen erwuchs seit 1205 in der
afranischen Freiheit, dem Gebiete des 1205 gegründeten, aus einer schon lange
zuvor bestehenden Kirche der heiligen Afra hervorgegcmgnen Augustinerchorherrnstifts
Se. Afra. Der „Hohlweg" schied die afrcmische Freiheit von der Freiheit des
Burggrafen.

Weit wichtiger aber war das sechste Glied: die eigentliche Stadt Meißen.
Über ihre Entstehung ist man nur in einigen negativen Ansichten einig, nämlich
daß sie weder eine kaiserliche noch eine bischöfliche Gründung war, noch aus dem
alten Suburbium hervorgewachsen ist. Im übrigen tobt der Streit der Meinungen
hin und her. Nach meiner Ansicht war der Hergang etwa folgender. Als mit
dem Markgrafen Konrad dem Ersten (1123 bis 1156) friedlichere Zeiten kamen,
und die Kolonisation rasch fortschritt, genügte der alte „Jahrmarkt" des Burg¬
vororts nicht mehr für den Handelsverkehr der Insassen mit der deutsch werdenden,
wirtschaftlich aufblühenden Landschaft. Deshalb vereinigten sich die auf dem Burg¬
berge und im Suburbium maßgebenden weltlichen Gewalten, also der Markgraf
und der Burggraf, und legten in der Mitte zwischen dem Burgberge und der
Triebisch, doch des Hochwassers wegen möglichst weit von der Elbe, also zu Füßen
des Afraberges einen fast quadratischen Markt an und ließen ihn mit Häusern
umbauen. Diese neue Siedlung erscheint unter dem bezeichnenden Namen Forum
im Jahre 1205 in den Urkunden, sie muß aber noch einige Jahre oder Jahr¬
zehnte älter sein, weil 1205 schon die an der Westseite stehende Stadt- oder
Frauenkirche (ca-xsllg. s. Ug,rav toronsis) vorhanden ist. Allmählich verbinden
Straßen dieses Forum mit der Burg (Burgstraße), dem Burgvorort und der Elbe
(Elbgasse und Leipziger Straße). Die Unregelmäßigkeit dieser Straßen deutet auf
ein allmähliches Wachstum der neuen Stadt, nicht auf einen von vornherein fest¬
stehenden (ostdeutschen) Bebauungsplan. Im Jahre 1221 ist schon das den Armen,
wohl aber auch deu Kaufleuten und den Schiffern dienende Laurentiusspital vor¬
handen, 1256 erscheint die Stadt (univeiÄtas ourssonsium Nisnensium) in fertiger
Ummauerung, und 1270 ist schon ein neues — das siebente Glied — an die
ganze Meißner Siedlung angewachsen: die Neumarktgemeinde, d. i. die Judenvor¬
stadt jenseits der Triebisch. Meißen ist von Hans aus keine rein markgräfliche
Stadt gewesen, sondern wie in den militärischen und ritterlichen Befugnissen der
Landschaft neben dem Markgrafen mit einem engern Amtsdistrikt der Burggraf
steht, so ist dieser sicher auch bei der Gründung der Stadt mit beteiligt. Meißen
ist also eine markgräfliche und burggräfliche Stadt zugleich. Nur unter dieser An¬
nahme verstehn wir, daß der Burggraf, wie in seinem ganzen Distrikte, so auch in


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[0616] Meißen sind in die jetzige Freimaurerloge eingebaut), das zugleich die Zollstätte für die Hebung des im Jahre 983 dem Bischof vom Kaiser Otto dem Zweiten verliehenen Elbzolls enthielt. So waren also bis zum Jahre 1000 der ursprünglichen kaiser¬ lichen Grenzburg drei wertvolle Glieder angewachsen: die curis. marebicmis, die ouria «zxiseovi und das sudurdium samt der Wasserburg. Als um 1050 Kaiser Heinrich der Dritte die Organisation der Mark dadurch vervollständigte, daß er für Meißen, Dohna, Leisnig und Dohm (bei Grimma) be¬ sondre Burggrafen als kaiserliche Beamte einsetzte, Distriktsbeamte, die neben den Markgrafen, etwa wie im alten Rom die Prätoren neben den Konsuln, gewisse militärische und richterliche Funktionen ausübten, so brachte das auf den, Schlo߬ berge keine räumliche Änderung hervor: der kaiserliche Burggraf bezog einfach die schon vorhandne kaiserliche Burg. Wohl aber entstanden daraus später rechtliche Schwierigkeiten, da die Markgrafen, je mehr sie im zwölften und im dreizehnten Jahrhundert ihre bloße Beamtenstellung in eine Landeshoheit zu verwandeln ver¬ mochten, um so mehr darauf bedacht waren, die kaiserlichen Burggrafen zu ihren Lehnsleuten zu machen. Schon im Jahre 1150 erscheint Burggraf Hermann als üäölissiwus des Markgrafen Konrad des Ersten, später andre als Vertreter der Markgrafen bei Gerichtsprozessen vor dem Landdinge. Ein fünftes wichtiges Glied des heutigen Meißen erwuchs seit 1205 in der afranischen Freiheit, dem Gebiete des 1205 gegründeten, aus einer schon lange zuvor bestehenden Kirche der heiligen Afra hervorgegcmgnen Augustinerchorherrnstifts Se. Afra. Der „Hohlweg" schied die afrcmische Freiheit von der Freiheit des Burggrafen. Weit wichtiger aber war das sechste Glied: die eigentliche Stadt Meißen. Über ihre Entstehung ist man nur in einigen negativen Ansichten einig, nämlich daß sie weder eine kaiserliche noch eine bischöfliche Gründung war, noch aus dem alten Suburbium hervorgewachsen ist. Im übrigen tobt der Streit der Meinungen hin und her. Nach meiner Ansicht war der Hergang etwa folgender. Als mit dem Markgrafen Konrad dem Ersten (1123 bis 1156) friedlichere Zeiten kamen, und die Kolonisation rasch fortschritt, genügte der alte „Jahrmarkt" des Burg¬ vororts nicht mehr für den Handelsverkehr der Insassen mit der deutsch werdenden, wirtschaftlich aufblühenden Landschaft. Deshalb vereinigten sich die auf dem Burg¬ berge und im Suburbium maßgebenden weltlichen Gewalten, also der Markgraf und der Burggraf, und legten in der Mitte zwischen dem Burgberge und der Triebisch, doch des Hochwassers wegen möglichst weit von der Elbe, also zu Füßen des Afraberges einen fast quadratischen Markt an und ließen ihn mit Häusern umbauen. Diese neue Siedlung erscheint unter dem bezeichnenden Namen Forum im Jahre 1205 in den Urkunden, sie muß aber noch einige Jahre oder Jahr¬ zehnte älter sein, weil 1205 schon die an der Westseite stehende Stadt- oder Frauenkirche (ca-xsllg. s. Ug,rav toronsis) vorhanden ist. Allmählich verbinden Straßen dieses Forum mit der Burg (Burgstraße), dem Burgvorort und der Elbe (Elbgasse und Leipziger Straße). Die Unregelmäßigkeit dieser Straßen deutet auf ein allmähliches Wachstum der neuen Stadt, nicht auf einen von vornherein fest¬ stehenden (ostdeutschen) Bebauungsplan. Im Jahre 1221 ist schon das den Armen, wohl aber auch deu Kaufleuten und den Schiffern dienende Laurentiusspital vor¬ handen, 1256 erscheint die Stadt (univeiÄtas ourssonsium Nisnensium) in fertiger Ummauerung, und 1270 ist schon ein neues — das siebente Glied — an die ganze Meißner Siedlung angewachsen: die Neumarktgemeinde, d. i. die Judenvor¬ stadt jenseits der Triebisch. Meißen ist von Hans aus keine rein markgräfliche Stadt gewesen, sondern wie in den militärischen und ritterlichen Befugnissen der Landschaft neben dem Markgrafen mit einem engern Amtsdistrikt der Burggraf steht, so ist dieser sicher auch bei der Gründung der Stadt mit beteiligt. Meißen ist also eine markgräfliche und burggräfliche Stadt zugleich. Nur unter dieser An¬ nahme verstehn wir, daß der Burggraf, wie in seinem ganzen Distrikte, so auch in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/616>, abgerufen am 06.02.2025.