Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

gomeim zu einem dreibändigen System der Philosophie, an dem er arbeitet. Dieses
wird zeigen, daß die Philosophie eine exakte Wissenschaft ist, sofern man sie auf
die Erkenntnistheorie, die "Analyse des unmittelbar Gegebnen" beschränkt, wird auf
dieser einen psychologischen Überbau errichten, ohne in Metaphysik zu verfallen, und
mit eiuer Methodentehre abschließen. Wir fürchten, sein Werk wird uns wenig
befriedigen; denn wir gehören zu denen, die eine Seele zu haben glauben, Weisengrün
aber lehrt: "Substanz und Seele, das ewige Selbst, die Idee und die Materie,
von all diesen lieben alten Bekannten müssen wir Abschied nehmen. . . . Die Er¬
kenntnistheorie hat den Begriff der Seele gänzlich zerstört." -- Wir fügen noch
eins von deu Büchern geistreicher Dilettanten an, bei denen man nicht recht weiß,
ob man sie ernst nehmen soll: "Bedürfnisse und Fortschritte des Menschen¬
geschlechts. Leben, Nahrung, Produktion und Geisteskultur in ihren Grundlagen
und Zielen, im Rahmen der Weltentwicklung. Mit Vorschlägen zur Lösung des
Rätsels vou Stoff und Kraft vou C. Beckenhaupt" (Heidelberg, Karl Winter,
1904). Der Verfasser ist nicht in allem Dilettant, in der Chemie hat er sehr
gründliche Kenntnisse, doch scheint sie nicht sein eigentlicher Beruf zu sein. Er ist
wahrscheinlich Autodidakt ohne Gymnasialbildung, wie die Schreibweise "Chlorophil"
und manches andre vermuten läßt. Er hat ursprünglich nur eine Nahrnngsmittel-
lehre schreiben wollen und ist dabei unversehens in die Metaphysik geraten. Sehr
vernünftig äußert er sich über deu Alkohol. Er empfiehlt mir Mäßigkeit, nicht
Abstinenz. Man müsse doch anerkennen, daß sich in den Weingegenden Menschen¬
schläge entwickelt haben von höchster geistiger und künstlerischer Befähigung, von
warmer Impulsivität und Begeisterungsfähigkeit. "Steht die Wissenschaft auf der
Höhe des zwanzigsten Jahrhunderts, wenn sie im Alkohol nur Gift sieht und nur
die Kalorien zählt, die er liefert, die Ernährung des Menschen nach denselben
Grundsätzen beurteilt wie die des Viehs? Verdanken wir den Kulturfortschritt deu
Menschen der Stämme, die sich heute noch an Quellwasser, Wurzeln und Früchten
genügen lassen und uach eingenommner Mahlzeit schlafen, oder den andern, die
leidenschaftlich neue Eindrücke und Genüsse suchen?" Die Lehre vou der Lebens-
mittelerzeuguug führt ihn, weil der Acker-, Garten-, Wein- und Obstbau nur durch
Verfeinerung und Vervielfältigung der Qualitäten rentabel gemacht werden kann,
zu der Frage, wie Sorten entstehn und welche chemischen Bestandteile Aroma er¬
zeugen, und dn dringt er denn durch die chemischen Verbindungen bis zum Welt¬
äther vor, der Gott ist und uns mittelst der Kohlenhydrate und ätherischen Öle
die Seele und das Gewissen schafft. Dieses sagt uns, daß wir Verwalter Gottes
im großen Weltgarten sind, den Stoffwechsel rationell organisieren und dadurch
die soziale" Übel heben sollen. Auch er will die Wissenschaft von den höchsten
Dingen exakt machen, nur ein bißchen anders als Weisengrün: er will "das Studium
der seelischen Vorgänge aus dem Gebiete philosophischer Haarspalterei in das der
exakten mathematischen Forschung hinüberführen." Vou der neuern energetischen
Atomistik weiß er nichts. Wie die meisten Chemiker verleiht er deu Atomen
Körperlichkeit; er glaubt, daß sie die Gestalt vou Tetraedern haben.


Hanfstaengls religiöse Kunstblätter.

Alljährlich um die Zeit der Kon¬
firmationen Pflegt sich das Antlitz unsrer Bilderläden zu ändern, und auf eine
Weile macht dann der moderne Cancan andern Gebilden aus bessern Zeitaltern
Platz. Diesem Verlangen ist ein hübsches Heft mit etwa dreihundert kleinen, aber
sehr vollkommnen Abbildungen nach religiösen Gemälden moderner und alter Meister
entgegengekommen, das der Kunstverlag von Franz Hanfstneugl in München gegen
Einsendung vou sechzig Pfennige" verschickt, zunächst als Wegweiser für Be¬
stellungen, von der Einmarkphotographie bis hinauf zu kostbaren Gravüren und
farbigen Reproduktionen. Aber auch solchen, die keine Konfirmanden zu beschenken
haben, wird das feine, kleine Album an und für sich Genuß und Belehrung
bringen. Die Abteilung der alten Meister, in der wir auch die noch wenig be¬
kannten Rembrnndts und Murillos der Petersburger Eremitage erhalten, ist die


Maßgebliches und Unmaßgebliches

gomeim zu einem dreibändigen System der Philosophie, an dem er arbeitet. Dieses
wird zeigen, daß die Philosophie eine exakte Wissenschaft ist, sofern man sie auf
die Erkenntnistheorie, die „Analyse des unmittelbar Gegebnen" beschränkt, wird auf
dieser einen psychologischen Überbau errichten, ohne in Metaphysik zu verfallen, und
mit eiuer Methodentehre abschließen. Wir fürchten, sein Werk wird uns wenig
befriedigen; denn wir gehören zu denen, die eine Seele zu haben glauben, Weisengrün
aber lehrt: „Substanz und Seele, das ewige Selbst, die Idee und die Materie,
von all diesen lieben alten Bekannten müssen wir Abschied nehmen. . . . Die Er¬
kenntnistheorie hat den Begriff der Seele gänzlich zerstört." — Wir fügen noch
eins von deu Büchern geistreicher Dilettanten an, bei denen man nicht recht weiß,
ob man sie ernst nehmen soll: „Bedürfnisse und Fortschritte des Menschen¬
geschlechts. Leben, Nahrung, Produktion und Geisteskultur in ihren Grundlagen
und Zielen, im Rahmen der Weltentwicklung. Mit Vorschlägen zur Lösung des
Rätsels vou Stoff und Kraft vou C. Beckenhaupt" (Heidelberg, Karl Winter,
1904). Der Verfasser ist nicht in allem Dilettant, in der Chemie hat er sehr
gründliche Kenntnisse, doch scheint sie nicht sein eigentlicher Beruf zu sein. Er ist
wahrscheinlich Autodidakt ohne Gymnasialbildung, wie die Schreibweise „Chlorophil"
und manches andre vermuten läßt. Er hat ursprünglich nur eine Nahrnngsmittel-
lehre schreiben wollen und ist dabei unversehens in die Metaphysik geraten. Sehr
vernünftig äußert er sich über deu Alkohol. Er empfiehlt mir Mäßigkeit, nicht
Abstinenz. Man müsse doch anerkennen, daß sich in den Weingegenden Menschen¬
schläge entwickelt haben von höchster geistiger und künstlerischer Befähigung, von
warmer Impulsivität und Begeisterungsfähigkeit. „Steht die Wissenschaft auf der
Höhe des zwanzigsten Jahrhunderts, wenn sie im Alkohol nur Gift sieht und nur
die Kalorien zählt, die er liefert, die Ernährung des Menschen nach denselben
Grundsätzen beurteilt wie die des Viehs? Verdanken wir den Kulturfortschritt deu
Menschen der Stämme, die sich heute noch an Quellwasser, Wurzeln und Früchten
genügen lassen und uach eingenommner Mahlzeit schlafen, oder den andern, die
leidenschaftlich neue Eindrücke und Genüsse suchen?" Die Lehre vou der Lebens-
mittelerzeuguug führt ihn, weil der Acker-, Garten-, Wein- und Obstbau nur durch
Verfeinerung und Vervielfältigung der Qualitäten rentabel gemacht werden kann,
zu der Frage, wie Sorten entstehn und welche chemischen Bestandteile Aroma er¬
zeugen, und dn dringt er denn durch die chemischen Verbindungen bis zum Welt¬
äther vor, der Gott ist und uns mittelst der Kohlenhydrate und ätherischen Öle
die Seele und das Gewissen schafft. Dieses sagt uns, daß wir Verwalter Gottes
im großen Weltgarten sind, den Stoffwechsel rationell organisieren und dadurch
die soziale» Übel heben sollen. Auch er will die Wissenschaft von den höchsten
Dingen exakt machen, nur ein bißchen anders als Weisengrün: er will „das Studium
der seelischen Vorgänge aus dem Gebiete philosophischer Haarspalterei in das der
exakten mathematischen Forschung hinüberführen." Vou der neuern energetischen
Atomistik weiß er nichts. Wie die meisten Chemiker verleiht er deu Atomen
Körperlichkeit; er glaubt, daß sie die Gestalt vou Tetraedern haben.


Hanfstaengls religiöse Kunstblätter.

Alljährlich um die Zeit der Kon¬
firmationen Pflegt sich das Antlitz unsrer Bilderläden zu ändern, und auf eine
Weile macht dann der moderne Cancan andern Gebilden aus bessern Zeitaltern
Platz. Diesem Verlangen ist ein hübsches Heft mit etwa dreihundert kleinen, aber
sehr vollkommnen Abbildungen nach religiösen Gemälden moderner und alter Meister
entgegengekommen, das der Kunstverlag von Franz Hanfstneugl in München gegen
Einsendung vou sechzig Pfennige» verschickt, zunächst als Wegweiser für Be¬
stellungen, von der Einmarkphotographie bis hinauf zu kostbaren Gravüren und
farbigen Reproduktionen. Aber auch solchen, die keine Konfirmanden zu beschenken
haben, wird das feine, kleine Album an und für sich Genuß und Belehrung
bringen. Die Abteilung der alten Meister, in der wir auch die noch wenig be¬
kannten Rembrnndts und Murillos der Petersburger Eremitage erhalten, ist die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0403" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296784"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1844" prev="#ID_1843"> gomeim zu einem dreibändigen System der Philosophie, an dem er arbeitet. Dieses<lb/>
wird zeigen, daß die Philosophie eine exakte Wissenschaft ist, sofern man sie auf<lb/>
die Erkenntnistheorie, die &#x201E;Analyse des unmittelbar Gegebnen" beschränkt, wird auf<lb/>
dieser einen psychologischen Überbau errichten, ohne in Metaphysik zu verfallen, und<lb/>
mit eiuer Methodentehre abschließen. Wir fürchten, sein Werk wird uns wenig<lb/>
befriedigen; denn wir gehören zu denen, die eine Seele zu haben glauben, Weisengrün<lb/>
aber lehrt: &#x201E;Substanz und Seele, das ewige Selbst, die Idee und die Materie,<lb/>
von all diesen lieben alten Bekannten müssen wir Abschied nehmen. . . . Die Er¬<lb/>
kenntnistheorie hat den Begriff der Seele gänzlich zerstört." &#x2014; Wir fügen noch<lb/>
eins von deu Büchern geistreicher Dilettanten an, bei denen man nicht recht weiß,<lb/>
ob man sie ernst nehmen soll: &#x201E;Bedürfnisse und Fortschritte des Menschen¬<lb/>
geschlechts. Leben, Nahrung, Produktion und Geisteskultur in ihren Grundlagen<lb/>
und Zielen, im Rahmen der Weltentwicklung. Mit Vorschlägen zur Lösung des<lb/>
Rätsels vou Stoff und Kraft vou C. Beckenhaupt" (Heidelberg, Karl Winter,<lb/>
1904). Der Verfasser ist nicht in allem Dilettant, in der Chemie hat er sehr<lb/>
gründliche Kenntnisse, doch scheint sie nicht sein eigentlicher Beruf zu sein. Er ist<lb/>
wahrscheinlich Autodidakt ohne Gymnasialbildung, wie die Schreibweise &#x201E;Chlorophil"<lb/>
und manches andre vermuten läßt. Er hat ursprünglich nur eine Nahrnngsmittel-<lb/>
lehre schreiben wollen und ist dabei unversehens in die Metaphysik geraten. Sehr<lb/>
vernünftig äußert er sich über deu Alkohol. Er empfiehlt mir Mäßigkeit, nicht<lb/>
Abstinenz. Man müsse doch anerkennen, daß sich in den Weingegenden Menschen¬<lb/>
schläge entwickelt haben von höchster geistiger und künstlerischer Befähigung, von<lb/>
warmer Impulsivität und Begeisterungsfähigkeit. &#x201E;Steht die Wissenschaft auf der<lb/>
Höhe des zwanzigsten Jahrhunderts, wenn sie im Alkohol nur Gift sieht und nur<lb/>
die Kalorien zählt, die er liefert, die Ernährung des Menschen nach denselben<lb/>
Grundsätzen beurteilt wie die des Viehs? Verdanken wir den Kulturfortschritt deu<lb/>
Menschen der Stämme, die sich heute noch an Quellwasser, Wurzeln und Früchten<lb/>
genügen lassen und uach eingenommner Mahlzeit schlafen, oder den andern, die<lb/>
leidenschaftlich neue Eindrücke und Genüsse suchen?" Die Lehre vou der Lebens-<lb/>
mittelerzeuguug führt ihn, weil der Acker-, Garten-, Wein- und Obstbau nur durch<lb/>
Verfeinerung und Vervielfältigung der Qualitäten rentabel gemacht werden kann,<lb/>
zu der Frage, wie Sorten entstehn und welche chemischen Bestandteile Aroma er¬<lb/>
zeugen, und dn dringt er denn durch die chemischen Verbindungen bis zum Welt¬<lb/>
äther vor, der Gott ist und uns mittelst der Kohlenhydrate und ätherischen Öle<lb/>
die Seele und das Gewissen schafft. Dieses sagt uns, daß wir Verwalter Gottes<lb/>
im großen Weltgarten sind, den Stoffwechsel rationell organisieren und dadurch<lb/>
die soziale» Übel heben sollen. Auch er will die Wissenschaft von den höchsten<lb/>
Dingen exakt machen, nur ein bißchen anders als Weisengrün: er will &#x201E;das Studium<lb/>
der seelischen Vorgänge aus dem Gebiete philosophischer Haarspalterei in das der<lb/>
exakten mathematischen Forschung hinüberführen." Vou der neuern energetischen<lb/>
Atomistik weiß er nichts. Wie die meisten Chemiker verleiht er deu Atomen<lb/>
Körperlichkeit; er glaubt, daß sie die Gestalt vou Tetraedern haben.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Hanfstaengls religiöse Kunstblätter.</head>
            <p xml:id="ID_1845" next="#ID_1846"> Alljährlich um die Zeit der Kon¬<lb/>
firmationen Pflegt sich das Antlitz unsrer Bilderläden zu ändern, und auf eine<lb/>
Weile macht dann der moderne Cancan andern Gebilden aus bessern Zeitaltern<lb/>
Platz. Diesem Verlangen ist ein hübsches Heft mit etwa dreihundert kleinen, aber<lb/>
sehr vollkommnen Abbildungen nach religiösen Gemälden moderner und alter Meister<lb/>
entgegengekommen, das der Kunstverlag von Franz Hanfstneugl in München gegen<lb/>
Einsendung vou sechzig Pfennige» verschickt, zunächst als Wegweiser für Be¬<lb/>
stellungen, von der Einmarkphotographie bis hinauf zu kostbaren Gravüren und<lb/>
farbigen Reproduktionen. Aber auch solchen, die keine Konfirmanden zu beschenken<lb/>
haben, wird das feine, kleine Album an und für sich Genuß und Belehrung<lb/>
bringen. Die Abteilung der alten Meister, in der wir auch die noch wenig be¬<lb/>
kannten Rembrnndts und Murillos der Petersburger Eremitage erhalten, ist die</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0403] Maßgebliches und Unmaßgebliches gomeim zu einem dreibändigen System der Philosophie, an dem er arbeitet. Dieses wird zeigen, daß die Philosophie eine exakte Wissenschaft ist, sofern man sie auf die Erkenntnistheorie, die „Analyse des unmittelbar Gegebnen" beschränkt, wird auf dieser einen psychologischen Überbau errichten, ohne in Metaphysik zu verfallen, und mit eiuer Methodentehre abschließen. Wir fürchten, sein Werk wird uns wenig befriedigen; denn wir gehören zu denen, die eine Seele zu haben glauben, Weisengrün aber lehrt: „Substanz und Seele, das ewige Selbst, die Idee und die Materie, von all diesen lieben alten Bekannten müssen wir Abschied nehmen. . . . Die Er¬ kenntnistheorie hat den Begriff der Seele gänzlich zerstört." — Wir fügen noch eins von deu Büchern geistreicher Dilettanten an, bei denen man nicht recht weiß, ob man sie ernst nehmen soll: „Bedürfnisse und Fortschritte des Menschen¬ geschlechts. Leben, Nahrung, Produktion und Geisteskultur in ihren Grundlagen und Zielen, im Rahmen der Weltentwicklung. Mit Vorschlägen zur Lösung des Rätsels vou Stoff und Kraft vou C. Beckenhaupt" (Heidelberg, Karl Winter, 1904). Der Verfasser ist nicht in allem Dilettant, in der Chemie hat er sehr gründliche Kenntnisse, doch scheint sie nicht sein eigentlicher Beruf zu sein. Er ist wahrscheinlich Autodidakt ohne Gymnasialbildung, wie die Schreibweise „Chlorophil" und manches andre vermuten läßt. Er hat ursprünglich nur eine Nahrnngsmittel- lehre schreiben wollen und ist dabei unversehens in die Metaphysik geraten. Sehr vernünftig äußert er sich über deu Alkohol. Er empfiehlt mir Mäßigkeit, nicht Abstinenz. Man müsse doch anerkennen, daß sich in den Weingegenden Menschen¬ schläge entwickelt haben von höchster geistiger und künstlerischer Befähigung, von warmer Impulsivität und Begeisterungsfähigkeit. „Steht die Wissenschaft auf der Höhe des zwanzigsten Jahrhunderts, wenn sie im Alkohol nur Gift sieht und nur die Kalorien zählt, die er liefert, die Ernährung des Menschen nach denselben Grundsätzen beurteilt wie die des Viehs? Verdanken wir den Kulturfortschritt deu Menschen der Stämme, die sich heute noch an Quellwasser, Wurzeln und Früchten genügen lassen und uach eingenommner Mahlzeit schlafen, oder den andern, die leidenschaftlich neue Eindrücke und Genüsse suchen?" Die Lehre vou der Lebens- mittelerzeuguug führt ihn, weil der Acker-, Garten-, Wein- und Obstbau nur durch Verfeinerung und Vervielfältigung der Qualitäten rentabel gemacht werden kann, zu der Frage, wie Sorten entstehn und welche chemischen Bestandteile Aroma er¬ zeugen, und dn dringt er denn durch die chemischen Verbindungen bis zum Welt¬ äther vor, der Gott ist und uns mittelst der Kohlenhydrate und ätherischen Öle die Seele und das Gewissen schafft. Dieses sagt uns, daß wir Verwalter Gottes im großen Weltgarten sind, den Stoffwechsel rationell organisieren und dadurch die soziale» Übel heben sollen. Auch er will die Wissenschaft von den höchsten Dingen exakt machen, nur ein bißchen anders als Weisengrün: er will „das Studium der seelischen Vorgänge aus dem Gebiete philosophischer Haarspalterei in das der exakten mathematischen Forschung hinüberführen." Vou der neuern energetischen Atomistik weiß er nichts. Wie die meisten Chemiker verleiht er deu Atomen Körperlichkeit; er glaubt, daß sie die Gestalt vou Tetraedern haben. Hanfstaengls religiöse Kunstblätter. Alljährlich um die Zeit der Kon¬ firmationen Pflegt sich das Antlitz unsrer Bilderläden zu ändern, und auf eine Weile macht dann der moderne Cancan andern Gebilden aus bessern Zeitaltern Platz. Diesem Verlangen ist ein hübsches Heft mit etwa dreihundert kleinen, aber sehr vollkommnen Abbildungen nach religiösen Gemälden moderner und alter Meister entgegengekommen, das der Kunstverlag von Franz Hanfstneugl in München gegen Einsendung vou sechzig Pfennige» verschickt, zunächst als Wegweiser für Be¬ stellungen, von der Einmarkphotographie bis hinauf zu kostbaren Gravüren und farbigen Reproduktionen. Aber auch solchen, die keine Konfirmanden zu beschenken haben, wird das feine, kleine Album an und für sich Genuß und Belehrung bringen. Die Abteilung der alten Meister, in der wir auch die noch wenig be¬ kannten Rembrnndts und Murillos der Petersburger Eremitage erhalten, ist die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/403
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/403>, abgerufen am 05.02.2025.