Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.dus so häusig vorkommt, anderwärts auf Arbeit gegangen, so ist des Hin- und Die Nachteile, die sich aus diesem Gang des Verfahrens ergeben, liegen Der erste ist die überaus lange Dauer der Ermittlungen. Die Strafe Drei Monate sind vielfach den Staatsanwaltschaften als äußerste Grenze Das ist aber für die große Masse der einfach liegenden Straftaten (von Hand in Hand mit dein Zeitverlust geht eine überaus große Steigerung Wir haben gesehen, wie oft die Akten hin und her gesandt worden sind, und dus so häusig vorkommt, anderwärts auf Arbeit gegangen, so ist des Hin- und Die Nachteile, die sich aus diesem Gang des Verfahrens ergeben, liegen Der erste ist die überaus lange Dauer der Ermittlungen. Die Strafe Drei Monate sind vielfach den Staatsanwaltschaften als äußerste Grenze Das ist aber für die große Masse der einfach liegenden Straftaten (von Hand in Hand mit dein Zeitverlust geht eine überaus große Steigerung Wir haben gesehen, wie oft die Akten hin und her gesandt worden sind, und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0361" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297493"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1599" prev="#ID_1598"> dus so häusig vorkommt, anderwärts auf Arbeit gegangen, so ist des Hin- und<lb/> Hersendeus der Akten kein Ende; ebenso, wenn die Protokolle der Amtsvor¬<lb/> steher nicht sorgfältig und geschickt genug verfaßt sind, daß aus ihnen ein<lb/> klares Bild der Vorgänge gewonnen werden kann, und deshalb oder aus<lb/> andern Gründen noch die Gerichte mit den Vernehmungen befaßt werden müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1600"> Die Nachteile, die sich aus diesem Gang des Verfahrens ergeben, liegen<lb/> auf der Hand.</p><lb/> <p xml:id="ID_1601"> Der erste ist die überaus lange Dauer der Ermittlungen. Die Strafe<lb/> soll der Tat auf dem Fuße folgen. Später wird sie nur zu leicht als ein<lb/> unverdientes, mit der Tat in keinem Zusammenhang stehendes Übel betrachtet.<lb/> Bei unserm Verfahren tritt dieser Fall oft genug ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1602"> Drei Monate sind vielfach den Staatsanwaltschaften als äußerste Grenze<lb/> gesetzt, in denen sie ihre Ermittlungen abzuschließen haben. Jeder aber, der<lb/> in ländlichen Bezirken als Staatsanwalt gearbeitet hat, wird bestätigen können,<lb/> wie schwer, ja bei verwickelten Sachen, und wenn wanderndes Volk beteiligt<lb/> ist, unmöglich die Einhaltung dieser Frist ist. Aber auch ganz einfache<lb/> Sachen brauchen immerhin Wochen, bis sie zur Anklageerhebung kommen;<lb/> und dann folgt noch das Eröffnungsverfahren, und dann erst die Anberaumung<lb/> des Hauptverhandlungstermins. So wird es nur in den seltensten Fällen<lb/> gelingen, eine Straftat früher als sechs bis acht Wochen nach ihrem Geschehen<lb/> zur Aburteilung zu bringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1603"> Das ist aber für die große Masse der einfach liegenden Straftaten (von<lb/> schweren verwickelt liegenden Verbrechen ist hier natürlich nicht die Rede) viel<lb/> zu spät.</p><lb/> <p xml:id="ID_1604"> Hand in Hand mit dein Zeitverlust geht eine überaus große Steigerung<lb/> der Arbeitslast.'</p><lb/> <p xml:id="ID_1605" next="#ID_1606"> Wir haben gesehen, wie oft die Akten hin und her gesandt worden sind, und<lb/> wie immer neue Beamte der Staatsanwaltschaft, der Gendarmerie, der Polizei<lb/> und der Gerichte sie durcharbeiten mußten, um sie sachgemäß ergänzen zu<lb/> könne,,. Es liegt nur zu nahe, daß diese Durcharbeitung nicht immer mit<lb/> der nötigen Gründlichkeit geschehen wird, oder auch nur bei der Mitwirkung<lb/> vieler teils kriminalistisch ungeschulter, teils überlasteter Beamten geschehen<lb/> ^um. Jedenfalls bietet die ineinander greifende Tätigkeit so vieler Personen<lb/> wie Öffnung, durch die sich Irrtümer und Mißverstündnisse allzuleicht in die<lb/> Alten einschleichen können. Die lange Dauer der Untersuchung bringt aber<lb/> auch Gefahr für die Richtigkeit ihres Ergebnisses, einmal nach der Richtung,<lb/> daß der so wichtige erste Angriff der Ermittlungen durch das Hin- und Her¬<lb/> senden der Akten verzögert und abgeschwächt wird, dann nach der Richtung,<lb/> Zeugen und Beschuldigte mehr und mehr vergessen, was sie wirklich be¬<lb/> dachtet haben, und sich in Phantasien einleben, die mit den wirklichen Vor¬<lb/> zügen mir noch sehr locker im Zusammenhang stehn. Es ist eine bekannte<lb/> ^atsache, daß häufig Zeugen, namentlich aus ungebildeten Kreisen, je langer<lb/> uicht desto weniger, sondern desto mehr von den Vorgängen, die sie beobachtet<lb/> haben, wissen wollen. Noch neulich ist mir eine Frau vorgekommen, die, wie<lb/> '^an annehmen kaun, vielleicht den Lärm einer Rauferei gehört hatte, die aber,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0361]
dus so häusig vorkommt, anderwärts auf Arbeit gegangen, so ist des Hin- und
Hersendeus der Akten kein Ende; ebenso, wenn die Protokolle der Amtsvor¬
steher nicht sorgfältig und geschickt genug verfaßt sind, daß aus ihnen ein
klares Bild der Vorgänge gewonnen werden kann, und deshalb oder aus
andern Gründen noch die Gerichte mit den Vernehmungen befaßt werden müssen.
Die Nachteile, die sich aus diesem Gang des Verfahrens ergeben, liegen
auf der Hand.
Der erste ist die überaus lange Dauer der Ermittlungen. Die Strafe
soll der Tat auf dem Fuße folgen. Später wird sie nur zu leicht als ein
unverdientes, mit der Tat in keinem Zusammenhang stehendes Übel betrachtet.
Bei unserm Verfahren tritt dieser Fall oft genug ein.
Drei Monate sind vielfach den Staatsanwaltschaften als äußerste Grenze
gesetzt, in denen sie ihre Ermittlungen abzuschließen haben. Jeder aber, der
in ländlichen Bezirken als Staatsanwalt gearbeitet hat, wird bestätigen können,
wie schwer, ja bei verwickelten Sachen, und wenn wanderndes Volk beteiligt
ist, unmöglich die Einhaltung dieser Frist ist. Aber auch ganz einfache
Sachen brauchen immerhin Wochen, bis sie zur Anklageerhebung kommen;
und dann folgt noch das Eröffnungsverfahren, und dann erst die Anberaumung
des Hauptverhandlungstermins. So wird es nur in den seltensten Fällen
gelingen, eine Straftat früher als sechs bis acht Wochen nach ihrem Geschehen
zur Aburteilung zu bringen.
Das ist aber für die große Masse der einfach liegenden Straftaten (von
schweren verwickelt liegenden Verbrechen ist hier natürlich nicht die Rede) viel
zu spät.
Hand in Hand mit dein Zeitverlust geht eine überaus große Steigerung
der Arbeitslast.'
Wir haben gesehen, wie oft die Akten hin und her gesandt worden sind, und
wie immer neue Beamte der Staatsanwaltschaft, der Gendarmerie, der Polizei
und der Gerichte sie durcharbeiten mußten, um sie sachgemäß ergänzen zu
könne,,. Es liegt nur zu nahe, daß diese Durcharbeitung nicht immer mit
der nötigen Gründlichkeit geschehen wird, oder auch nur bei der Mitwirkung
vieler teils kriminalistisch ungeschulter, teils überlasteter Beamten geschehen
^um. Jedenfalls bietet die ineinander greifende Tätigkeit so vieler Personen
wie Öffnung, durch die sich Irrtümer und Mißverstündnisse allzuleicht in die
Alten einschleichen können. Die lange Dauer der Untersuchung bringt aber
auch Gefahr für die Richtigkeit ihres Ergebnisses, einmal nach der Richtung,
daß der so wichtige erste Angriff der Ermittlungen durch das Hin- und Her¬
senden der Akten verzögert und abgeschwächt wird, dann nach der Richtung,
Zeugen und Beschuldigte mehr und mehr vergessen, was sie wirklich be¬
dachtet haben, und sich in Phantasien einleben, die mit den wirklichen Vor¬
zügen mir noch sehr locker im Zusammenhang stehn. Es ist eine bekannte
^atsache, daß häufig Zeugen, namentlich aus ungebildeten Kreisen, je langer
uicht desto weniger, sondern desto mehr von den Vorgängen, die sie beobachtet
haben, wissen wollen. Noch neulich ist mir eine Frau vorgekommen, die, wie
'^an annehmen kaun, vielleicht den Lärm einer Rauferei gehört hatte, die aber,
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