Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Meißen der deutschen Entwicklung genannt, und er hat Recht damit. Die folgenden Seiten Glücklicherweise steht am Anfang der Geschichte Meißens eine durchaus klare Hier ist jedes Wort eine Offenbarung, an der man nicht, wie es häufig ge¬ Nach dem Tode des gewaltigen Slawensiegers Gero (gestorben 965) sah sich Auch das subuMum war mindestens dnrch Palisaden verschanzt. Es hatte Meißen der deutschen Entwicklung genannt, und er hat Recht damit. Die folgenden Seiten Glücklicherweise steht am Anfang der Geschichte Meißens eine durchaus klare Hier ist jedes Wort eine Offenbarung, an der man nicht, wie es häufig ge¬ Nach dem Tode des gewaltigen Slawensiegers Gero (gestorben 965) sah sich Auch das subuMum war mindestens dnrch Palisaden verschanzt. Es hatte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0615" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296994"/> <fw type="header" place="top"> Meißen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2810" prev="#ID_2809"> der deutschen Entwicklung genannt, und er hat Recht damit. Die folgenden Seiten<lb/> werden hoffentlich den Beweis dafür liefern, wenn sie auch natürlich nichts sein<lb/> können als ein ärmlicher Ausschnitt aus einer unermeßlichen Fülle des Stoffes.</p><lb/> <p xml:id="ID_2811"> Glücklicherweise steht am Anfang der Geschichte Meißens eine durchaus klare<lb/> Angabe des Bischofs Thietmar von Merseburg (gestorben 1018), der Meißen aus<lb/> eigner Anschauung kannte: „König Heinrich rötete einen an der Elbe liegenden,<lb/> damals (928) mit dichtem Walde bedeckten Berg, baute dort eine Burg, gab dieser<lb/> von einem um ihrer Nordseite vorbeifließenden Bache den Namen Misni (— Meißen)<lb/> und schützte sie, wie es noch heute zu geschehen pflegt, durch Besatzung und Be¬<lb/> festigungen. "</p><lb/> <p xml:id="ID_2812"> Hier ist jedes Wort eine Offenbarung, an der man nicht, wie es häufig ge¬<lb/> schieht, drehen und deuteln soll. Natürlich wurde die ganze Plattform des Berges,<lb/> das ganze va-struw Uisuönso mit einer Befestigungslinie umgeben, die eigentliche<lb/> Burg aber wurde da errichtet, wo der von Süden (von der Burggnsse her) heraus¬<lb/> geführte Weg das Plateau erreichte, also etwa an der Stelle des heutigen Burg¬<lb/> kellers. Es war nicht leicht, hinaufzukommen. Denn nach Passierung des ersten<lb/> Tores (am Burglehn) kam man an die tiefe Schlucht, die den spätern Afraberg<lb/> vom Schlvßberge trennte. Sie wurde zunächst nur mit einer Bohlenbrücke über¬<lb/> spannt, dann folgte das zweite Tor mit Zugbrücke da, wo jetzt wieder ein mit dem<lb/> heiligen Georg (Mosaikbild) geschmückter moderner Torbau steht. Dahinter begann<lb/> die Vorburg, nach dem Meisatal zu durch einen Wehrgang gedeckt, von der eigent¬<lb/> lichen Burg durch eine Mauer geschieden; in dieser war ein jetzt verschwnndnes<lb/> drittes Tor. An den drei oder vier Ecken des birnenförmigen Gebildes, dessen<lb/> gekrümmter Stiel der Aufgang war, standen gewaltige Steintürme, von denen noch<lb/> der südöstliche, der sogenannte Bischofstnrm übrig ist, in der Mitte des Ganzen<lb/> ragte der „rote Turin," die Stelle des kaiserlichen, später markgräflichen Gerichts.<lb/> Es gab zunächst weder ständige Burggrafen noch Markgrafen, sondern abwechselnd<lb/> waren gewaltige Necken des westlicher wohnenden Sachsenadels mit der Hütung<lb/> der Grenzfeste betraut, die als das erste Bollwerk deutscher Herrschaft an der obern<lb/> Elbe über die von zinspflichtigen Slawen bewohnte Landschaft der „Lommatzscher<lb/> Pflege" den schützenden Arm hielt und weithin in die dunkeln Wälder des rechten<lb/> Elbnfers hineinleuchtete.</p><lb/> <p xml:id="ID_2813"> Nach dem Tode des gewaltigen Slawensiegers Gero (gestorben 965) sah sich<lb/> Kaiser Otto genötigt, das Slawenland in einzelne Marken aufzulösen und mit Hilfe<lb/> der Kirche neu zu organisieren. So wurde auch über die Gaue Nisani und Dala-<lb/> minzi ein besondrer Markgraf als höchster militärischer und richterlicher Beamter<lb/> des Kaisers eingesetzt, der sich von der ältesten und wichtigsten Burg des Landes<lb/> Markgraf von Meißen nannte; ihm trat im Jahre 968 ein Bischof von Meißen<lb/> für die Christianisierung und den kirchlichen Ausbau des Landes zur Seite. Diese<lb/> Organisation prägte sich auch auf dem Meißner Burgberg aus: der noch unbebaute<lb/> Raum, das Breitstück der Birne, wurde durch eine von Westen nach Osten laufende<lb/> Mittellinie geteilt; links entstand die cmrig. marebioiris, rechts der romanische Dom<lb/> und die curis, des Bischofs; an beide Teilstücke schlössen sich an den Abhängen des<lb/> Berges größere „Pertinentien" an, die Schloßfreiheit und die Domfreiheit, und<lb/> unter am Ostabhange des Berges zwischen Fels und Strom bildete sich ein Bnrg-<lb/> vorort (izuburdium), worin die Vethenici, die slawischen Burgverteidiger wohnten,<lb/> neben ihnen aber auch schon einige Handwerker und Händler, die ein gewisses<lb/> Marktrecht für den Verkehr mit deu nun zahlreichern Insassen der Burg bekamen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2814" next="#ID_2815"> Auch das subuMum war mindestens dnrch Palisaden verschanzt. Es hatte<lb/> die Form eines slawischen Rundlings, dessen Anger und Teich wohl an der Stelle<lb/> des jetzigen Gewcmdhanses lag. Der Theaterplatz (im Volksmunde noch „Jahr¬<lb/> markt" genannt) mit seinem südlichen und nördlichen Ausgange läßt die Gestalt<lb/> und deu Umfang dieses Rundlings noch erkennen; er endete nach Norden zu in<lb/> einer Wasserburg (aauatiemn oastrmu, Reste davon, zum Beispiel die Jakobskapelle,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0615]
Meißen
der deutschen Entwicklung genannt, und er hat Recht damit. Die folgenden Seiten
werden hoffentlich den Beweis dafür liefern, wenn sie auch natürlich nichts sein
können als ein ärmlicher Ausschnitt aus einer unermeßlichen Fülle des Stoffes.
Glücklicherweise steht am Anfang der Geschichte Meißens eine durchaus klare
Angabe des Bischofs Thietmar von Merseburg (gestorben 1018), der Meißen aus
eigner Anschauung kannte: „König Heinrich rötete einen an der Elbe liegenden,
damals (928) mit dichtem Walde bedeckten Berg, baute dort eine Burg, gab dieser
von einem um ihrer Nordseite vorbeifließenden Bache den Namen Misni (— Meißen)
und schützte sie, wie es noch heute zu geschehen pflegt, durch Besatzung und Be¬
festigungen. "
Hier ist jedes Wort eine Offenbarung, an der man nicht, wie es häufig ge¬
schieht, drehen und deuteln soll. Natürlich wurde die ganze Plattform des Berges,
das ganze va-struw Uisuönso mit einer Befestigungslinie umgeben, die eigentliche
Burg aber wurde da errichtet, wo der von Süden (von der Burggnsse her) heraus¬
geführte Weg das Plateau erreichte, also etwa an der Stelle des heutigen Burg¬
kellers. Es war nicht leicht, hinaufzukommen. Denn nach Passierung des ersten
Tores (am Burglehn) kam man an die tiefe Schlucht, die den spätern Afraberg
vom Schlvßberge trennte. Sie wurde zunächst nur mit einer Bohlenbrücke über¬
spannt, dann folgte das zweite Tor mit Zugbrücke da, wo jetzt wieder ein mit dem
heiligen Georg (Mosaikbild) geschmückter moderner Torbau steht. Dahinter begann
die Vorburg, nach dem Meisatal zu durch einen Wehrgang gedeckt, von der eigent¬
lichen Burg durch eine Mauer geschieden; in dieser war ein jetzt verschwnndnes
drittes Tor. An den drei oder vier Ecken des birnenförmigen Gebildes, dessen
gekrümmter Stiel der Aufgang war, standen gewaltige Steintürme, von denen noch
der südöstliche, der sogenannte Bischofstnrm übrig ist, in der Mitte des Ganzen
ragte der „rote Turin," die Stelle des kaiserlichen, später markgräflichen Gerichts.
Es gab zunächst weder ständige Burggrafen noch Markgrafen, sondern abwechselnd
waren gewaltige Necken des westlicher wohnenden Sachsenadels mit der Hütung
der Grenzfeste betraut, die als das erste Bollwerk deutscher Herrschaft an der obern
Elbe über die von zinspflichtigen Slawen bewohnte Landschaft der „Lommatzscher
Pflege" den schützenden Arm hielt und weithin in die dunkeln Wälder des rechten
Elbnfers hineinleuchtete.
Nach dem Tode des gewaltigen Slawensiegers Gero (gestorben 965) sah sich
Kaiser Otto genötigt, das Slawenland in einzelne Marken aufzulösen und mit Hilfe
der Kirche neu zu organisieren. So wurde auch über die Gaue Nisani und Dala-
minzi ein besondrer Markgraf als höchster militärischer und richterlicher Beamter
des Kaisers eingesetzt, der sich von der ältesten und wichtigsten Burg des Landes
Markgraf von Meißen nannte; ihm trat im Jahre 968 ein Bischof von Meißen
für die Christianisierung und den kirchlichen Ausbau des Landes zur Seite. Diese
Organisation prägte sich auch auf dem Meißner Burgberg aus: der noch unbebaute
Raum, das Breitstück der Birne, wurde durch eine von Westen nach Osten laufende
Mittellinie geteilt; links entstand die cmrig. marebioiris, rechts der romanische Dom
und die curis, des Bischofs; an beide Teilstücke schlössen sich an den Abhängen des
Berges größere „Pertinentien" an, die Schloßfreiheit und die Domfreiheit, und
unter am Ostabhange des Berges zwischen Fels und Strom bildete sich ein Bnrg-
vorort (izuburdium), worin die Vethenici, die slawischen Burgverteidiger wohnten,
neben ihnen aber auch schon einige Handwerker und Händler, die ein gewisses
Marktrecht für den Verkehr mit deu nun zahlreichern Insassen der Burg bekamen.
Auch das subuMum war mindestens dnrch Palisaden verschanzt. Es hatte
die Form eines slawischen Rundlings, dessen Anger und Teich wohl an der Stelle
des jetzigen Gewcmdhanses lag. Der Theaterplatz (im Volksmunde noch „Jahr¬
markt" genannt) mit seinem südlichen und nördlichen Ausgange läßt die Gestalt
und deu Umfang dieses Rundlings noch erkennen; er endete nach Norden zu in
einer Wasserburg (aauatiemn oastrmu, Reste davon, zum Beispiel die Jakobskapelle,
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