Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Die moralischen Wochenschriften vernünftigen Gründen in allen, den geselligen Umgang, die Haushaltung, In seiner Schlußnnmmer charakterisiert sich der "Patriot" schließlich wie Der "Patriot" spricht ferner von den Menschen, die sich in Hamburg, Die moralischen Wochenschriften vernünftigen Gründen in allen, den geselligen Umgang, die Haushaltung, In seiner Schlußnnmmer charakterisiert sich der „Patriot" schließlich wie Der „Patriot" spricht ferner von den Menschen, die sich in Hamburg, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0487" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296866"/> <fw type="header" place="top"> Die moralischen Wochenschriften</fw><lb/> <p xml:id="ID_2195" prev="#ID_2194"> vernünftigen Gründen in allen, den geselligen Umgang, die Haushaltung,<lb/> Kinderzucht und gemeine Wohlfahrt betreffenden Sachen Andere gern von<lb/> Thorheiten abführen und ihnen dasjenige sagen will, was entweder so sonder¬<lb/> bar oder so lebhaft zu sagen die Umstände eines heiligen Amtes und Ortes<lb/> nicht allemal zulassen/' An einer andern Stelle heißt es: „Der Endzweck<lb/> aller seiner Bemühungen und das einzige, worauf alle seine weitläufige An¬<lb/> stalt abziele, sei Besserung; alle seine Kräfte gedenkt er dazu anzuwenden, daß<lb/> die bey seinen Mitbürgern, insonderheit den Teutschen, und unter denen bey<lb/> den Hamburgern, eingewurzelten Irrthümer, Mißbräuche und übele Gewohn¬<lb/> heiten, wo nicht ausgeraudet, wenigstens nach ihrer lächerlichen oder gefähr¬<lb/> lichen Wirkung vor Angen gestellt werden mögen."</p><lb/> <p xml:id="ID_2196"> In seiner Schlußnnmmer charakterisiert sich der „Patriot" schließlich wie<lb/> folgt: „Die Fehler einer übelen Erziehung sind von der Wiege an bis zu<lb/> den männlichen Jahren gezeiget worden. Ich bin dein Menschen fast durch<lb/> alle Stände und Abwechselungen seines Lebens gefolget. Ich habe ihn be¬<lb/> trachtet als einen Ehe-Mann, Vater, Unterthan, Bürger, Kaufmann, Nechts-<lb/> Gelehrten, eine obrigkeitliche Person, u. s. w. und was in jedem Stande seine<lb/> Schuldigkeit sey, ihn aufrichtigst belehret. Ich habe ihm die Thorheiten einer<lb/> übermüßigen Pracht in Kleidern, Carossen, Gärten, Gastereyen, Leichen-<lb/> Begängnissen u. s. w., entdecket; den Fleiß, die Wohlnnständigkeit hingegen<lb/> bestens angepriesen. Ich habe ihm eine umständliche Beschreibung der mensch¬<lb/> lichen Leidenschaften gegeben, und verschiedene gantze Papiere dazu angewandt,<lb/> um ihm die bösen Wirkungen des Neides, des Hochmuths, der Berläumdung,<lb/> der Selbstliebe, des Geizes, der mürrischen UnHöflichkeit zu zeigen; die Sitt¬<lb/> samkeit hingegen, Aufrichtigkeit, Menschen-Liebe, Großmuht u. s. w. an deren<lb/> Stelle zu versetzen gesucht." Soweit der „Patriot" selbst über seine Absichten<lb/> und seine Erfolge. Kindererziehung war eins der Hauptthemata, die er be¬<lb/> handelt. Heftig tadelt er die Sitte, die Kinder schon im zarten Alter der<lb/> Pflege andrer zu übergeben. „Die ourchgehends bei uns versäumte oder viel¬<lb/> mehr ganz irrig angestellte Kinder-Zucht ist die erste und mächtigste Ursache<lb/> unsers mannigfaltigen Unglücks," sagt der „Patriot." Er berichtet, wie die<lb/> Kinder bis zum neunten oder zehnten Jahr in den Händen der Dienstboten<lb/> bleiben und die Eltern kaum einmal wöchentlich zu sehen bekommen. Daß es<lb/> um die Erziehung im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts nicht nnr in<lb/> Hamburg, sondern fast in allen Städten, vom Lande gar nicht zu reden, noch<lb/> recht übel bestellt war, und daß auch andre zeitgenössische Schriftsteller, vor<lb/> allem Abraham a S. Clara, über die unvernünftige und schlechte Erziehung<lb/> bittere Klage führen, ist eine begründete Tatsache, die leider noch nicht ge-<lb/> nügend gewürdigt ist. Wenn jemand eine Geschichte der häuslichen Erziehung<lb/> im achtzehnte» Jahrhundert schreiben will, so wird ihm der „Hamburger<lb/> Patriot" eine Fülle von Anregung bieten, wie überhaupt die moralische«<lb/> Wochenschriften eine Fundgrube für den Kulturhistoriker sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_2197" next="#ID_2198"> Der „Patriot" spricht ferner von den Menschen, die sich in Hamburg,<lb/> ohne die nötige Vorbildung zu haben, als Schulhalter niederließen und über<lb/> eine große Anzahl von Kindern ein strenges Rutenregiment ausübten; das ist</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0487]
Die moralischen Wochenschriften
vernünftigen Gründen in allen, den geselligen Umgang, die Haushaltung,
Kinderzucht und gemeine Wohlfahrt betreffenden Sachen Andere gern von
Thorheiten abführen und ihnen dasjenige sagen will, was entweder so sonder¬
bar oder so lebhaft zu sagen die Umstände eines heiligen Amtes und Ortes
nicht allemal zulassen/' An einer andern Stelle heißt es: „Der Endzweck
aller seiner Bemühungen und das einzige, worauf alle seine weitläufige An¬
stalt abziele, sei Besserung; alle seine Kräfte gedenkt er dazu anzuwenden, daß
die bey seinen Mitbürgern, insonderheit den Teutschen, und unter denen bey
den Hamburgern, eingewurzelten Irrthümer, Mißbräuche und übele Gewohn¬
heiten, wo nicht ausgeraudet, wenigstens nach ihrer lächerlichen oder gefähr¬
lichen Wirkung vor Angen gestellt werden mögen."
In seiner Schlußnnmmer charakterisiert sich der „Patriot" schließlich wie
folgt: „Die Fehler einer übelen Erziehung sind von der Wiege an bis zu
den männlichen Jahren gezeiget worden. Ich bin dein Menschen fast durch
alle Stände und Abwechselungen seines Lebens gefolget. Ich habe ihn be¬
trachtet als einen Ehe-Mann, Vater, Unterthan, Bürger, Kaufmann, Nechts-
Gelehrten, eine obrigkeitliche Person, u. s. w. und was in jedem Stande seine
Schuldigkeit sey, ihn aufrichtigst belehret. Ich habe ihm die Thorheiten einer
übermüßigen Pracht in Kleidern, Carossen, Gärten, Gastereyen, Leichen-
Begängnissen u. s. w., entdecket; den Fleiß, die Wohlnnständigkeit hingegen
bestens angepriesen. Ich habe ihm eine umständliche Beschreibung der mensch¬
lichen Leidenschaften gegeben, und verschiedene gantze Papiere dazu angewandt,
um ihm die bösen Wirkungen des Neides, des Hochmuths, der Berläumdung,
der Selbstliebe, des Geizes, der mürrischen UnHöflichkeit zu zeigen; die Sitt¬
samkeit hingegen, Aufrichtigkeit, Menschen-Liebe, Großmuht u. s. w. an deren
Stelle zu versetzen gesucht." Soweit der „Patriot" selbst über seine Absichten
und seine Erfolge. Kindererziehung war eins der Hauptthemata, die er be¬
handelt. Heftig tadelt er die Sitte, die Kinder schon im zarten Alter der
Pflege andrer zu übergeben. „Die ourchgehends bei uns versäumte oder viel¬
mehr ganz irrig angestellte Kinder-Zucht ist die erste und mächtigste Ursache
unsers mannigfaltigen Unglücks," sagt der „Patriot." Er berichtet, wie die
Kinder bis zum neunten oder zehnten Jahr in den Händen der Dienstboten
bleiben und die Eltern kaum einmal wöchentlich zu sehen bekommen. Daß es
um die Erziehung im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts nicht nnr in
Hamburg, sondern fast in allen Städten, vom Lande gar nicht zu reden, noch
recht übel bestellt war, und daß auch andre zeitgenössische Schriftsteller, vor
allem Abraham a S. Clara, über die unvernünftige und schlechte Erziehung
bittere Klage führen, ist eine begründete Tatsache, die leider noch nicht ge-
nügend gewürdigt ist. Wenn jemand eine Geschichte der häuslichen Erziehung
im achtzehnte» Jahrhundert schreiben will, so wird ihm der „Hamburger
Patriot" eine Fülle von Anregung bieten, wie überhaupt die moralische«
Wochenschriften eine Fundgrube für den Kulturhistoriker sind.
Der „Patriot" spricht ferner von den Menschen, die sich in Hamburg,
ohne die nötige Vorbildung zu haben, als Schulhalter niederließen und über
eine große Anzahl von Kindern ein strenges Rutenregiment ausübten; das ist
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |