Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Die moralischen Wochenschriften Am 1, November 1721 erschien die erste Nummer, zwei Jahre lang hat Den englischen Wochenschriften kam auch diese Unternehmung nicht im Eine wirklich gediegne Wochenschrift, die ihre Vorgängerinnen bei weitem Die erste Nummer in der Stärke eines halben Bogens erschien, wie Die Herausgeber nannten sich ursprünglich nicht, erst nach fünf Jahren Die moralischen Wochenschriften Am 1, November 1721 erschien die erste Nummer, zwei Jahre lang hat Den englischen Wochenschriften kam auch diese Unternehmung nicht im Eine wirklich gediegne Wochenschrift, die ihre Vorgängerinnen bei weitem Die erste Nummer in der Stärke eines halben Bogens erschien, wie Die Herausgeber nannten sich ursprünglich nicht, erst nach fünf Jahren <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0486" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296865"/> <fw type="header" place="top"> Die moralischen Wochenschriften</fw><lb/> <p xml:id="ID_2190"> Am 1, November 1721 erschien die erste Nummer, zwei Jahre lang hat<lb/> die Zeitung bestanden, mit einem vierten Band schloß sie am 28. November 1724<lb/> ab. Sie ist in 104 Diskursen erschienen; die Mitarbeiter verbargen sich unter<lb/> Decknamen aller Art. In Zürich war man natürlich über das Konkurrenz¬<lb/> unternehmen nicht sehr erbaut, ein heftiger Zeitungskampf entspann sich in<lb/> der ersten Zeit, und wenn auch der erste vollendete Band des Freitags¬<lb/> blättleins den Zürichern gewidmet war, die Eifersucht und die Angriffe der<lb/> Züricher blieben und fanden erst ihr Ende, als die Diskurse der Maler<lb/> eingingen. Die Berner widmeten den letzten Band ihrer Zeitschrift „der<lb/> bernischen Nachwelt" und sprachen die Hoffnung ans, daß die Nachwelt ihre<lb/> Zeit nicht besser und nicht schlechter finden werde, als sie im Freitagsblüttleiu<lb/> geschildert worden sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_2191"> Den englischen Wochenschriften kam auch diese Unternehmung nicht im<lb/> entferntesten gleich, die Sprache ist unbehilflich, die Artikel sind oft recht<lb/> langweilig, seicht und platt. Doch trug das Freitagsblüttlein, wie Jöcher<lb/> hervorhebt, zur Unterhaltung und Anregung bei und berührte neben vielen<lb/> gleichgiltigen und abgeschmackten doch auch wichtigere Fragen. Als erster<lb/> Versuch einer Zeitung, d. h. Wochenschrift in Bern verdiente es alle Beach¬<lb/> tung. An späterer Stelle werden wir Altmann wieder begegnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2192"> Eine wirklich gediegne Wochenschrift, die ihre Vorgängerinnen bei weitem<lb/> übertraf, war der seit dem 5. Januar 1724 in Hamburg erscheinende „Patriot,"<lb/> die geistvollste und entschieden die wirksamste unter allen deutschen moralischen<lb/> Wochenschriften. Die Zeitgenossen waren von dem Blatt begeistert, Gottsched<lb/> preist es in überschwenglichen Worten, der in Berlin sehr gefeierte Hofdichter<lb/> von Besser rühmt „seine schone Schreibart und die saubere Reinlichkeit seiner<lb/> Feder und seiner Morale," und noch Herder hebt lobend Brockes und des<lb/> Patrioten Verdienste um die Veredlung der Sprache und der Literatur hervor.</p><lb/> <p xml:id="ID_2193"> Die erste Nummer in der Stärke eines halben Bogens erschien, wie<lb/> Jacoby nachweist, der dadurch die Angaben bei Milberg richtig stellt, „Mitt-<lb/> wochens den 5 Jenner 1724 in Hamburg bei Johann Christoph Kissnern"<lb/> in Quart und kostete einen Schilling oder Sechser; die nachfolgenden Nummern<lb/> gelangten Donnerstags zur Ausgabe. Das Titelblatt zeigt eine Medaille<lb/> mit dem Kopfe des Sokrates und der Überschrift „Cosmopolites."</p><lb/> <p xml:id="ID_2194" next="#ID_2195"> Die Herausgeber nannten sich ursprünglich nicht, erst nach fünf Jahren<lb/> bei der zweiten Auflage finden sich die Namen der Mitarbeiter, es sind als<lb/> solche verzeichnet: Joh. Jul. Snrlcmd (Syndikus der freien Stadt Hamburg),<lb/> Conrad Widow und B. H. Brockes (Senatoren), Joh. Alb. Fabricins (Pro¬<lb/> fessor der Moral und Eloquenz), Joh. Thomas (Pfarrer der englischen Kirche),<lb/> Chr. Fr. Weichmcmn (Braunschweigischer Rat), Joh. Ad. Hoffmann (philos. und<lb/> xlülc.1.), Joh. Klefcker (Syndikus). Joh. Jul. Ankelmann (Senator) und Mich.<lb/> Nichey (Professor publieus). Die Mitglieder und Mitarbeiter erörterten in<lb/> wöchentlichen Zusammenkünften die wichtigsten Fragen der „Rechts- und Sitten-<lb/> lehre, der Staats- und Handlungskuust" und verteilten dann untereinander<lb/> diese durchsprochnen Aufgaben zur schriftlichen Bearbeitung. Der Patriot selbst<lb/> bezeichnet sein Wesen am besten, wenn er sagt, „daß er mit natürlichen und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0486]
Die moralischen Wochenschriften
Am 1, November 1721 erschien die erste Nummer, zwei Jahre lang hat
die Zeitung bestanden, mit einem vierten Band schloß sie am 28. November 1724
ab. Sie ist in 104 Diskursen erschienen; die Mitarbeiter verbargen sich unter
Decknamen aller Art. In Zürich war man natürlich über das Konkurrenz¬
unternehmen nicht sehr erbaut, ein heftiger Zeitungskampf entspann sich in
der ersten Zeit, und wenn auch der erste vollendete Band des Freitags¬
blättleins den Zürichern gewidmet war, die Eifersucht und die Angriffe der
Züricher blieben und fanden erst ihr Ende, als die Diskurse der Maler
eingingen. Die Berner widmeten den letzten Band ihrer Zeitschrift „der
bernischen Nachwelt" und sprachen die Hoffnung ans, daß die Nachwelt ihre
Zeit nicht besser und nicht schlechter finden werde, als sie im Freitagsblüttleiu
geschildert worden sei.
Den englischen Wochenschriften kam auch diese Unternehmung nicht im
entferntesten gleich, die Sprache ist unbehilflich, die Artikel sind oft recht
langweilig, seicht und platt. Doch trug das Freitagsblüttlein, wie Jöcher
hervorhebt, zur Unterhaltung und Anregung bei und berührte neben vielen
gleichgiltigen und abgeschmackten doch auch wichtigere Fragen. Als erster
Versuch einer Zeitung, d. h. Wochenschrift in Bern verdiente es alle Beach¬
tung. An späterer Stelle werden wir Altmann wieder begegnen.
Eine wirklich gediegne Wochenschrift, die ihre Vorgängerinnen bei weitem
übertraf, war der seit dem 5. Januar 1724 in Hamburg erscheinende „Patriot,"
die geistvollste und entschieden die wirksamste unter allen deutschen moralischen
Wochenschriften. Die Zeitgenossen waren von dem Blatt begeistert, Gottsched
preist es in überschwenglichen Worten, der in Berlin sehr gefeierte Hofdichter
von Besser rühmt „seine schone Schreibart und die saubere Reinlichkeit seiner
Feder und seiner Morale," und noch Herder hebt lobend Brockes und des
Patrioten Verdienste um die Veredlung der Sprache und der Literatur hervor.
Die erste Nummer in der Stärke eines halben Bogens erschien, wie
Jacoby nachweist, der dadurch die Angaben bei Milberg richtig stellt, „Mitt-
wochens den 5 Jenner 1724 in Hamburg bei Johann Christoph Kissnern"
in Quart und kostete einen Schilling oder Sechser; die nachfolgenden Nummern
gelangten Donnerstags zur Ausgabe. Das Titelblatt zeigt eine Medaille
mit dem Kopfe des Sokrates und der Überschrift „Cosmopolites."
Die Herausgeber nannten sich ursprünglich nicht, erst nach fünf Jahren
bei der zweiten Auflage finden sich die Namen der Mitarbeiter, es sind als
solche verzeichnet: Joh. Jul. Snrlcmd (Syndikus der freien Stadt Hamburg),
Conrad Widow und B. H. Brockes (Senatoren), Joh. Alb. Fabricins (Pro¬
fessor der Moral und Eloquenz), Joh. Thomas (Pfarrer der englischen Kirche),
Chr. Fr. Weichmcmn (Braunschweigischer Rat), Joh. Ad. Hoffmann (philos. und
xlülc.1.), Joh. Klefcker (Syndikus). Joh. Jul. Ankelmann (Senator) und Mich.
Nichey (Professor publieus). Die Mitglieder und Mitarbeiter erörterten in
wöchentlichen Zusammenkünften die wichtigsten Fragen der „Rechts- und Sitten-
lehre, der Staats- und Handlungskuust" und verteilten dann untereinander
diese durchsprochnen Aufgaben zur schriftlichen Bearbeitung. Der Patriot selbst
bezeichnet sein Wesen am besten, wenn er sagt, „daß er mit natürlichen und
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