Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Die Annäherung Deutschlands und der vereinigten Staaten beilegen wollte, zu der sie jetzt Anlaß geben. Solange wir nicht dieselbe Er¬ Man kann scheinbar vieles einwenden gegen die neue Form, in die auf Die Annäherung Deutschlands und der vereinigten Staaten beilegen wollte, zu der sie jetzt Anlaß geben. Solange wir nicht dieselbe Er¬ Man kann scheinbar vieles einwenden gegen die neue Form, in die auf <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0467" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296846"/> <fw type="header" place="top"> Die Annäherung Deutschlands und der vereinigten Staaten</fw><lb/> <p xml:id="ID_2144" prev="#ID_2143"> beilegen wollte, zu der sie jetzt Anlaß geben. Solange wir nicht dieselbe Er¬<lb/> klärung in einer Botschaft an den Kongreß formuliert sehen, werden wir fort¬<lb/> fahren zu hoffen, daß der Präsident nicht die Absicht gehabt haben kann, zu<lb/> versichern, daß die Vereinigten Staaten ihren Schwestcrrepubliken gegenüber<lb/> die Rolle eines Gerichtsvollziehers im Interesse der fremden Mächte einnehmen<lb/> sollen." Wenig Tage darauf erfolgte Noosevelts Botschaft an den Kongreß<lb/> vom 5. Dezember 1904, und der ganze Passus des eudan lsttor war fast<lb/> wörtlich in sie aufgenommen. Das Januarheft der Mre.Il ^.msriean Revier<lb/> brachte daraufhin eine unumwundne Billigung der vorher kritisierten Doktrin.<lb/> Einige Ausdrücke sind allerdings gemildert worden. An Stelle von „brutal" ist<lb/> „chronisch" getreten, und der Hinweis auf die „Pflicht" der Vereinigten Staaten<lb/> ist weggefallen. Dafür ist als mildernder Schlußsatz hinzugekommen: „Wir<lb/> würden eine Intervention nur als letztes Hilfsmittel anwenden, wenn die Rechte<lb/> der Vereinigten Staaten durch die Unfähigkeit oder mangelnde Bereitwilligkeit<lb/> dieser Staaten, Gerechtigkeit zu üben, verletzt worden wären, oder dadurch ein<lb/> fremder Angriff zum Schaden der Gesamtheit der amerikanischen Nationen<lb/> hervorgerufen worden wäre."</p><lb/> <p xml:id="ID_2145"> Man kann scheinbar vieles einwenden gegen die neue Form, in die auf<lb/> diese Weise die alte Monroedoktrin gegossen worden ist, und die von der Presse<lb/> als Hoosevelt, Om-olZiii^ bezeichnet wird. Wie können die Vereinigten Staaten<lb/> von den andern amerikanischen Republiken verlangen, daß sie sich eine Beschlag¬<lb/> nahme ihrer Einnahmen zur Liquidation ihrer gewöhnlichen Schulden gefallen<lb/> lassen sollen, wo doch die Union selbst ihre Schulden an die britischen Kauf¬<lb/> leute noch nicht bezahlt hat, die im Frieden von 1783 ausdrücklich stipuliert<lb/> worden waren? Und wie findet sich Roosevelt mit der Interpretation des<lb/> Präsidenten Adams ab, der 1826 unzweideutig erklärte: tre Uniwä Staates<lb/> is not MiMä to starick Auarcl ovsr elf two (!) ^inerioas? Hierauf hat<lb/> Roosevelt schon im Jahre 1896 die treffende Antwort gegeben, daß die<lb/> Monroedoktrin kein juristischer, sonder» ein politischer Grundbegriff sei. Des¬<lb/> halb ist es ganz gleichgiltig, ob sie sich juristisch rechtfertigen und begründen<lb/> läßt. Es kommt vielmehr allein darauf an, ob die Bereinigten Staaten<lb/> sie praktisch werden zur Geltung bringen können, und dazu hat Roose¬<lb/> velt mit dem Zusatz, den er der Doktrin gegeben hat, den Anfang gemacht,<lb/> ^r Zusatz war eine natürliche Folge der Stellung der Vereinigten Staaten<lb/> bei der letzten europäischen Venezuela-Intervention. England, Italien und<lb/> Deutschland wären durch das Verhalten Venezuelas gezwungen gewesen, die<lb/> Finanzkontrolle des Landes zu übernehmen, eventuell sogar zu einer Okkupation<lb/> ZU schreiten, ohne daß die Vereinigten Staaten dieses hätten verhindern können,<lb/> da sich Venezuela selbst ins Unrecht gesetzt hatte. Die Monroedoktrin konnte<lb/> also nur aufrecht erhalten werden, wenn die Union Venezuela zwang, künftighin<lb/> gerecht zu handeln, und dadurch den europäischen Mächten den Grund zu<lb/> ihrem Vorgehn entzog. Einen andern Ausweg gab es nicht, und alles dreht<lb/> sich von jetzt ab um die Fragen, ob der Koosevslt Oorollar^ geographisch<lb/> unbegrenzt bleiben wird, und ob die Vereinigten Staaten die Macht haben<lb/> werden, die Doktrin ausnahmlos durchzusetzen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0467]
Die Annäherung Deutschlands und der vereinigten Staaten
beilegen wollte, zu der sie jetzt Anlaß geben. Solange wir nicht dieselbe Er¬
klärung in einer Botschaft an den Kongreß formuliert sehen, werden wir fort¬
fahren zu hoffen, daß der Präsident nicht die Absicht gehabt haben kann, zu
versichern, daß die Vereinigten Staaten ihren Schwestcrrepubliken gegenüber
die Rolle eines Gerichtsvollziehers im Interesse der fremden Mächte einnehmen
sollen." Wenig Tage darauf erfolgte Noosevelts Botschaft an den Kongreß
vom 5. Dezember 1904, und der ganze Passus des eudan lsttor war fast
wörtlich in sie aufgenommen. Das Januarheft der Mre.Il ^.msriean Revier
brachte daraufhin eine unumwundne Billigung der vorher kritisierten Doktrin.
Einige Ausdrücke sind allerdings gemildert worden. An Stelle von „brutal" ist
„chronisch" getreten, und der Hinweis auf die „Pflicht" der Vereinigten Staaten
ist weggefallen. Dafür ist als mildernder Schlußsatz hinzugekommen: „Wir
würden eine Intervention nur als letztes Hilfsmittel anwenden, wenn die Rechte
der Vereinigten Staaten durch die Unfähigkeit oder mangelnde Bereitwilligkeit
dieser Staaten, Gerechtigkeit zu üben, verletzt worden wären, oder dadurch ein
fremder Angriff zum Schaden der Gesamtheit der amerikanischen Nationen
hervorgerufen worden wäre."
Man kann scheinbar vieles einwenden gegen die neue Form, in die auf
diese Weise die alte Monroedoktrin gegossen worden ist, und die von der Presse
als Hoosevelt, Om-olZiii^ bezeichnet wird. Wie können die Vereinigten Staaten
von den andern amerikanischen Republiken verlangen, daß sie sich eine Beschlag¬
nahme ihrer Einnahmen zur Liquidation ihrer gewöhnlichen Schulden gefallen
lassen sollen, wo doch die Union selbst ihre Schulden an die britischen Kauf¬
leute noch nicht bezahlt hat, die im Frieden von 1783 ausdrücklich stipuliert
worden waren? Und wie findet sich Roosevelt mit der Interpretation des
Präsidenten Adams ab, der 1826 unzweideutig erklärte: tre Uniwä Staates
is not MiMä to starick Auarcl ovsr elf two (!) ^inerioas? Hierauf hat
Roosevelt schon im Jahre 1896 die treffende Antwort gegeben, daß die
Monroedoktrin kein juristischer, sonder» ein politischer Grundbegriff sei. Des¬
halb ist es ganz gleichgiltig, ob sie sich juristisch rechtfertigen und begründen
läßt. Es kommt vielmehr allein darauf an, ob die Bereinigten Staaten
sie praktisch werden zur Geltung bringen können, und dazu hat Roose¬
velt mit dem Zusatz, den er der Doktrin gegeben hat, den Anfang gemacht,
^r Zusatz war eine natürliche Folge der Stellung der Vereinigten Staaten
bei der letzten europäischen Venezuela-Intervention. England, Italien und
Deutschland wären durch das Verhalten Venezuelas gezwungen gewesen, die
Finanzkontrolle des Landes zu übernehmen, eventuell sogar zu einer Okkupation
ZU schreiten, ohne daß die Vereinigten Staaten dieses hätten verhindern können,
da sich Venezuela selbst ins Unrecht gesetzt hatte. Die Monroedoktrin konnte
also nur aufrecht erhalten werden, wenn die Union Venezuela zwang, künftighin
gerecht zu handeln, und dadurch den europäischen Mächten den Grund zu
ihrem Vorgehn entzog. Einen andern Ausweg gab es nicht, und alles dreht
sich von jetzt ab um die Fragen, ob der Koosevslt Oorollar^ geographisch
unbegrenzt bleiben wird, und ob die Vereinigten Staaten die Macht haben
werden, die Doktrin ausnahmlos durchzusetzen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |