Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Der britische Staatshaushalt Ausschlag gibt. Der Weg zur Staatskrippe konnte früher nur durch den König Die Kronläudereien, die nach der frühern Verschleuderung noch übrig Bis auf die feudalen Abgaben sind alle diese Einnahmen, wenn auch Obwohl sich nun mit dem steigenden Wohlstande das Einkommen des Wie verhängnisvoll das Fehlen eines geordneten Finanzwesens ist, das Der britische Staatshaushalt Ausschlag gibt. Der Weg zur Staatskrippe konnte früher nur durch den König Die Kronläudereien, die nach der frühern Verschleuderung noch übrig Bis auf die feudalen Abgaben sind alle diese Einnahmen, wenn auch Obwohl sich nun mit dem steigenden Wohlstande das Einkommen des Wie verhängnisvoll das Fehlen eines geordneten Finanzwesens ist, das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0414" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296795"/> <fw type="header" place="top"> Der britische Staatshaushalt</fw><lb/> <p xml:id="ID_1883" prev="#ID_1882"> Ausschlag gibt. Der Weg zur Staatskrippe konnte früher nur durch den König<lb/> eröffnet werden, jetzt wurde der Schlagbaum von einer vielköpfigen Parlaments¬<lb/> mehrheit gehütet, hinter der eine zahlreiche hungrige Vetternschaft stand, die<lb/> versorgt werden wollte. Wo es früher einen Schmarotzer gab, gab es nun<lb/> zehn. Statt Einschränkung brachte also die neue Ordnung eine Steigerung<lb/> der Ausgaben auf eine Höhe, für die das althergebrachte Einkommen der<lb/> Krone auch mit Hilfe von neuen Steuern nicht ausreichte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1884"> Die Kronläudereien, die nach der frühern Verschleuderung noch übrig<lb/> waren, warfen nur noch verhältnismäßig wenig ab. Die Zölle dagegen,<lb/> die sich mit Sicherheit bis auf die Zeit Richards des Ersten zurückverfolgen<lb/> lassen, fingen an bessere Erträge zu liefern und sich mit dem Aufblühen<lb/> des Handels zu einer Haupteinnahmequelle des Staates auszuwachsen. Im<lb/> Mittelalter hatte die Krone nicht geringen Nutzen aus den feudalen Rechten<lb/> gezogen, als da waren Gebühren für Nachfolge in ein Lehen, Vormundschaft<lb/> minderjähriger Erben, Heimfall und Einziehung von Lehen. Ferner erhielt<lb/> die Krone Subsidien, die auf dem Dauegeld der Angelsachsen beruhten und<lb/> vornehmlich auf dem Lande als dem Hauptreichtum hafteten. Weitere Ein¬<lb/> nahmequellen waren die .Herdsteuer, oft mich eine Kopfsteuer, Monopole und<lb/> mehr oder weniger freiwillige, uuter Johann ohne Land sogar durch die Übcr-<lb/> redungskraft des Hofzahnausreißers bewirkte „Anleihen" bei reichen Leuten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1885"> Bis auf die feudalen Abgaben sind alle diese Einnahmen, wenn auch<lb/> zum Teil unter andrer Form und anderm Namen, in unsre Zeit herüber-<lb/> gcgangen. Die feudalen Verpflichtungen des Adels und der Ritterschaft gegen<lb/> die Krone, unter denen die Herren im Genusse ihrer Güter waren, wurden<lb/> uuter Karl dem Zweiten aufgehoben, ein Zeichen des wachsenden Einflusses<lb/> der Gesellschaftsklasse, die bald darauf in der glorreichen Revolution die Herr¬<lb/> schaft an sich riß. Es fand keine Ablösung statt, der Befreiung stand keine<lb/> Gegenleistung gegenüber, und die Herren sahen zu, daß ihre Rechte gegen ihre<lb/> Hintersassen unangetastet blieben. Für den Staatshaushalt war der Ausfall<lb/> fühlbar genug und mußte auf irgendeine Weise wett gemacht werden. Die<lb/> Ausgleichung geschah durch eine neue indirekte Steuer, die excise äuty auf<lb/> Bier, Wein, Spirituosen usw., die heute an Ergiebigkeit mit den Zöllen<lb/> wetteifert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1886"> Obwohl sich nun mit dem steigenden Wohlstande das Einkommen des<lb/> Staates uuter Wilhelm von Oranien mehr als verdoppelte, so reichte es doch<lb/> bei weitem nicht für die Bedürfnisse ans. Daß die ganze Verwaltung kostspieliger<lb/> wurde, ist schon erwähnt worden. Dazu kam aber noch, daß England jetzt<lb/> begann, in die Angelegenheiten des Festlandes tätig einzugreifen und den<lb/> Wettkampf mit Frankreich aufzunehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1887" next="#ID_1888"> Wie verhängnisvoll das Fehlen eines geordneten Finanzwesens ist, das<lb/> weiß niemand besser als das deutsche Volk. Mit dem Scheitern des Ncichs-<lb/> regiments und des Planes, dem Reiche durch den gemeinen Pfennig oder<lb/> durch Neichszölle ein sicheres Einkommen zu verschaffen, hörte Deutschland<lb/> auf, ein Staat zu sein, und gerade in der wichtigen Zeit, wo die Neue Welt<lb/> erschlossen wurde, versagte es sich die Mittel zu überseeischer Ausdehnung, an</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0414]
Der britische Staatshaushalt
Ausschlag gibt. Der Weg zur Staatskrippe konnte früher nur durch den König
eröffnet werden, jetzt wurde der Schlagbaum von einer vielköpfigen Parlaments¬
mehrheit gehütet, hinter der eine zahlreiche hungrige Vetternschaft stand, die
versorgt werden wollte. Wo es früher einen Schmarotzer gab, gab es nun
zehn. Statt Einschränkung brachte also die neue Ordnung eine Steigerung
der Ausgaben auf eine Höhe, für die das althergebrachte Einkommen der
Krone auch mit Hilfe von neuen Steuern nicht ausreichte.
Die Kronläudereien, die nach der frühern Verschleuderung noch übrig
waren, warfen nur noch verhältnismäßig wenig ab. Die Zölle dagegen,
die sich mit Sicherheit bis auf die Zeit Richards des Ersten zurückverfolgen
lassen, fingen an bessere Erträge zu liefern und sich mit dem Aufblühen
des Handels zu einer Haupteinnahmequelle des Staates auszuwachsen. Im
Mittelalter hatte die Krone nicht geringen Nutzen aus den feudalen Rechten
gezogen, als da waren Gebühren für Nachfolge in ein Lehen, Vormundschaft
minderjähriger Erben, Heimfall und Einziehung von Lehen. Ferner erhielt
die Krone Subsidien, die auf dem Dauegeld der Angelsachsen beruhten und
vornehmlich auf dem Lande als dem Hauptreichtum hafteten. Weitere Ein¬
nahmequellen waren die .Herdsteuer, oft mich eine Kopfsteuer, Monopole und
mehr oder weniger freiwillige, uuter Johann ohne Land sogar durch die Übcr-
redungskraft des Hofzahnausreißers bewirkte „Anleihen" bei reichen Leuten.
Bis auf die feudalen Abgaben sind alle diese Einnahmen, wenn auch
zum Teil unter andrer Form und anderm Namen, in unsre Zeit herüber-
gcgangen. Die feudalen Verpflichtungen des Adels und der Ritterschaft gegen
die Krone, unter denen die Herren im Genusse ihrer Güter waren, wurden
uuter Karl dem Zweiten aufgehoben, ein Zeichen des wachsenden Einflusses
der Gesellschaftsklasse, die bald darauf in der glorreichen Revolution die Herr¬
schaft an sich riß. Es fand keine Ablösung statt, der Befreiung stand keine
Gegenleistung gegenüber, und die Herren sahen zu, daß ihre Rechte gegen ihre
Hintersassen unangetastet blieben. Für den Staatshaushalt war der Ausfall
fühlbar genug und mußte auf irgendeine Weise wett gemacht werden. Die
Ausgleichung geschah durch eine neue indirekte Steuer, die excise äuty auf
Bier, Wein, Spirituosen usw., die heute an Ergiebigkeit mit den Zöllen
wetteifert.
Obwohl sich nun mit dem steigenden Wohlstande das Einkommen des
Staates uuter Wilhelm von Oranien mehr als verdoppelte, so reichte es doch
bei weitem nicht für die Bedürfnisse ans. Daß die ganze Verwaltung kostspieliger
wurde, ist schon erwähnt worden. Dazu kam aber noch, daß England jetzt
begann, in die Angelegenheiten des Festlandes tätig einzugreifen und den
Wettkampf mit Frankreich aufzunehmen.
Wie verhängnisvoll das Fehlen eines geordneten Finanzwesens ist, das
weiß niemand besser als das deutsche Volk. Mit dem Scheitern des Ncichs-
regiments und des Planes, dem Reiche durch den gemeinen Pfennig oder
durch Neichszölle ein sicheres Einkommen zu verschaffen, hörte Deutschland
auf, ein Staat zu sein, und gerade in der wichtigen Zeit, wo die Neue Welt
erschlossen wurde, versagte es sich die Mittel zu überseeischer Ausdehnung, an
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