Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Aber sehen wir ganz von der staatsrechtlichen Grundlage des Kaiserlichen Und wer sucht unermüdlich dieser Not abzuhelfen? Unser Kaiser! Der Zum konfessionellen Frieden. Der süddeutsche evangelische Geistliche Das ist ja nun nicht unser Standpunkt. Wir geben nicht zu. daß die römisch¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches Aber sehen wir ganz von der staatsrechtlichen Grundlage des Kaiserlichen Und wer sucht unermüdlich dieser Not abzuhelfen? Unser Kaiser! Der Zum konfessionellen Frieden. Der süddeutsche evangelische Geistliche Das ist ja nun nicht unser Standpunkt. Wir geben nicht zu. daß die römisch¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0575" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296954"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2693"> Aber sehen wir ganz von der staatsrechtlichen Grundlage des Kaiserlichen<lb/> Telegramms ab. Gibt es in Deutschland einen Mann, der die Notwendigkeit,<lb/> Deutschland zur See mächtig zu machen, früher erkannt hat, der den Wunsch, die<lb/> Zukunft des Vaterlands auch durch eine starke Seemacht zu sichern, heißer empfindet<lb/> und den Gedanken tatkraftiger und sachkundiger zur Tatsache zu machen sucht als<lb/> der Kaiser? Wer hat das Wort gesprochen: „Bitter not ist uns eine starke<lb/> deutsche Flotte"?</p><lb/> <p xml:id="ID_2694"> Und wer sucht unermüdlich dieser Not abzuhelfen? Unser Kaiser! Der<lb/> Kaiser, dem das deutsche Volk nicht nur seine Flotte, sondern viel andres, darunter<lb/> die Kleinigkeit von siebzehn Friedensjahren, zu danken hat, aber nicht dankt. Wer<lb/> in dieser Sache der Leitung des Kaisers folgt, verzichtet nicht auf seine Unab¬<lb/> hängigkeit. Es hätte auch dem Flottenverein wohl angestanden, wenn er einem<lb/> berechtigten Wunsche seines Kaisers gegenüber seine Unabhängigkeit etwas weniger<lb/> laut betont hätte, als dies in Stuttgart geschehen zu sein scheint.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Zum konfessionellen Frieden.</head> <p xml:id="ID_2695"> Der süddeutsche evangelische Geistliche<lb/> im 19. Heft erwähnt die Bestrebungen des Breslauer Kanonikus Dr. Soltmann<lb/> und nennt sie utopisch. Ein andres Unternehmen eines schlesischen Katholiken hat<lb/> nichts Utopisches an sich. Wir meinen die Zeitschrift: Friedensblätter. Monats¬<lb/> schrift zur Pflege des religiösen Lebens und Friedens. Unter dem hohen Protek¬<lb/> torate Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Maria de la Paz. Begründet<lb/> von Julie von Massow. Herausgeber: Bernhard Strehler, Präfekt des fürst¬<lb/> bischöflichen Knabenseminars in Reiße. Erscheint im Verlage von Göbel und<lb/> Scherer in Würzburg. Das Programm der Zeitschrift lautet: „Wir leben im Zeit¬<lb/> alter der Aufklärung. Auf allen Gebieten verschwinden alte Vorurteile und machen<lb/> besserer Erkenntnis Platz. Nur in religiösen Dingen wuchern Unwissenheit, Vor¬<lb/> urteile, Mißverständnisse üppig weiter. Hierin einen Wandel zum Bessern an¬<lb/> bahnen, Aufklärung bringen hüben und drüben, das ganze christliche, katholische<lb/> Ideal des Glaubens und Liebens, besonders in seinen Grundwahrheiten, zentralen<lb/> Andachten und wesentlichen Übungen, ohne verletzende Polemik darstellen und so<lb/> wahres religiöses Leben Pflegen, das wollen wir. Die Spaltung im Glauben hat<lb/> auch die Herzen auseinandergerissen. Es gibt weite Kreise, die auf die Gläubigen<lb/> eines andern Bekenntnisses mit Geringschätzung und Abneigung herabblicken. Es<lb/> gibt Blätter und Bestrebungen, die kein andres Ziel zu haben scheinen, als Feind¬<lb/> seligkeit unter den Christen zu säen und die Erbitterung zu steigern. Demgegen¬<lb/> über die christliche, aufrichtige Liebe gegen die Person des andersgläubigen Nächsten<lb/> pflegen und fördern, das wollen wir. Wir wollen nicht durch Überredung zu<lb/> einer äußern Konversion drängen. Wenn Gott eine Seele zur vollen Wahrheit<lb/> führt, sei Ihm Dank dafür gesagt. Wir aber halten es für unangebracht, in ein<lb/> solches Werk der Gnade unberufen einzugreifen. Unsre Aufgabe ist umfassender.<lb/> Daß die Frage der Wiedervereinigung nie mehr zur Ruhe komme, sondern immer<lb/> weitere Kreise interessiere, daß immer mehr Christen — hüben und drüben —<lb/> nach dem Vorbilde Jesu (Joh. 17) beten: 17t omnos nimm sint, und daß so eine<lb/> entferntere Vorbereitung geschaffen werde für das große Werk der Wiederver¬<lb/> einigung, welches Gottes Gnade allein vollbringen kann, das ist es, was wir<lb/> wollen."</p><lb/> <p xml:id="ID_2696" next="#ID_2697"> Das ist ja nun nicht unser Standpunkt. Wir geben nicht zu. daß die römisch¬<lb/> katholische Kirche, und sie allein, die volle Wahrheit habe, und daß die Wieder¬<lb/> vereinigung der Protestanten mit ihr das Ziel sei, dem wir zuzustreben hätten.<lb/> Aber mehr, als die Zeitschrift sich vornimmt, ist vorderhand von katholischer Seite<lb/> weder zu erwarten noch zu verlangen. Um die Art und Weise, wie sie ihr Pro¬<lb/> gramm durchführt, einigermaßen zu charakterisieren, erwähnen wir drei Beiträge.<lb/> Im Aprilheft erörtert Josef Hermann das Wesen der Toleranz nach einer Pro¬<lb/> grammarbeit von K. Martin. Er findet mit diesem, daß Nathan der Weise gar</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0575]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Aber sehen wir ganz von der staatsrechtlichen Grundlage des Kaiserlichen
Telegramms ab. Gibt es in Deutschland einen Mann, der die Notwendigkeit,
Deutschland zur See mächtig zu machen, früher erkannt hat, der den Wunsch, die
Zukunft des Vaterlands auch durch eine starke Seemacht zu sichern, heißer empfindet
und den Gedanken tatkraftiger und sachkundiger zur Tatsache zu machen sucht als
der Kaiser? Wer hat das Wort gesprochen: „Bitter not ist uns eine starke
deutsche Flotte"?
Und wer sucht unermüdlich dieser Not abzuhelfen? Unser Kaiser! Der
Kaiser, dem das deutsche Volk nicht nur seine Flotte, sondern viel andres, darunter
die Kleinigkeit von siebzehn Friedensjahren, zu danken hat, aber nicht dankt. Wer
in dieser Sache der Leitung des Kaisers folgt, verzichtet nicht auf seine Unab¬
hängigkeit. Es hätte auch dem Flottenverein wohl angestanden, wenn er einem
berechtigten Wunsche seines Kaisers gegenüber seine Unabhängigkeit etwas weniger
laut betont hätte, als dies in Stuttgart geschehen zu sein scheint.
Zum konfessionellen Frieden. Der süddeutsche evangelische Geistliche
im 19. Heft erwähnt die Bestrebungen des Breslauer Kanonikus Dr. Soltmann
und nennt sie utopisch. Ein andres Unternehmen eines schlesischen Katholiken hat
nichts Utopisches an sich. Wir meinen die Zeitschrift: Friedensblätter. Monats¬
schrift zur Pflege des religiösen Lebens und Friedens. Unter dem hohen Protek¬
torate Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Maria de la Paz. Begründet
von Julie von Massow. Herausgeber: Bernhard Strehler, Präfekt des fürst¬
bischöflichen Knabenseminars in Reiße. Erscheint im Verlage von Göbel und
Scherer in Würzburg. Das Programm der Zeitschrift lautet: „Wir leben im Zeit¬
alter der Aufklärung. Auf allen Gebieten verschwinden alte Vorurteile und machen
besserer Erkenntnis Platz. Nur in religiösen Dingen wuchern Unwissenheit, Vor¬
urteile, Mißverständnisse üppig weiter. Hierin einen Wandel zum Bessern an¬
bahnen, Aufklärung bringen hüben und drüben, das ganze christliche, katholische
Ideal des Glaubens und Liebens, besonders in seinen Grundwahrheiten, zentralen
Andachten und wesentlichen Übungen, ohne verletzende Polemik darstellen und so
wahres religiöses Leben Pflegen, das wollen wir. Die Spaltung im Glauben hat
auch die Herzen auseinandergerissen. Es gibt weite Kreise, die auf die Gläubigen
eines andern Bekenntnisses mit Geringschätzung und Abneigung herabblicken. Es
gibt Blätter und Bestrebungen, die kein andres Ziel zu haben scheinen, als Feind¬
seligkeit unter den Christen zu säen und die Erbitterung zu steigern. Demgegen¬
über die christliche, aufrichtige Liebe gegen die Person des andersgläubigen Nächsten
pflegen und fördern, das wollen wir. Wir wollen nicht durch Überredung zu
einer äußern Konversion drängen. Wenn Gott eine Seele zur vollen Wahrheit
führt, sei Ihm Dank dafür gesagt. Wir aber halten es für unangebracht, in ein
solches Werk der Gnade unberufen einzugreifen. Unsre Aufgabe ist umfassender.
Daß die Frage der Wiedervereinigung nie mehr zur Ruhe komme, sondern immer
weitere Kreise interessiere, daß immer mehr Christen — hüben und drüben —
nach dem Vorbilde Jesu (Joh. 17) beten: 17t omnos nimm sint, und daß so eine
entferntere Vorbereitung geschaffen werde für das große Werk der Wiederver¬
einigung, welches Gottes Gnade allein vollbringen kann, das ist es, was wir
wollen."
Das ist ja nun nicht unser Standpunkt. Wir geben nicht zu. daß die römisch¬
katholische Kirche, und sie allein, die volle Wahrheit habe, und daß die Wieder¬
vereinigung der Protestanten mit ihr das Ziel sei, dem wir zuzustreben hätten.
Aber mehr, als die Zeitschrift sich vornimmt, ist vorderhand von katholischer Seite
weder zu erwarten noch zu verlangen. Um die Art und Weise, wie sie ihr Pro¬
gramm durchführt, einigermaßen zu charakterisieren, erwähnen wir drei Beiträge.
Im Aprilheft erörtert Josef Hermann das Wesen der Toleranz nach einer Pro¬
grammarbeit von K. Martin. Er findet mit diesem, daß Nathan der Weise gar
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