Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Herrenmenschen hatte keine Freude daran, auf seinem Schneidertische zu sitzen, vielmehr liebte er es, Er forderte Kondrot vor sich, und Kondrot durfte es nicht verweigern zu Kondrot setzte sich an den Tisch, wo Schreibbedarf bereit lag. Schreiben Sie, fuhr Groppoff fort: An die Königliche Staatsanwaltschaft Kondrot hatte beim Schreiben gestockt. Jetzt legte er die Feder nieder und Groppoff riß die Augen auf und lachte -- aber es war das Lachen der Herr Amtshauptmann, sagte Kondrot bescheiden, Sie wissen so gut wie ich, Haha! auch kein Frauenjäger? erwiderte Groppoff. Auch das nicht. Und nun wollen Sie wohl, Sie Lump, mit Ihrem Gewissen kommen? Wer hat Kondrot traten die Tränen in die Augen. Erbarn es Gott, Herr Amts¬ Groppoff ging im Zimmer ans und ab, stellte sich vor Kondrot auf und Damit erschrecken Sie mich nicht mehr, rief Kondrot. Erzählen Sie meine Sieh da, sagte Groppoff, weil Sie Ihre Reimerei niedergelegt haben. Hätten Herrenmenschen hatte keine Freude daran, auf seinem Schneidertische zu sitzen, vielmehr liebte er es, Er forderte Kondrot vor sich, und Kondrot durfte es nicht verweigern zu Kondrot setzte sich an den Tisch, wo Schreibbedarf bereit lag. Schreiben Sie, fuhr Groppoff fort: An die Königliche Staatsanwaltschaft Kondrot hatte beim Schreiben gestockt. Jetzt legte er die Feder nieder und Groppoff riß die Augen auf und lachte — aber es war das Lachen der Herr Amtshauptmann, sagte Kondrot bescheiden, Sie wissen so gut wie ich, Haha! auch kein Frauenjäger? erwiderte Groppoff. Auch das nicht. Und nun wollen Sie wohl, Sie Lump, mit Ihrem Gewissen kommen? Wer hat Kondrot traten die Tränen in die Augen. Erbarn es Gott, Herr Amts¬ Groppoff ging im Zimmer ans und ab, stellte sich vor Kondrot auf und Damit erschrecken Sie mich nicht mehr, rief Kondrot. Erzählen Sie meine Sieh da, sagte Groppoff, weil Sie Ihre Reimerei niedergelegt haben. Hätten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0447" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296828"/> <fw type="header" place="top"> Herrenmenschen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2004" prev="#ID_2003"> hatte keine Freude daran, auf seinem Schneidertische zu sitzen, vielmehr liebte er es,<lb/> in der Tür zu stehn und zu schwatzen oder herumznspioniereu. Besonders gern<lb/> saß er auf seinem Beobachtungsposten oben im Giebel unterm Dach, wo die<lb/> Öffnung gelassen war, durch die der Rauch des schornsteinlosen Hauses abzog. Um<lb/> nicht gesehen oder erkannt zu werden, hatte er sich aus schwarzem Futterkattun eine<lb/> bis zur Hüfte reichende Mütze mit Augenlöchern gemacht, wie sie die Richter der<lb/> heiligen Feine trugen. Die zog er über den Kopf, wenn er auf dem Hahnenbalken<lb/> saß und spionierte. Was er nun beobachtet hatte, das notierte er in sein Buch<lb/> ganz genau nach Tag und Stunde. Und dann kombinierte er, und dann rap¬<lb/> portierte er auf dem Amte. Dafür wurde ihm durch die Finger gesehen, wenn<lb/> er es beim Hvlzmausen einmal zu unverschämt trieb. Dieser Schneider Quaukies<lb/> hatte nun jeden Gang Kondrots zum Schlößchen beobachtet und notiert, war den<lb/> Spuren des Schulzen gefolgt, hatte den Georg und den David ausgefragt und<lb/> hatte von der Arte Veit herausgekriegt, daß das Gericht Fische, das sie hinaus¬<lb/> trug, ein Geschenk für Ramborn sein solle. Dies alles und noch manches andre<lb/> berichtete er demi Amtshauptmann, worauf ihn dieser kühl abfertigte. Aber kaum<lb/> hatte Qnankies das Haus verlassen, so brach bei Groppoff ein großer Zorn los,<lb/> den jeder zu spüren bekam, der sich ihm näherte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2005"> Er forderte Kondrot vor sich, und Kondrot durfte es nicht verweigern zu<lb/> kommen, einmal seines Dienstes als Forstkassenvcrwalter wegen, und denn hätte<lb/> er es auch uicht gewagt, sich öffentlich gegen einen Befehl Groppvffs aufzulehnen.<lb/> Kondrot trat ein, und Groppoff, der gerade seine Büchsen vite, nahm keine Notiz<lb/> von ihm. Aber seine Augen stachen unter den Brauen hervor, und an den hastig<lb/> bewegten Händen konnte man sehen, daß in ihm ein heftiger Zorn kochte. Nach<lb/> einer Weile sagte er kalt und hochfahrend: Setzen Sie sich. Schreiben Sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_2006"> Kondrot setzte sich an den Tisch, wo Schreibbedarf bereit lag.</p><lb/> <p xml:id="ID_2007"> Schreiben Sie, fuhr Groppoff fort: An die Königliche Staatsanwaltschaft<lb/> in N. Ein Freund des Gesetzes, der leider seinen Namen verschweigen muß, hält<lb/> sich in seinem Gewissen für verpflichtet, anzuzeigen, daß ein gewisser Doktor<lb/> — Doktor in Gänsefüßchen — Ramborn, der sich hier ohne ersichtlichen Zweck<lb/> aufhält, Wilddieberei ausübt und Elche schießt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2008"> Kondrot hatte beim Schreiben gestockt. Jetzt legte er die Feder nieder und<lb/> sagte: Herr Amtshauptmann, das schreibe ich nicht.</p><lb/> <p xml:id="ID_2009"> Groppoff riß die Augen auf und lachte — aber es war das Lachen der<lb/> Hhäne. Es sah so aus, als wenn er auf Kondrot losspringen wollte. 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Herrenmenschen
hatte keine Freude daran, auf seinem Schneidertische zu sitzen, vielmehr liebte er es,
in der Tür zu stehn und zu schwatzen oder herumznspioniereu. Besonders gern
saß er auf seinem Beobachtungsposten oben im Giebel unterm Dach, wo die
Öffnung gelassen war, durch die der Rauch des schornsteinlosen Hauses abzog. Um
nicht gesehen oder erkannt zu werden, hatte er sich aus schwarzem Futterkattun eine
bis zur Hüfte reichende Mütze mit Augenlöchern gemacht, wie sie die Richter der
heiligen Feine trugen. Die zog er über den Kopf, wenn er auf dem Hahnenbalken
saß und spionierte. Was er nun beobachtet hatte, das notierte er in sein Buch
ganz genau nach Tag und Stunde. Und dann kombinierte er, und dann rap¬
portierte er auf dem Amte. Dafür wurde ihm durch die Finger gesehen, wenn
er es beim Hvlzmausen einmal zu unverschämt trieb. Dieser Schneider Quaukies
hatte nun jeden Gang Kondrots zum Schlößchen beobachtet und notiert, war den
Spuren des Schulzen gefolgt, hatte den Georg und den David ausgefragt und
hatte von der Arte Veit herausgekriegt, daß das Gericht Fische, das sie hinaus¬
trug, ein Geschenk für Ramborn sein solle. Dies alles und noch manches andre
berichtete er demi Amtshauptmann, worauf ihn dieser kühl abfertigte. Aber kaum
hatte Qnankies das Haus verlassen, so brach bei Groppoff ein großer Zorn los,
den jeder zu spüren bekam, der sich ihm näherte.
Er forderte Kondrot vor sich, und Kondrot durfte es nicht verweigern zu
kommen, einmal seines Dienstes als Forstkassenvcrwalter wegen, und denn hätte
er es auch uicht gewagt, sich öffentlich gegen einen Befehl Groppvffs aufzulehnen.
Kondrot trat ein, und Groppoff, der gerade seine Büchsen vite, nahm keine Notiz
von ihm. Aber seine Augen stachen unter den Brauen hervor, und an den hastig
bewegten Händen konnte man sehen, daß in ihm ein heftiger Zorn kochte. Nach
einer Weile sagte er kalt und hochfahrend: Setzen Sie sich. Schreiben Sie.
Kondrot setzte sich an den Tisch, wo Schreibbedarf bereit lag.
Schreiben Sie, fuhr Groppoff fort: An die Königliche Staatsanwaltschaft
in N. Ein Freund des Gesetzes, der leider seinen Namen verschweigen muß, hält
sich in seinem Gewissen für verpflichtet, anzuzeigen, daß ein gewisser Doktor
— Doktor in Gänsefüßchen — Ramborn, der sich hier ohne ersichtlichen Zweck
aufhält, Wilddieberei ausübt und Elche schießt.
Kondrot hatte beim Schreiben gestockt. Jetzt legte er die Feder nieder und
sagte: Herr Amtshauptmann, das schreibe ich nicht.
Groppoff riß die Augen auf und lachte — aber es war das Lachen der
Hhäne. Es sah so aus, als wenn er auf Kondrot losspringen wollte. Aber er
hielt sich noch zurück.
Herr Amtshauptmann, sagte Kondrot bescheiden, Sie wissen so gut wie ich,
daß Doktor Ramborn kein Wilddieb ist.
Haha! auch kein Frauenjäger? erwiderte Groppoff.
Auch das nicht.
Und nun wollen Sie wohl, Sie Lump, mit Ihrem Gewissen kommen? Wer hat
gewisse saubere Briefchen geschrieben, ohne daß ihn sein Gewissen gehindert hätte?
Kondrot traten die Tränen in die Augen. Erbarn es Gott, Herr Amts¬
hauptmann, ich habe sie geschrieben, nud ich habe es mit blutigen Tränen bereut.
Und Sie haben mich gezwungen.
Groppoff ging im Zimmer ans und ab, stellte sich vor Kondrot auf und
sagte mit kaltem Hohne: Warum haben Sie sich zwingen lassen? Aber es gibt
Dinge, mit denen man widerspenstige Kreaturen zahm macht, Korallen, Halsbänder,
Hundepeitschen und andre schöne Sachen. Sehen Sie mal hier. — Damit zeigte
er die Silberplnttc mit der Inschrift 50L.
Damit erschrecken Sie mich nicht mehr, rief Kondrot. Erzählen Sie meine
Sünde, wem Sie wollen.
Sieh da, sagte Groppoff, weil Sie Ihre Reimerei niedergelegt haben. Hätten
Sie längst tuu müssen, wenn Sie Ehre im Leibe gehabt hätten. Aber frei sind
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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
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