Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Ist das Reichwcrden leichter geworden? fördern die Halbfabrikate von Teilarbeit zu Teilarbeit, bis sich die fertige, wohl¬ Wo waren auch früher alle die vollkommenen Verkehrsmittel, die wie Und schließlich, wenn man die Ware in großen Quantitäten erhalten hatte: Ist das Reichwcrden leichter geworden? fördern die Halbfabrikate von Teilarbeit zu Teilarbeit, bis sich die fertige, wohl¬ Wo waren auch früher alle die vollkommenen Verkehrsmittel, die wie Und schließlich, wenn man die Ware in großen Quantitäten erhalten hatte: <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0596" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296975"/> <fw type="header" place="top"> Ist das Reichwcrden leichter geworden?</fw><lb/> <p xml:id="ID_2750" prev="#ID_2749"> fördern die Halbfabrikate von Teilarbeit zu Teilarbeit, bis sich die fertige, wohl¬<lb/> verpackte Ware, von unsichtbarer Hand geführt, in die Eisenbahnwaggons senkt,<lb/> die vor der Tür des Lagerraums bereitstehn. Früher gab es keine so großen<lb/> Betriebe wie heute, früher gab es auch nicht in solchen Unmassen die Rohstoffe,<lb/> wie Kohlen, Eisen usw. Auch die Arbeitsteilung war noch nicht so weit vor¬<lb/> geschritten, und die Technik hatte uns noch nicht mit den Maschinen beschenkt,<lb/> die heute zu Tausenden im Schutze der Fabrikmauern ihre rätselhafte Heinzel¬<lb/> männchentätigkeit ausüben.</p><lb/> <p xml:id="ID_2751"> Wo waren auch früher alle die vollkommenen Verkehrsmittel, die wie<lb/> ein Spinngewebe mit immer engern Maschen unser Vaterland und die ganze<lb/> Erde überziehn. Von der Eisenbahn will ich nicht mehr sprechen, denn sie<lb/> gehört schon zum „eisernen Bestand" unsers Verkehrswesens, aber von den<lb/> Telegraphendrähten und den Telephonleitungen, den Kabeln und Rohrposten,<lb/> den Dampfschiffen mit ihrer sich fortwährend steigernden Geschwindigkeit. Wo<lb/> auch waren die billigen PostPorti, die in ganz enormer Weise den Verkehr haben<lb/> steigern helfen? Wie wäre es früher möglich gewesen, täglich Dutzende und<lb/> Hunderte von Nachrichten zur Post zu geben für die fernsten Teile der Erde,<lb/> wo das Briefporto nach Mark und Groschen wie jetzt nach Pfennigen zählte?<lb/> Wie hätte man früher seine Rohstoffe in kürzester Zeit mit Dampfer und Eisen¬<lb/> bahn in wenig Tagen oder Wochen aus Amerika und Australien herbeischaffen<lb/> können? Wo gab es früher die dickleibigen Telegraphenschlüssel, die sogenannten<lb/> Codes, die jetzt in den Komptoirs der Weltgeschäfte auf deu Bortbrettern stehn<lb/> und es ermöglichen, lange Gedankenreihen in einem Worte dem Adressaten im<lb/> fernen wilden Westen oder im hintersten Indien in wenig Viertelstunden zu<lb/> übermitteln? Was sind alle die Kunststücke Bellachinis gegen die staunens¬<lb/> werte Geschwindigkeit des modernen Verkehrs, an der das alte Sprichwort<lb/> von der Hexerei auf die Probe gestellt wird! Wie armselig erscheint gegen<lb/> alle diese Erscheinungen der Verkehr vor dreißig Jahren, wo man gerade in<lb/> Deutschland den Flügelschlag der neuen Zeit erst zu fühlen begann und sich<lb/> erst auf die neuen größern Verhältnisse einrichtete. Wo heute in Berlin an<lb/> der Ecke der Alten Jakobsstraße und der Hollmannstraße ein stattliches Geschäfts¬<lb/> haus zum Himmel ragt, lag noch bis vor kurzem im Schatten der Großstadt¬<lb/> wolkenkratzer der Rest des Struveschen Parks, der seinerzeit in stiller Abge¬<lb/> schiedenheit als Kurgarten eines blühenden Badeorts diente — heute sausen die<lb/> elektrischen Bahnen nach allen Richtungen vorbei, die vor dreißig Jahren noch<lb/> im Schoße der Zukunft lagen. Keine Stadtbahn, geschweige denn eine Unter¬<lb/> grundbahn, das jüngste Kind des Verkehrs, störte das Idyll. Langsam nur<lb/> konnte man die Waren, die das Publikum brauchte und kaufte, herbeischaffen,<lb/> und die Bahn zum Reichtum konnte deshalb nur viel, viel langsamer als jetzt<lb/> zurückgelegt werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2752" next="#ID_2753"> Und schließlich, wenn man die Ware in großen Quantitäten erhalten hatte:<lb/> wie lange dauerte es, ehe man sie abgesetzt und den Gewinn in der Tasche<lb/> hatte! Es fehlten die großen Käufermassen, über die wir jetzt verfügen, und<lb/> an die wir uns sofort wenden können. Früher gab es keine Reklame, keine<lb/> Zeitungen in dem Umfang wie jetzt; man konnte deshalb auch nicht mit An-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0596]
Ist das Reichwcrden leichter geworden?
fördern die Halbfabrikate von Teilarbeit zu Teilarbeit, bis sich die fertige, wohl¬
verpackte Ware, von unsichtbarer Hand geführt, in die Eisenbahnwaggons senkt,
die vor der Tür des Lagerraums bereitstehn. Früher gab es keine so großen
Betriebe wie heute, früher gab es auch nicht in solchen Unmassen die Rohstoffe,
wie Kohlen, Eisen usw. Auch die Arbeitsteilung war noch nicht so weit vor¬
geschritten, und die Technik hatte uns noch nicht mit den Maschinen beschenkt,
die heute zu Tausenden im Schutze der Fabrikmauern ihre rätselhafte Heinzel¬
männchentätigkeit ausüben.
Wo waren auch früher alle die vollkommenen Verkehrsmittel, die wie
ein Spinngewebe mit immer engern Maschen unser Vaterland und die ganze
Erde überziehn. Von der Eisenbahn will ich nicht mehr sprechen, denn sie
gehört schon zum „eisernen Bestand" unsers Verkehrswesens, aber von den
Telegraphendrähten und den Telephonleitungen, den Kabeln und Rohrposten,
den Dampfschiffen mit ihrer sich fortwährend steigernden Geschwindigkeit. Wo
auch waren die billigen PostPorti, die in ganz enormer Weise den Verkehr haben
steigern helfen? Wie wäre es früher möglich gewesen, täglich Dutzende und
Hunderte von Nachrichten zur Post zu geben für die fernsten Teile der Erde,
wo das Briefporto nach Mark und Groschen wie jetzt nach Pfennigen zählte?
Wie hätte man früher seine Rohstoffe in kürzester Zeit mit Dampfer und Eisen¬
bahn in wenig Tagen oder Wochen aus Amerika und Australien herbeischaffen
können? Wo gab es früher die dickleibigen Telegraphenschlüssel, die sogenannten
Codes, die jetzt in den Komptoirs der Weltgeschäfte auf deu Bortbrettern stehn
und es ermöglichen, lange Gedankenreihen in einem Worte dem Adressaten im
fernen wilden Westen oder im hintersten Indien in wenig Viertelstunden zu
übermitteln? Was sind alle die Kunststücke Bellachinis gegen die staunens¬
werte Geschwindigkeit des modernen Verkehrs, an der das alte Sprichwort
von der Hexerei auf die Probe gestellt wird! Wie armselig erscheint gegen
alle diese Erscheinungen der Verkehr vor dreißig Jahren, wo man gerade in
Deutschland den Flügelschlag der neuen Zeit erst zu fühlen begann und sich
erst auf die neuen größern Verhältnisse einrichtete. Wo heute in Berlin an
der Ecke der Alten Jakobsstraße und der Hollmannstraße ein stattliches Geschäfts¬
haus zum Himmel ragt, lag noch bis vor kurzem im Schatten der Großstadt¬
wolkenkratzer der Rest des Struveschen Parks, der seinerzeit in stiller Abge¬
schiedenheit als Kurgarten eines blühenden Badeorts diente — heute sausen die
elektrischen Bahnen nach allen Richtungen vorbei, die vor dreißig Jahren noch
im Schoße der Zukunft lagen. Keine Stadtbahn, geschweige denn eine Unter¬
grundbahn, das jüngste Kind des Verkehrs, störte das Idyll. Langsam nur
konnte man die Waren, die das Publikum brauchte und kaufte, herbeischaffen,
und die Bahn zum Reichtum konnte deshalb nur viel, viel langsamer als jetzt
zurückgelegt werden.
Und schließlich, wenn man die Ware in großen Quantitäten erhalten hatte:
wie lange dauerte es, ehe man sie abgesetzt und den Gewinn in der Tasche
hatte! Es fehlten die großen Käufermassen, über die wir jetzt verfügen, und
an die wir uns sofort wenden können. Früher gab es keine Reklame, keine
Zeitungen in dem Umfang wie jetzt; man konnte deshalb auch nicht mit An-
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