Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Johannes lNathosius allesamt Deutsche und zwar meist Sachsen waren, zog die lutherische Lehre in Vorher schon, 1542, hatte er die Tochter eines Bergbeamten geheiratet. Johannes lNathosius allesamt Deutsche und zwar meist Sachsen waren, zog die lutherische Lehre in Vorher schon, 1542, hatte er die Tochter eines Bergbeamten geheiratet. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0543" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296922"/> <fw type="header" place="top"> Johannes lNathosius</fw><lb/> <p xml:id="ID_2503" prev="#ID_2502"> allesamt Deutsche und zwar meist Sachsen waren, zog die lutherische Lehre in<lb/> Böhmen ein, die einen durch den Hussitismus und die böhmischen Brüder wohl<lb/> vorbereiteten Boden fand. In Joachimsthal organisierten sich die Evangelischen<lb/> bald als Pfarrgemeinde und gründeten auch eine Lateinschule. Ein Jahr nach<lb/> der Einführung des lutherischen Katechismus wurde die erste lateinische Komödie<lb/> gespielt, „Sophokles, Aristophanes, Lucian, Euripides wurden im Kostüm auf¬<lb/> geführt. Täglich wird Vokal- und Instrumentalmusik getrieben. Von Realien<lb/> ist nicht die Rede. Rechnen, Geschichte, Geographie, Naturkunde fehlen. Die<lb/> vier Spezies lernte man damals erst auf der Universität. Die in Joachimsthal<lb/> Gebildeten besetzten daheim und auswärts Stellen als Pfarrer, Lehrer und<lb/> Beamte; sie treten als Dichter und Schriftsteller auf. Zu ihnen gehörte Lessings<lb/> Ahnherr Clemens Lessig." Obwohl mit ganzer Seele Schulmeister, glaubte sich<lb/> doch Mathesius auf sein Schulamt nicht beschränken zu dürfen. „Die immer<lb/> noch schwankenden kirchlichen Zustände, der häufige Wechsel der Pfarrer, die<lb/> vou solchen gegebnen Ärgernisse, der Wunsch einflußreicher Bürger drängten sein<lb/> wittenbergischcs Herz, die znknnftreichc Stadt ganz dem Luthertum zu gewinne»<lb/> und das Gemeindeleben auszugestalten." Um sich dafür fähig zu machen, ging<lb/> er noch einmal nach Wittenberg und studierte dort beinahe zwei Jahre Theo¬<lb/> logie. Im Jahre 1541 erhielt er das Diakonat an der Kirche zu Joachims¬<lb/> thal, der ersten, die für den evangelischen Gottesdienst gebaut worden ist. Leider<lb/> hat vor dreißig Jahren eine Feuersbrunst dieses wichtige Baudenkmal zerstört.<lb/> Im Jahre 1545 rückte er in das Pastorat ein und bekam die Aufsicht über<lb/> mehrere Filialen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2504" next="#ID_2505"> Vorher schon, 1542, hatte er die Tochter eines Bergbeamten geheiratet.<lb/> Die überaus glückliche mit sieben Kindern gesegnete Ehe löste nach dreizehn<lb/> Jahren der Tod der iinng geliebten Gattin. Zahlreiche rührende Äußerungen<lb/> in seinen Predigten, Vorreden und Briefen bekunden sein Eheglück, die herz¬<lb/> liche Liebe nud treue Fürsorge für seine Kinder. Nicht minder das gute Ein¬<lb/> vernehmen mit der Gemeinde, mit den bürgerlichen Behörden, mit Amtsgenossen<lb/> und werten Freunden. Einige Leichenpredigten widmet er „dem wirdigen und<lb/> wvlgelerten N. Caspar» Eberharden, Pfarrherr zum Wvlckcnstein, meinem<lb/> freundlichen liebe» Gefattern," weil er sein Lebtag mit Casparn ziemlich Glück<lb/> gehabt und mit etlichen des Namens in guter Freundschaft gestanden habe. Er<lb/> klagt, wie viel Tränen er schon in seinem Stndierstüblein vergossen habe, weil<lb/> ihm der Tod so viel liebe Angehörige und Freunde raube, von denen er<lb/> mehrere aufzählt. „So gesegnet mich auch meine allerliebste Hausfrau selige<lb/> und lasset mir sieben kleine und unerzogene Kinder, mit was Schmerzen und<lb/> Trübnus habt Ihr selbs gesehn und gehört, da Ihr in meinem Jammer stetig<lb/> um mich wäret." Tröstet sich und ihn jedoch mit der ewigen Seligkeit. „Allda<lb/> werdet Ihr auch Euer liebes und kleines Casparlein samt seinen Gesellen, so<lb/> zu Hall bei einander rasten, wieder finde», und erst recht ein väterliche Frende<lb/> an ihm haben." Er erinnert an ihren traulichen Verkehr miteinander. „Wir<lb/> haben in dieser Wüsteney und Sudöde» ISudeten?^ manch freundlich Gespräch<lb/> gehalten und sind in Ehren und gutem Gewissen fröhlich gewesen niemand zu<lb/> Nachteil. Wie oft habe ich mich Euer Zukunft jAnknnftf erfreuet, da Ihr in</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0543]
Johannes lNathosius
allesamt Deutsche und zwar meist Sachsen waren, zog die lutherische Lehre in
Böhmen ein, die einen durch den Hussitismus und die böhmischen Brüder wohl
vorbereiteten Boden fand. In Joachimsthal organisierten sich die Evangelischen
bald als Pfarrgemeinde und gründeten auch eine Lateinschule. Ein Jahr nach
der Einführung des lutherischen Katechismus wurde die erste lateinische Komödie
gespielt, „Sophokles, Aristophanes, Lucian, Euripides wurden im Kostüm auf¬
geführt. Täglich wird Vokal- und Instrumentalmusik getrieben. Von Realien
ist nicht die Rede. Rechnen, Geschichte, Geographie, Naturkunde fehlen. Die
vier Spezies lernte man damals erst auf der Universität. Die in Joachimsthal
Gebildeten besetzten daheim und auswärts Stellen als Pfarrer, Lehrer und
Beamte; sie treten als Dichter und Schriftsteller auf. Zu ihnen gehörte Lessings
Ahnherr Clemens Lessig." Obwohl mit ganzer Seele Schulmeister, glaubte sich
doch Mathesius auf sein Schulamt nicht beschränken zu dürfen. „Die immer
noch schwankenden kirchlichen Zustände, der häufige Wechsel der Pfarrer, die
vou solchen gegebnen Ärgernisse, der Wunsch einflußreicher Bürger drängten sein
wittenbergischcs Herz, die znknnftreichc Stadt ganz dem Luthertum zu gewinne»
und das Gemeindeleben auszugestalten." Um sich dafür fähig zu machen, ging
er noch einmal nach Wittenberg und studierte dort beinahe zwei Jahre Theo¬
logie. Im Jahre 1541 erhielt er das Diakonat an der Kirche zu Joachims¬
thal, der ersten, die für den evangelischen Gottesdienst gebaut worden ist. Leider
hat vor dreißig Jahren eine Feuersbrunst dieses wichtige Baudenkmal zerstört.
Im Jahre 1545 rückte er in das Pastorat ein und bekam die Aufsicht über
mehrere Filialen.
Vorher schon, 1542, hatte er die Tochter eines Bergbeamten geheiratet.
Die überaus glückliche mit sieben Kindern gesegnete Ehe löste nach dreizehn
Jahren der Tod der iinng geliebten Gattin. Zahlreiche rührende Äußerungen
in seinen Predigten, Vorreden und Briefen bekunden sein Eheglück, die herz¬
liche Liebe nud treue Fürsorge für seine Kinder. Nicht minder das gute Ein¬
vernehmen mit der Gemeinde, mit den bürgerlichen Behörden, mit Amtsgenossen
und werten Freunden. Einige Leichenpredigten widmet er „dem wirdigen und
wvlgelerten N. Caspar» Eberharden, Pfarrherr zum Wvlckcnstein, meinem
freundlichen liebe» Gefattern," weil er sein Lebtag mit Casparn ziemlich Glück
gehabt und mit etlichen des Namens in guter Freundschaft gestanden habe. Er
klagt, wie viel Tränen er schon in seinem Stndierstüblein vergossen habe, weil
ihm der Tod so viel liebe Angehörige und Freunde raube, von denen er
mehrere aufzählt. „So gesegnet mich auch meine allerliebste Hausfrau selige
und lasset mir sieben kleine und unerzogene Kinder, mit was Schmerzen und
Trübnus habt Ihr selbs gesehn und gehört, da Ihr in meinem Jammer stetig
um mich wäret." Tröstet sich und ihn jedoch mit der ewigen Seligkeit. „Allda
werdet Ihr auch Euer liebes und kleines Casparlein samt seinen Gesellen, so
zu Hall bei einander rasten, wieder finde», und erst recht ein väterliche Frende
an ihm haben." Er erinnert an ihren traulichen Verkehr miteinander. „Wir
haben in dieser Wüsteney und Sudöde» ISudeten?^ manch freundlich Gespräch
gehalten und sind in Ehren und gutem Gewissen fröhlich gewesen niemand zu
Nachteil. Wie oft habe ich mich Euer Zukunft jAnknnftf erfreuet, da Ihr in
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