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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Meißen

so ipso dem deutschen Mrstenstcmde angehören. Der verewigte Feldmarschall
Manteuffel pflegte zu sagen: "Der Feldmarschall steht über der Exzellenz"
und ließ sich von seiner Umgebung gern "Herr Feldmarschall" anreden. In
noch viel höherm Grade gilt dies von der weithin über die Erde ragenden
Stellung des Reichskanzlers, auf die alle Völker zu sehen gewöhnt sind.

Der nunmehrige Fürst Bülow hängt schwerlich an diesen äußerlichen
Dingen, zumal da eine Deszendenz für den Fürstentitel nicht vorhanden ist.
Im Amte bedarf er seiner nicht, außer Amte würde ihm sein Platz in der
Hofrangordnung wahrscheinlich sehr gleichgiltig sein. Anders steht es aber
um den Monarchen, der seinem Dankgefühl einen bleibenden, weithin sicht¬
baren Ausdruck geben will und so die mit der Verleihung des Fürstentitels
verbundne Anerkennung dadurch verdoppelt, daß er sie an das schönste Familien¬
fest im Kaiserhause knüpft. Wie, wann und wodurch sich der Kaiser dankbar
erweisen will, darüber ist er allein Herr. Von allen Fürstentiteln, die seit
Bismarck verliehen worden sind, haftet an diesem jedenfalls nicht nur Gunst,
sondern weit vor allen andern wirkliches Verdienst.

Es ist bekannt, daß der Reichskanzler die ihm schon nach der Annahme
der Handelsverträge zugedachte Fürstenwürde bescheiden abgelehnt hat, unter
anderm mit dem Hinweise darauf, daß er sie einem parlamentarischen Er¬
folge, bei dem doch immerhin weite und ehrenwerte Kreise des Landes die
Überwundnen wären, nicht verdanken möchte. Die Verleihung am Hochzeits¬
morgen des Kronprinzen gibt der nunmehr erfolgten Auszeichnung so sehr
den Charakter persönlicher Huld, daß mit Ausnahme der Neider sich niemand
verletzt fühlen und Graf Bülow sich ihr nicht entziehn konnte.

Die neue Fürstenkrone ist von diplomatischem und parlamentarischem
Lorbeer umrankt, dieser aber umhüllt von den Rosen des Hochzeitstages, an
dem der Kaiser, in dem Bedürfnis, seinem ersten Berater eine Freude zu be¬
reiten, ihm diese Krone in früher Stunde zur Morgengabe brachte. Die
Stärkung, die die politische Autorität des Reichskanzlers dadurch erfahren hat,
ist höher anzuschlagen als die Auszeichnung selbst; am höchsten aber ist es
der Wunsch, worin der Kaiser sich mit der großen Mehrzahl aller patriotischen
Deutschen begegnet, daß dieser Kanzler in Germanien uns noch lange erhalten
H. z. bleiben möge. ___




Meißen
von Otto Eduard Schmidt

>s ist nun fast dreißig Jahre her, aber noch immer steht mir der
Tag frisch im Gedächtnis, wo ich zuerst den Boden der ehrwürdigen
I Stadt Meißen betrat. Am "schwarzen Brett" der Universität Leipzig
I war zur Aushilfe für einen zum Militär eingezognen Oberlehrer des
I Meißner Progymnasiums ein älterer Student gesucht worden -- ich
I hatte mich, da es sich nur um einen Monat handelte, und ein Gehalt
von 150 Mark verheißen wurde, gemeldet und die Stellung erhalten. Als ich
danach eines Sonnabends mit der Bahn nach Meißen fuhr, ahnte ich nicht, daß


Meißen

so ipso dem deutschen Mrstenstcmde angehören. Der verewigte Feldmarschall
Manteuffel pflegte zu sagen: „Der Feldmarschall steht über der Exzellenz"
und ließ sich von seiner Umgebung gern „Herr Feldmarschall" anreden. In
noch viel höherm Grade gilt dies von der weithin über die Erde ragenden
Stellung des Reichskanzlers, auf die alle Völker zu sehen gewöhnt sind.

Der nunmehrige Fürst Bülow hängt schwerlich an diesen äußerlichen
Dingen, zumal da eine Deszendenz für den Fürstentitel nicht vorhanden ist.
Im Amte bedarf er seiner nicht, außer Amte würde ihm sein Platz in der
Hofrangordnung wahrscheinlich sehr gleichgiltig sein. Anders steht es aber
um den Monarchen, der seinem Dankgefühl einen bleibenden, weithin sicht¬
baren Ausdruck geben will und so die mit der Verleihung des Fürstentitels
verbundne Anerkennung dadurch verdoppelt, daß er sie an das schönste Familien¬
fest im Kaiserhause knüpft. Wie, wann und wodurch sich der Kaiser dankbar
erweisen will, darüber ist er allein Herr. Von allen Fürstentiteln, die seit
Bismarck verliehen worden sind, haftet an diesem jedenfalls nicht nur Gunst,
sondern weit vor allen andern wirkliches Verdienst.

Es ist bekannt, daß der Reichskanzler die ihm schon nach der Annahme
der Handelsverträge zugedachte Fürstenwürde bescheiden abgelehnt hat, unter
anderm mit dem Hinweise darauf, daß er sie einem parlamentarischen Er¬
folge, bei dem doch immerhin weite und ehrenwerte Kreise des Landes die
Überwundnen wären, nicht verdanken möchte. Die Verleihung am Hochzeits¬
morgen des Kronprinzen gibt der nunmehr erfolgten Auszeichnung so sehr
den Charakter persönlicher Huld, daß mit Ausnahme der Neider sich niemand
verletzt fühlen und Graf Bülow sich ihr nicht entziehn konnte.

Die neue Fürstenkrone ist von diplomatischem und parlamentarischem
Lorbeer umrankt, dieser aber umhüllt von den Rosen des Hochzeitstages, an
dem der Kaiser, in dem Bedürfnis, seinem ersten Berater eine Freude zu be¬
reiten, ihm diese Krone in früher Stunde zur Morgengabe brachte. Die
Stärkung, die die politische Autorität des Reichskanzlers dadurch erfahren hat,
ist höher anzuschlagen als die Auszeichnung selbst; am höchsten aber ist es
der Wunsch, worin der Kaiser sich mit der großen Mehrzahl aller patriotischen
Deutschen begegnet, daß dieser Kanzler in Germanien uns noch lange erhalten
H. z. bleiben möge. ___




Meißen
von Otto Eduard Schmidt

>s ist nun fast dreißig Jahre her, aber noch immer steht mir der
Tag frisch im Gedächtnis, wo ich zuerst den Boden der ehrwürdigen
I Stadt Meißen betrat. Am „schwarzen Brett" der Universität Leipzig
I war zur Aushilfe für einen zum Militär eingezognen Oberlehrer des
I Meißner Progymnasiums ein älterer Student gesucht worden — ich
I hatte mich, da es sich nur um einen Monat handelte, und ein Gehalt
von 150 Mark verheißen wurde, gemeldet und die Stellung erhalten. Als ich
danach eines Sonnabends mit der Bahn nach Meißen fuhr, ahnte ich nicht, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/612>, abgerufen am 05.02.2025.