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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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Herrenmenschen

Der Schulze holte sich also seine zwei Sünder hinter den Pferden hervor,
sah sie mit gesenktem Kopf und ineincmdergelegten Händen bekümmert und ein¬
dringlich an und sagte: So?--Also ihr seid die Spitzbuben? Wißt ihr,
was das heißt, Spitzbuben? Unser Herr Jesus Christus sagt, ihr Schweinigel!
-- dabei bekam jeder von den Schweinigeln eine wohlgezielte Ohrfeige --, wer
im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu, und ihr unterschlägt das
Futter für die Pferde! Seht ihr wohl! -- Wieder wurden ein paar Ohrfeigen
locker, aber die Übeltäter zogen vorsichtig die Köpfe zurück. -- Und wie sagt
Snlomon in den Sprichwörtern? Er sagt, ihr Hundejungen! -- der Gerechte
erbarmt sich auch seines Viehes. Und ihr laßt die arme Kreatur hungern. Seht
ihr wohl! -- Wieder zog das würdige Brüderpaar die Köpfe vorsichtig in die
Schultern. -- Und nun sage ich euch, ihr Erzhaluuken! wenn ich wieder höre,
daß ihr die arme Kreatur bestohlen habt, dann bringe ich ein Tauende mit und
sperre euch ins Spritzenhaus.

Die beiden Knechte erwiderten kein Wort, sondern ließen die Köpfe hängen.
Das war eine Kopfwäsche, die sie nicht erwartet hatten. Mochte doch der Inspektor
soviel schimpfen, wie er wollte, das tat nichts, aber Gottes Wort und das Tau¬
ende, das waren gar zu eindringliche Gründe.

Der Schulze wandte sich zum Gehn, kehrte aber noch einmal um, wie ein
Gewitter, das, ehe es verschwindet, noch einmal seine Stärke zeigt, und herrschte
die Sünder an: Was steht ihr hier und sperrt das Maul auf? Tut Buße, ihr
Himmelhunde! Bekehre euch, daß eure Sünden von euch genommen werden. Und
wie steht geschrieben Epheser am vierten? Wie steht geschrieben? -- Er faßte den
Nächststehenden an der Brust. -- Er weiß es nicht. Seht ihr wohl! Den Bauch
vollschlagen, Schnaps trinken, daß ihr unsinnig werdet, die Zeit verhudeln, Futter
stehlen, das könnt ihr, aber Gottes Wort kennt ihr nicht. Wie steht geschrieben
Epheser am vierten? Epheser am vierten steht geschrieben, ihr Lumpen! Wer
gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern schaffe mit seinen Händen etwas Gutes.

Jetzt ging der Schulze ab, und der Kreis der Zuhörer war wohl erbaut
von der Bibelfestigkeit ihres Schulzen und von der kräftigen Anwendung von
Gottes Wort.

Die Wirkung dieser Bußrede auf näher und ferner beteiligte war ausge¬
zeichnet. Georg und David waren wie ausgewechselt, gehorchten aufs Wort und
tranken ihren Schnaps nur noch im Verborgnen. Mariele wandte sich verlegen an
Tauenden und zeigte ihr eine Stelle im Zaun, wo die Pfähle losgebrochen waren,
und eine Öffnung zum Durchschlüpfen gemacht war. Und die alten Knechte und
Arbeiter kamen einer nach dem andern zurück, weil ihnen der Schulze in seiner
Weise das Gewissen gerührt hatte, und weil es doch eine üble Sache war, einen
ganzen Winter ohne Verdienst zu sein. Der Doktor nahm sie alle an, obwohl der
Inspektor Widerspruch erhob und meinte, wer im Sommer nichts tun wolle, der
brauche auch im Winter nicht durchgefüttert zu werden. Und das war klug von
dem Doktor und machte im Dorf einen guten Eindruck.

Wenn nun der Doktor durchs Dorf ging, so grüßte ihn mancher freundlich,
der ihn zuvor unbeachtet hatte vorübergehn lassen. Und der Doktor erwiderte den
Gruß ebenso freundlich.

Er ist gar nicht stolz, sagte dann wohl einer zum andern. -- Nein, er achtet
den gemeinen Mann. -- Wer richtig vornehm ist, der ist nicht stolz. -- Aber
Groppoff ist stolz wie ein Pfauhnhn. -- Und der Schulze ist auch auf dem Gute
gewesen. -- Und Kondrot hält große Stücke auf ihn. So ein Mann! sagt er.--
Und Fräulein Van Term lobt ihn aus dem Drecke heraus.

Natürlich blieb diese Wendung der Dinge Groppoff nicht verborgen. Er hatte
ja überall seine Spione und Zuträger. Sein Hauptspion war der Schneider
Quankies, der in einem Hanse wohnte, das an dem Kreuzungspunkte der beiden
Dvrfstraßen lag und seinen Giebel der länger" Dorfstraße zukehrte. Dieser Schneider


Herrenmenschen

Der Schulze holte sich also seine zwei Sünder hinter den Pferden hervor,
sah sie mit gesenktem Kopf und ineincmdergelegten Händen bekümmert und ein¬
dringlich an und sagte: So?--Also ihr seid die Spitzbuben? Wißt ihr,
was das heißt, Spitzbuben? Unser Herr Jesus Christus sagt, ihr Schweinigel!
— dabei bekam jeder von den Schweinigeln eine wohlgezielte Ohrfeige —, wer
im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu, und ihr unterschlägt das
Futter für die Pferde! Seht ihr wohl! — Wieder wurden ein paar Ohrfeigen
locker, aber die Übeltäter zogen vorsichtig die Köpfe zurück. — Und wie sagt
Snlomon in den Sprichwörtern? Er sagt, ihr Hundejungen! — der Gerechte
erbarmt sich auch seines Viehes. Und ihr laßt die arme Kreatur hungern. Seht
ihr wohl! — Wieder zog das würdige Brüderpaar die Köpfe vorsichtig in die
Schultern. — Und nun sage ich euch, ihr Erzhaluuken! wenn ich wieder höre,
daß ihr die arme Kreatur bestohlen habt, dann bringe ich ein Tauende mit und
sperre euch ins Spritzenhaus.

Die beiden Knechte erwiderten kein Wort, sondern ließen die Köpfe hängen.
Das war eine Kopfwäsche, die sie nicht erwartet hatten. Mochte doch der Inspektor
soviel schimpfen, wie er wollte, das tat nichts, aber Gottes Wort und das Tau¬
ende, das waren gar zu eindringliche Gründe.

Der Schulze wandte sich zum Gehn, kehrte aber noch einmal um, wie ein
Gewitter, das, ehe es verschwindet, noch einmal seine Stärke zeigt, und herrschte
die Sünder an: Was steht ihr hier und sperrt das Maul auf? Tut Buße, ihr
Himmelhunde! Bekehre euch, daß eure Sünden von euch genommen werden. Und
wie steht geschrieben Epheser am vierten? Wie steht geschrieben? — Er faßte den
Nächststehenden an der Brust. — Er weiß es nicht. Seht ihr wohl! Den Bauch
vollschlagen, Schnaps trinken, daß ihr unsinnig werdet, die Zeit verhudeln, Futter
stehlen, das könnt ihr, aber Gottes Wort kennt ihr nicht. Wie steht geschrieben
Epheser am vierten? Epheser am vierten steht geschrieben, ihr Lumpen! Wer
gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern schaffe mit seinen Händen etwas Gutes.

Jetzt ging der Schulze ab, und der Kreis der Zuhörer war wohl erbaut
von der Bibelfestigkeit ihres Schulzen und von der kräftigen Anwendung von
Gottes Wort.

Die Wirkung dieser Bußrede auf näher und ferner beteiligte war ausge¬
zeichnet. Georg und David waren wie ausgewechselt, gehorchten aufs Wort und
tranken ihren Schnaps nur noch im Verborgnen. Mariele wandte sich verlegen an
Tauenden und zeigte ihr eine Stelle im Zaun, wo die Pfähle losgebrochen waren,
und eine Öffnung zum Durchschlüpfen gemacht war. Und die alten Knechte und
Arbeiter kamen einer nach dem andern zurück, weil ihnen der Schulze in seiner
Weise das Gewissen gerührt hatte, und weil es doch eine üble Sache war, einen
ganzen Winter ohne Verdienst zu sein. Der Doktor nahm sie alle an, obwohl der
Inspektor Widerspruch erhob und meinte, wer im Sommer nichts tun wolle, der
brauche auch im Winter nicht durchgefüttert zu werden. Und das war klug von
dem Doktor und machte im Dorf einen guten Eindruck.

Wenn nun der Doktor durchs Dorf ging, so grüßte ihn mancher freundlich,
der ihn zuvor unbeachtet hatte vorübergehn lassen. Und der Doktor erwiderte den
Gruß ebenso freundlich.

Er ist gar nicht stolz, sagte dann wohl einer zum andern. — Nein, er achtet
den gemeinen Mann. — Wer richtig vornehm ist, der ist nicht stolz. — Aber
Groppoff ist stolz wie ein Pfauhnhn. — Und der Schulze ist auch auf dem Gute
gewesen. — Und Kondrot hält große Stücke auf ihn. So ein Mann! sagt er.—
Und Fräulein Van Term lobt ihn aus dem Drecke heraus.

Natürlich blieb diese Wendung der Dinge Groppoff nicht verborgen. Er hatte
ja überall seine Spione und Zuträger. Sein Hauptspion war der Schneider
Quankies, der in einem Hanse wohnte, das an dem Kreuzungspunkte der beiden
Dvrfstraßen lag und seinen Giebel der länger» Dorfstraße zukehrte. Dieser Schneider


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[0446] Herrenmenschen Der Schulze holte sich also seine zwei Sünder hinter den Pferden hervor, sah sie mit gesenktem Kopf und ineincmdergelegten Händen bekümmert und ein¬ dringlich an und sagte: So?--Also ihr seid die Spitzbuben? Wißt ihr, was das heißt, Spitzbuben? Unser Herr Jesus Christus sagt, ihr Schweinigel! — dabei bekam jeder von den Schweinigeln eine wohlgezielte Ohrfeige —, wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu, und ihr unterschlägt das Futter für die Pferde! Seht ihr wohl! — Wieder wurden ein paar Ohrfeigen locker, aber die Übeltäter zogen vorsichtig die Köpfe zurück. — Und wie sagt Snlomon in den Sprichwörtern? Er sagt, ihr Hundejungen! — der Gerechte erbarmt sich auch seines Viehes. Und ihr laßt die arme Kreatur hungern. Seht ihr wohl! — Wieder zog das würdige Brüderpaar die Köpfe vorsichtig in die Schultern. — Und nun sage ich euch, ihr Erzhaluuken! wenn ich wieder höre, daß ihr die arme Kreatur bestohlen habt, dann bringe ich ein Tauende mit und sperre euch ins Spritzenhaus. Die beiden Knechte erwiderten kein Wort, sondern ließen die Köpfe hängen. Das war eine Kopfwäsche, die sie nicht erwartet hatten. Mochte doch der Inspektor soviel schimpfen, wie er wollte, das tat nichts, aber Gottes Wort und das Tau¬ ende, das waren gar zu eindringliche Gründe. Der Schulze wandte sich zum Gehn, kehrte aber noch einmal um, wie ein Gewitter, das, ehe es verschwindet, noch einmal seine Stärke zeigt, und herrschte die Sünder an: Was steht ihr hier und sperrt das Maul auf? Tut Buße, ihr Himmelhunde! Bekehre euch, daß eure Sünden von euch genommen werden. Und wie steht geschrieben Epheser am vierten? Wie steht geschrieben? — Er faßte den Nächststehenden an der Brust. — Er weiß es nicht. Seht ihr wohl! Den Bauch vollschlagen, Schnaps trinken, daß ihr unsinnig werdet, die Zeit verhudeln, Futter stehlen, das könnt ihr, aber Gottes Wort kennt ihr nicht. Wie steht geschrieben Epheser am vierten? Epheser am vierten steht geschrieben, ihr Lumpen! Wer gestohlen hat, stehle nicht mehr, sondern schaffe mit seinen Händen etwas Gutes. Jetzt ging der Schulze ab, und der Kreis der Zuhörer war wohl erbaut von der Bibelfestigkeit ihres Schulzen und von der kräftigen Anwendung von Gottes Wort. Die Wirkung dieser Bußrede auf näher und ferner beteiligte war ausge¬ zeichnet. Georg und David waren wie ausgewechselt, gehorchten aufs Wort und tranken ihren Schnaps nur noch im Verborgnen. Mariele wandte sich verlegen an Tauenden und zeigte ihr eine Stelle im Zaun, wo die Pfähle losgebrochen waren, und eine Öffnung zum Durchschlüpfen gemacht war. Und die alten Knechte und Arbeiter kamen einer nach dem andern zurück, weil ihnen der Schulze in seiner Weise das Gewissen gerührt hatte, und weil es doch eine üble Sache war, einen ganzen Winter ohne Verdienst zu sein. Der Doktor nahm sie alle an, obwohl der Inspektor Widerspruch erhob und meinte, wer im Sommer nichts tun wolle, der brauche auch im Winter nicht durchgefüttert zu werden. Und das war klug von dem Doktor und machte im Dorf einen guten Eindruck. Wenn nun der Doktor durchs Dorf ging, so grüßte ihn mancher freundlich, der ihn zuvor unbeachtet hatte vorübergehn lassen. Und der Doktor erwiderte den Gruß ebenso freundlich. Er ist gar nicht stolz, sagte dann wohl einer zum andern. — Nein, er achtet den gemeinen Mann. — Wer richtig vornehm ist, der ist nicht stolz. — Aber Groppoff ist stolz wie ein Pfauhnhn. — Und der Schulze ist auch auf dem Gute gewesen. — Und Kondrot hält große Stücke auf ihn. So ein Mann! sagt er.— Und Fräulein Van Term lobt ihn aus dem Drecke heraus. Natürlich blieb diese Wendung der Dinge Groppoff nicht verborgen. Er hatte ja überall seine Spione und Zuträger. Sein Hauptspion war der Schneider Quankies, der in einem Hanse wohnte, das an dem Kreuzungspunkte der beiden Dvrfstraßen lag und seinen Giebel der länger» Dorfstraße zukehrte. Dieser Schneider

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/446>, abgerufen am 06.02.2025.