Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Herrenmenschen

halten ließ, stand in Aussicht. Prozesse sind an einem wirtschaftlichen Körper
gleichsam offne Wunden. Wenn sie auch zuletzt heilen, so verzehren sie doch viele
Kräfte, und manche Existenz ist schon an Prozessen zugrunde gegangen.

Uhler als dem Doktor erging es Koudrot. Er wurde eines Tages ohne
Angabe eines Grundes aufgefordert, die Forstkasse abzugeben. Ein Nechnungs-
bemnter kam an, der seine schärfste Brille aufgesetzt hatte und die Bücher auf Herz
und Nieren prüfte; aber es stimmte alles. Koudrot hatte dieses Ende kommen sehen;
aber es war für ihn doch ein harter Schlag. Er war kein reicher Mann. Er war
Land- und Fischwirt, aber keiner von den großen. Er hatte sein Haus, ein wenig
Acker und die mit der Herdstelle verbundne Fischereigerechtigkeit. Dagegen war sein
Haus mit einem hohen Ausgedinge belastet. Der Vater und die Mutter seiner
verstorbnen Frau lebten noch. Es waren uralte Leute von häßlichem und geizigen
Gemüt. Sie hatten ihren Schwiegersohn, als dieser die Wirtschaft übernahm, arg
übervorteilt und sich ein höheres Ausgedinge festgemacht, als der Hof tragen konnte.

Nun saßen sie in dem besten Teile des Hauses wie ein paar Eulen, zankten
sich miteinander und schimpften auf den Schwiegersohn. Denn sie hatten an allem,
was er ihnen an Korn, Flachs oder Fischen lieferte, auszusetzen, und wenn sich die
Zahlung um eine Stunde verspätete, so waren sie giftig und drohten mit gericht¬
licher Klage. Außerdem hatte Kondrot noch einen Sohn zu erhalte", der in
Danzig auf der Steuermaunsschule war, und der ihn viel Geld kostete. Um seinen
Verpflichtungen den Alten gegenüber nachkommen zu können, hatte Kondrot die
Forstkasse übernommen, aber er hatte wenig Freude davon gehabt. Wie gern gab
er die Kasse zurück, wenn nur nicht die Frage entstanden wäre: Wovon nun
leben? Sein Acker hätte vielleicht hingereicht, ihn selbst zu ernähren, das Aus¬
gedinge trug er nicht. Es blieb nichts übrig, als die Fischerei wieder aufzunehmen,
ein hartes Stück für einen Menschen, dessen Hände und Muskel" in langjähriger
Bureauarbeit weich geworden waren.

.Kondrot ging von seinem Hanse aus hinab an den Hafen. Es herrschte eine
empfindliche Kälte, und es wehte ein lebhafter Wind vom Meere her. Die Wellen
brachten Eisschollen heran und warfen sie aus Ufer. Das Ufer fing an, sich mit
einem Kranze von Eis zu schmücken. Alles Holzwerk, das vom Wasser erreicht
werden konnte, war mit blankem Eise überzogen. Die Fischerflotte schwamm auf
der See, kehrte eben, nachdem die Nachtarbeit vorüber war, in den Hafen zurück
und rückte in breiter Linie, von dem frischen Winde getrieben, dem Strande zu.
Jetzt löste sich die Linie auf, und eins nach dem andern von den schwer und Plump
gebauten Booten mit ihren starken Masten und den eigentümlichen Kirchturmfahuen
rückte heran, die Gaffel sank nieder, die braunen geflickten Segel schlugen im
Winde, und das Boot fuhr auf den Strand auf, ohne das Ufer zu erreichen.
Alle Schiffe waren mit Eis überzogen, jede Planke, jedes Seil trug seiue zuckrige
Kruste. Auch die Fischer stellten sich als Eismänner dar. Sie hoben mit ver-
tlvminnen und blutigen Fäusten die Körbe mit dem kärglichen Fange auf die Köpfe
und wateten in ihren langen Wasserstiefeln schwerfällig ans Land. Der alte
schwarze Kasten dort mit dem gebrochnen Wimpel war Koudrots Schiff. Er hatte
es an ein paar Fischer, den Ansas Endrnllis und den Jnrgis Delpkeit, die für
Rechnung eines andern Fischwirts arbeiteten, billig verpachtet.

Die Fischerei ist ein mühsamer und oft wenig lohnender Beruf. Kommt einmal
ein großer Fang vor, so wird er verschleudert, und dann folgen lange Zeiten, wo
Schmalhans Küchenmeister ist. Es gehört eine eiserne Gesundheit dazu, solche
Nächte zu überstehn, wie sie der Fischfang im Winter bringt. Kondrot dachte mit
Furcht an das, was ihm bevorstand. Aber nicht rückwärts. Mochte diese schwere
Zeit ein Bußwerk sein, das er sich selbst auferlegte.

Endrullis und Delpkeit waren ausgestiegen und trugen ihren Korb mit
Fischen aus Land. -- Eudrnllis, sagte Kondrot, willst du nicht den Nachmittag zu
mir kommen?


Herrenmenschen

halten ließ, stand in Aussicht. Prozesse sind an einem wirtschaftlichen Körper
gleichsam offne Wunden. Wenn sie auch zuletzt heilen, so verzehren sie doch viele
Kräfte, und manche Existenz ist schon an Prozessen zugrunde gegangen.

Uhler als dem Doktor erging es Koudrot. Er wurde eines Tages ohne
Angabe eines Grundes aufgefordert, die Forstkasse abzugeben. Ein Nechnungs-
bemnter kam an, der seine schärfste Brille aufgesetzt hatte und die Bücher auf Herz
und Nieren prüfte; aber es stimmte alles. Koudrot hatte dieses Ende kommen sehen;
aber es war für ihn doch ein harter Schlag. Er war kein reicher Mann. Er war
Land- und Fischwirt, aber keiner von den großen. Er hatte sein Haus, ein wenig
Acker und die mit der Herdstelle verbundne Fischereigerechtigkeit. Dagegen war sein
Haus mit einem hohen Ausgedinge belastet. Der Vater und die Mutter seiner
verstorbnen Frau lebten noch. Es waren uralte Leute von häßlichem und geizigen
Gemüt. Sie hatten ihren Schwiegersohn, als dieser die Wirtschaft übernahm, arg
übervorteilt und sich ein höheres Ausgedinge festgemacht, als der Hof tragen konnte.

Nun saßen sie in dem besten Teile des Hauses wie ein paar Eulen, zankten
sich miteinander und schimpften auf den Schwiegersohn. Denn sie hatten an allem,
was er ihnen an Korn, Flachs oder Fischen lieferte, auszusetzen, und wenn sich die
Zahlung um eine Stunde verspätete, so waren sie giftig und drohten mit gericht¬
licher Klage. Außerdem hatte Kondrot noch einen Sohn zu erhalte», der in
Danzig auf der Steuermaunsschule war, und der ihn viel Geld kostete. Um seinen
Verpflichtungen den Alten gegenüber nachkommen zu können, hatte Kondrot die
Forstkasse übernommen, aber er hatte wenig Freude davon gehabt. Wie gern gab
er die Kasse zurück, wenn nur nicht die Frage entstanden wäre: Wovon nun
leben? Sein Acker hätte vielleicht hingereicht, ihn selbst zu ernähren, das Aus¬
gedinge trug er nicht. Es blieb nichts übrig, als die Fischerei wieder aufzunehmen,
ein hartes Stück für einen Menschen, dessen Hände und Muskel» in langjähriger
Bureauarbeit weich geworden waren.

.Kondrot ging von seinem Hanse aus hinab an den Hafen. Es herrschte eine
empfindliche Kälte, und es wehte ein lebhafter Wind vom Meere her. Die Wellen
brachten Eisschollen heran und warfen sie aus Ufer. Das Ufer fing an, sich mit
einem Kranze von Eis zu schmücken. Alles Holzwerk, das vom Wasser erreicht
werden konnte, war mit blankem Eise überzogen. Die Fischerflotte schwamm auf
der See, kehrte eben, nachdem die Nachtarbeit vorüber war, in den Hafen zurück
und rückte in breiter Linie, von dem frischen Winde getrieben, dem Strande zu.
Jetzt löste sich die Linie auf, und eins nach dem andern von den schwer und Plump
gebauten Booten mit ihren starken Masten und den eigentümlichen Kirchturmfahuen
rückte heran, die Gaffel sank nieder, die braunen geflickten Segel schlugen im
Winde, und das Boot fuhr auf den Strand auf, ohne das Ufer zu erreichen.
Alle Schiffe waren mit Eis überzogen, jede Planke, jedes Seil trug seiue zuckrige
Kruste. Auch die Fischer stellten sich als Eismänner dar. Sie hoben mit ver-
tlvminnen und blutigen Fäusten die Körbe mit dem kärglichen Fange auf die Köpfe
und wateten in ihren langen Wasserstiefeln schwerfällig ans Land. Der alte
schwarze Kasten dort mit dem gebrochnen Wimpel war Koudrots Schiff. Er hatte
es an ein paar Fischer, den Ansas Endrnllis und den Jnrgis Delpkeit, die für
Rechnung eines andern Fischwirts arbeiteten, billig verpachtet.

Die Fischerei ist ein mühsamer und oft wenig lohnender Beruf. Kommt einmal
ein großer Fang vor, so wird er verschleudert, und dann folgen lange Zeiten, wo
Schmalhans Küchenmeister ist. Es gehört eine eiserne Gesundheit dazu, solche
Nächte zu überstehn, wie sie der Fischfang im Winter bringt. Kondrot dachte mit
Furcht an das, was ihm bevorstand. Aber nicht rückwärts. Mochte diese schwere
Zeit ein Bußwerk sein, das er sich selbst auferlegte.

Endrullis und Delpkeit waren ausgestiegen und trugen ihren Korb mit
Fischen aus Land. — Eudrnllis, sagte Kondrot, willst du nicht den Nachmittag zu
mir kommen?


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0564" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296943"/>
            <fw type="header" place="top"> Herrenmenschen</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2612" prev="#ID_2611"> halten ließ, stand in Aussicht. Prozesse sind an einem wirtschaftlichen Körper<lb/>
gleichsam offne Wunden. Wenn sie auch zuletzt heilen, so verzehren sie doch viele<lb/>
Kräfte, und manche Existenz ist schon an Prozessen zugrunde gegangen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2613"> Uhler als dem Doktor erging es Koudrot. Er wurde eines Tages ohne<lb/>
Angabe eines Grundes aufgefordert, die Forstkasse abzugeben. Ein Nechnungs-<lb/>
bemnter kam an, der seine schärfste Brille aufgesetzt hatte und die Bücher auf Herz<lb/>
und Nieren prüfte; aber es stimmte alles. Koudrot hatte dieses Ende kommen sehen;<lb/>
aber es war für ihn doch ein harter Schlag. Er war kein reicher Mann. Er war<lb/>
Land- und Fischwirt, aber keiner von den großen. Er hatte sein Haus, ein wenig<lb/>
Acker und die mit der Herdstelle verbundne Fischereigerechtigkeit. Dagegen war sein<lb/>
Haus mit einem hohen Ausgedinge belastet. Der Vater und die Mutter seiner<lb/>
verstorbnen Frau lebten noch. Es waren uralte Leute von häßlichem und geizigen<lb/>
Gemüt. Sie hatten ihren Schwiegersohn, als dieser die Wirtschaft übernahm, arg<lb/>
übervorteilt und sich ein höheres Ausgedinge festgemacht, als der Hof tragen konnte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2614"> Nun saßen sie in dem besten Teile des Hauses wie ein paar Eulen, zankten<lb/>
sich miteinander und schimpften auf den Schwiegersohn. Denn sie hatten an allem,<lb/>
was er ihnen an Korn, Flachs oder Fischen lieferte, auszusetzen, und wenn sich die<lb/>
Zahlung um eine Stunde verspätete, so waren sie giftig und drohten mit gericht¬<lb/>
licher Klage. Außerdem hatte Kondrot noch einen Sohn zu erhalte», der in<lb/>
Danzig auf der Steuermaunsschule war, und der ihn viel Geld kostete. Um seinen<lb/>
Verpflichtungen den Alten gegenüber nachkommen zu können, hatte Kondrot die<lb/>
Forstkasse übernommen, aber er hatte wenig Freude davon gehabt. Wie gern gab<lb/>
er die Kasse zurück, wenn nur nicht die Frage entstanden wäre: Wovon nun<lb/>
leben? Sein Acker hätte vielleicht hingereicht, ihn selbst zu ernähren, das Aus¬<lb/>
gedinge trug er nicht. Es blieb nichts übrig, als die Fischerei wieder aufzunehmen,<lb/>
ein hartes Stück für einen Menschen, dessen Hände und Muskel» in langjähriger<lb/>
Bureauarbeit weich geworden waren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2615"> .Kondrot ging von seinem Hanse aus hinab an den Hafen. Es herrschte eine<lb/>
empfindliche Kälte, und es wehte ein lebhafter Wind vom Meere her. Die Wellen<lb/>
brachten Eisschollen heran und warfen sie aus Ufer. Das Ufer fing an, sich mit<lb/>
einem Kranze von Eis zu schmücken. Alles Holzwerk, das vom Wasser erreicht<lb/>
werden konnte, war mit blankem Eise überzogen. Die Fischerflotte schwamm auf<lb/>
der See, kehrte eben, nachdem die Nachtarbeit vorüber war, in den Hafen zurück<lb/>
und rückte in breiter Linie, von dem frischen Winde getrieben, dem Strande zu.<lb/>
Jetzt löste sich die Linie auf, und eins nach dem andern von den schwer und Plump<lb/>
gebauten Booten mit ihren starken Masten und den eigentümlichen Kirchturmfahuen<lb/>
rückte heran, die Gaffel sank nieder, die braunen geflickten Segel schlugen im<lb/>
Winde, und das Boot fuhr auf den Strand auf, ohne das Ufer zu erreichen.<lb/>
Alle Schiffe waren mit Eis überzogen, jede Planke, jedes Seil trug seiue zuckrige<lb/>
Kruste. Auch die Fischer stellten sich als Eismänner dar. Sie hoben mit ver-<lb/>
tlvminnen und blutigen Fäusten die Körbe mit dem kärglichen Fange auf die Köpfe<lb/>
und wateten in ihren langen Wasserstiefeln schwerfällig ans Land. Der alte<lb/>
schwarze Kasten dort mit dem gebrochnen Wimpel war Koudrots Schiff. Er hatte<lb/>
es an ein paar Fischer, den Ansas Endrnllis und den Jnrgis Delpkeit, die für<lb/>
Rechnung eines andern Fischwirts arbeiteten, billig verpachtet.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2616"> Die Fischerei ist ein mühsamer und oft wenig lohnender Beruf. Kommt einmal<lb/>
ein großer Fang vor, so wird er verschleudert, und dann folgen lange Zeiten, wo<lb/>
Schmalhans Küchenmeister ist. Es gehört eine eiserne Gesundheit dazu, solche<lb/>
Nächte zu überstehn, wie sie der Fischfang im Winter bringt. Kondrot dachte mit<lb/>
Furcht an das, was ihm bevorstand. Aber nicht rückwärts. Mochte diese schwere<lb/>
Zeit ein Bußwerk sein, das er sich selbst auferlegte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2617"> Endrullis und Delpkeit waren ausgestiegen und trugen ihren Korb mit<lb/>
Fischen aus Land. &#x2014; Eudrnllis, sagte Kondrot, willst du nicht den Nachmittag zu<lb/>
mir kommen?</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0564] Herrenmenschen halten ließ, stand in Aussicht. Prozesse sind an einem wirtschaftlichen Körper gleichsam offne Wunden. Wenn sie auch zuletzt heilen, so verzehren sie doch viele Kräfte, und manche Existenz ist schon an Prozessen zugrunde gegangen. Uhler als dem Doktor erging es Koudrot. Er wurde eines Tages ohne Angabe eines Grundes aufgefordert, die Forstkasse abzugeben. Ein Nechnungs- bemnter kam an, der seine schärfste Brille aufgesetzt hatte und die Bücher auf Herz und Nieren prüfte; aber es stimmte alles. Koudrot hatte dieses Ende kommen sehen; aber es war für ihn doch ein harter Schlag. Er war kein reicher Mann. Er war Land- und Fischwirt, aber keiner von den großen. Er hatte sein Haus, ein wenig Acker und die mit der Herdstelle verbundne Fischereigerechtigkeit. Dagegen war sein Haus mit einem hohen Ausgedinge belastet. Der Vater und die Mutter seiner verstorbnen Frau lebten noch. Es waren uralte Leute von häßlichem und geizigen Gemüt. Sie hatten ihren Schwiegersohn, als dieser die Wirtschaft übernahm, arg übervorteilt und sich ein höheres Ausgedinge festgemacht, als der Hof tragen konnte. Nun saßen sie in dem besten Teile des Hauses wie ein paar Eulen, zankten sich miteinander und schimpften auf den Schwiegersohn. Denn sie hatten an allem, was er ihnen an Korn, Flachs oder Fischen lieferte, auszusetzen, und wenn sich die Zahlung um eine Stunde verspätete, so waren sie giftig und drohten mit gericht¬ licher Klage. Außerdem hatte Kondrot noch einen Sohn zu erhalte», der in Danzig auf der Steuermaunsschule war, und der ihn viel Geld kostete. Um seinen Verpflichtungen den Alten gegenüber nachkommen zu können, hatte Kondrot die Forstkasse übernommen, aber er hatte wenig Freude davon gehabt. Wie gern gab er die Kasse zurück, wenn nur nicht die Frage entstanden wäre: Wovon nun leben? Sein Acker hätte vielleicht hingereicht, ihn selbst zu ernähren, das Aus¬ gedinge trug er nicht. Es blieb nichts übrig, als die Fischerei wieder aufzunehmen, ein hartes Stück für einen Menschen, dessen Hände und Muskel» in langjähriger Bureauarbeit weich geworden waren. .Kondrot ging von seinem Hanse aus hinab an den Hafen. Es herrschte eine empfindliche Kälte, und es wehte ein lebhafter Wind vom Meere her. Die Wellen brachten Eisschollen heran und warfen sie aus Ufer. Das Ufer fing an, sich mit einem Kranze von Eis zu schmücken. Alles Holzwerk, das vom Wasser erreicht werden konnte, war mit blankem Eise überzogen. Die Fischerflotte schwamm auf der See, kehrte eben, nachdem die Nachtarbeit vorüber war, in den Hafen zurück und rückte in breiter Linie, von dem frischen Winde getrieben, dem Strande zu. Jetzt löste sich die Linie auf, und eins nach dem andern von den schwer und Plump gebauten Booten mit ihren starken Masten und den eigentümlichen Kirchturmfahuen rückte heran, die Gaffel sank nieder, die braunen geflickten Segel schlugen im Winde, und das Boot fuhr auf den Strand auf, ohne das Ufer zu erreichen. Alle Schiffe waren mit Eis überzogen, jede Planke, jedes Seil trug seiue zuckrige Kruste. Auch die Fischer stellten sich als Eismänner dar. Sie hoben mit ver- tlvminnen und blutigen Fäusten die Körbe mit dem kärglichen Fange auf die Köpfe und wateten in ihren langen Wasserstiefeln schwerfällig ans Land. Der alte schwarze Kasten dort mit dem gebrochnen Wimpel war Koudrots Schiff. Er hatte es an ein paar Fischer, den Ansas Endrnllis und den Jnrgis Delpkeit, die für Rechnung eines andern Fischwirts arbeiteten, billig verpachtet. Die Fischerei ist ein mühsamer und oft wenig lohnender Beruf. Kommt einmal ein großer Fang vor, so wird er verschleudert, und dann folgen lange Zeiten, wo Schmalhans Küchenmeister ist. Es gehört eine eiserne Gesundheit dazu, solche Nächte zu überstehn, wie sie der Fischfang im Winter bringt. Kondrot dachte mit Furcht an das, was ihm bevorstand. Aber nicht rückwärts. Mochte diese schwere Zeit ein Bußwerk sein, das er sich selbst auferlegte. Endrullis und Delpkeit waren ausgestiegen und trugen ihren Korb mit Fischen aus Land. — Eudrnllis, sagte Kondrot, willst du nicht den Nachmittag zu mir kommen?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/564
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/564>, abgerufen am 06.02.2025.