Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Grundriß einer Seinswissenschaft

von H. G. Opitz. Zweiter Band:
Wesenslchre. Leipzig, Hermann Haacke, 1904. Die beiden Abteilungen des ersten
Bandes, der die Erkenntnis- und Willenslehre als die beiden Glieder der Lehre
von den Erscheinungen behandelt, haben wir im vierzigsten Heft des Jahrgangs 1898
und im sechzehnten Heft des Jahrgangs 1900 angezeigt. In den ersten Kapiteln
des vorliegenden Bundes wird die Methode der Wesenslehre dargelegt. Diese sei
die spekulative; sie habe von den Erfahrungstatsachen, die ihr die Beobachtung der
Erscheinungen liefert, auszugehn und mit logischen Operationen aus dem Bekannten
das gesuchte Unbekannte zu erschließen. Das Verfahren müsse streng wissenschaft¬
lich bleiben, dem Gemüt dürfe keinerlei Mitwirkung erlaubt werden, und dem
Traum von einer unmittelbaren, intuitiver Erkenntnis des Wesens der Dinge müsse
Man entsagen. Dann wird gezeigt, wie die Wesenslehre auf streng wissenschaft¬
lichem Wege die Widersprüche der Erscheinungswelt (die Verschiedenheiten der
Qualität und der Quantität, die Gegensätze von Stoff und Kraft, von Körper und
Geist, von Urkraft und Erscheinung) aufhebt und zum All-Einen gelangt, das die
Mannigfaltigkeit zur Einheit verknüpft. In der angewandten Wesenslehre dann
wird versucht, aus dem All-Einen die Welt zu erklären. Eine scharfe Kritik der
ältern Systeme der Metaphysik macht den Schluß. Ju der ersten Anzeige haben
wir gesagt, dieser Grundriß der Seinswissenschaft verspreche ein vortreffliches popu¬
läres Lehrbuch der Philosophie zu werden, und haben das Lob in Beziehung auf
die Willenslehre wiederholt. Auch der Schlußband befriedigt in zwei Beziehungen.
Er vollzieht sehr gut die Aufhebung der Widersprüche, beantwortet unter andern,
sehr schön die Frage, inwieweit die Geistestätigkeit dem Gesetz der Erhaltung
der Kraft unterworfen sei. Man habe zu unterscheiden zwischen den Seelenvor¬
gängen, die Einwirkung auf die Außenwelt, durch Muskelspannung, zum Zwecke
haben, und den höhern Tätigkeiten, mit denen sich der Mensch eine innere Welt
aufbaut. Die ersten sind vollständig in den sich selbst erhaltenden Ring der be¬
ständigen Umwandlung einer Energieform in die andre eingeschlossen. Die andern
bewirken nur unbedeutende Veränderungen im Gehirn, haben aber an sich mit der
Körperwelt und ihren Gesetzen nichts zu schaffen, sondern folgen ihren eignen Ge¬
setzen. Sodann befriedigt die angewandte Seinslehre dadurch, daß sie die wesent¬
liche" Glaubenslehren der christlichen Religion bestätigt.

Dagegen dürste der Verfasser irren, wenn er alle seine Beweise für zwingend
hält und glaubt, seine Ergebnisse könnten nnr ans dem von ihm eingeschlagnen
Wege erreicht werden. Die Zurückführung der sekundären Qualitäten der Dinge
"uf eine einheitliche Ursache: Gruppierung und Bewegung qualitätloser Atome, geht
?uf eine viel einfachere Weise vor sich, als in der er die Verschiedenheit der
Qualitäten aufhebt, nämlich durch die einfache Überlegung, daß der Ton ohne
hörende, die Farbe ohne sehende, der Duft ohne riechende, die Wärme oder die
Weichheit ohne fühlende Seele gar keinen Sinn hat, daß demnach diese Qualitäten
''ur unserm Bewußtsein zukommen, nicht den Dingen, die unsre wechselnden Bewußt-
einszustäude hervorrufen. Anders ist es mit den primären Qualitäten. Daß die
Ichwingendeu Atome außer und neben einander liegen, also einen Raum fülle", daß
Me Schwingungen aufeinander folgen, also die Zeit schaffen, ist keine Eigentüm-
Uhkeit unsers Bewußtseins, sondern eine von uns unabhängige Wirklichkeit um sich,
^ud mich im vorliegenden Bande hat uns Opitz nicht davon überzeugt, daß der
'^nun etwas rein subjektives sei, und daß die Mathematik ihr Lehrgebäude "fern
inter Wirklichkeit" aufbaue, der Verstand sie, ohne Erfahrung und Anschauung,
"".es dem Gesetz des Widerspruchs rein ans sich selbst entwickle. Es gibt ganz
^scheide Leute, die schlechthin unfähig sind, den Nerv eines geometrischen Beweises
erfasse", und die sich das, was sie an mathematische" Vorstellungen und Be¬
griffen haben, nur durch Anschauung erworben habe". "Was wir zählen, sind
A>r Gegenstände, sondern unsre Denknkte." Wenn ein Junge die zehn
'"'wen zählt, die er dem Nachbar vom Baume gemnust hat, so sind es ja selbst-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Grundriß einer Seinswissenschaft

von H. G. Opitz. Zweiter Band:
Wesenslchre. Leipzig, Hermann Haacke, 1904. Die beiden Abteilungen des ersten
Bandes, der die Erkenntnis- und Willenslehre als die beiden Glieder der Lehre
von den Erscheinungen behandelt, haben wir im vierzigsten Heft des Jahrgangs 1898
und im sechzehnten Heft des Jahrgangs 1900 angezeigt. In den ersten Kapiteln
des vorliegenden Bundes wird die Methode der Wesenslehre dargelegt. Diese sei
die spekulative; sie habe von den Erfahrungstatsachen, die ihr die Beobachtung der
Erscheinungen liefert, auszugehn und mit logischen Operationen aus dem Bekannten
das gesuchte Unbekannte zu erschließen. Das Verfahren müsse streng wissenschaft¬
lich bleiben, dem Gemüt dürfe keinerlei Mitwirkung erlaubt werden, und dem
Traum von einer unmittelbaren, intuitiver Erkenntnis des Wesens der Dinge müsse
Man entsagen. Dann wird gezeigt, wie die Wesenslehre auf streng wissenschaft¬
lichem Wege die Widersprüche der Erscheinungswelt (die Verschiedenheiten der
Qualität und der Quantität, die Gegensätze von Stoff und Kraft, von Körper und
Geist, von Urkraft und Erscheinung) aufhebt und zum All-Einen gelangt, das die
Mannigfaltigkeit zur Einheit verknüpft. In der angewandten Wesenslehre dann
wird versucht, aus dem All-Einen die Welt zu erklären. Eine scharfe Kritik der
ältern Systeme der Metaphysik macht den Schluß. Ju der ersten Anzeige haben
wir gesagt, dieser Grundriß der Seinswissenschaft verspreche ein vortreffliches popu¬
läres Lehrbuch der Philosophie zu werden, und haben das Lob in Beziehung auf
die Willenslehre wiederholt. Auch der Schlußband befriedigt in zwei Beziehungen.
Er vollzieht sehr gut die Aufhebung der Widersprüche, beantwortet unter andern,
sehr schön die Frage, inwieweit die Geistestätigkeit dem Gesetz der Erhaltung
der Kraft unterworfen sei. Man habe zu unterscheiden zwischen den Seelenvor¬
gängen, die Einwirkung auf die Außenwelt, durch Muskelspannung, zum Zwecke
haben, und den höhern Tätigkeiten, mit denen sich der Mensch eine innere Welt
aufbaut. Die ersten sind vollständig in den sich selbst erhaltenden Ring der be¬
ständigen Umwandlung einer Energieform in die andre eingeschlossen. Die andern
bewirken nur unbedeutende Veränderungen im Gehirn, haben aber an sich mit der
Körperwelt und ihren Gesetzen nichts zu schaffen, sondern folgen ihren eignen Ge¬
setzen. Sodann befriedigt die angewandte Seinslehre dadurch, daß sie die wesent¬
liche» Glaubenslehren der christlichen Religion bestätigt.

Dagegen dürste der Verfasser irren, wenn er alle seine Beweise für zwingend
hält und glaubt, seine Ergebnisse könnten nnr ans dem von ihm eingeschlagnen
Wege erreicht werden. Die Zurückführung der sekundären Qualitäten der Dinge
"uf eine einheitliche Ursache: Gruppierung und Bewegung qualitätloser Atome, geht
?uf eine viel einfachere Weise vor sich, als in der er die Verschiedenheit der
Qualitäten aufhebt, nämlich durch die einfache Überlegung, daß der Ton ohne
hörende, die Farbe ohne sehende, der Duft ohne riechende, die Wärme oder die
Weichheit ohne fühlende Seele gar keinen Sinn hat, daß demnach diese Qualitäten
''ur unserm Bewußtsein zukommen, nicht den Dingen, die unsre wechselnden Bewußt-
einszustäude hervorrufen. Anders ist es mit den primären Qualitäten. Daß die
Ichwingendeu Atome außer und neben einander liegen, also einen Raum fülle», daß
Me Schwingungen aufeinander folgen, also die Zeit schaffen, ist keine Eigentüm-
Uhkeit unsers Bewußtseins, sondern eine von uns unabhängige Wirklichkeit um sich,
^ud mich im vorliegenden Bande hat uns Opitz nicht davon überzeugt, daß der
'^nun etwas rein subjektives sei, und daß die Mathematik ihr Lehrgebäude „fern
inter Wirklichkeit" aufbaue, der Verstand sie, ohne Erfahrung und Anschauung,
"".es dem Gesetz des Widerspruchs rein ans sich selbst entwickle. Es gibt ganz
^scheide Leute, die schlechthin unfähig sind, den Nerv eines geometrischen Beweises
erfasse», und die sich das, was sie an mathematische» Vorstellungen und Be¬
griffen haben, nur durch Anschauung erworben habe». „Was wir zählen, sind
A>r Gegenstände, sondern unsre Denknkte." Wenn ein Junge die zehn
'"'wen zählt, die er dem Nachbar vom Baume gemnust hat, so sind es ja selbst-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0347" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297479"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Grundriß einer Seinswissenschaft </head>
            <p xml:id="ID_1567"> von H. G. Opitz. Zweiter Band:<lb/>
Wesenslchre. Leipzig, Hermann Haacke, 1904. Die beiden Abteilungen des ersten<lb/>
Bandes, der die Erkenntnis- und Willenslehre als die beiden Glieder der Lehre<lb/>
von den Erscheinungen behandelt, haben wir im vierzigsten Heft des Jahrgangs 1898<lb/>
und im sechzehnten Heft des Jahrgangs 1900 angezeigt. In den ersten Kapiteln<lb/>
des vorliegenden Bundes wird die Methode der Wesenslehre dargelegt. Diese sei<lb/>
die spekulative; sie habe von den Erfahrungstatsachen, die ihr die Beobachtung der<lb/>
Erscheinungen liefert, auszugehn und mit logischen Operationen aus dem Bekannten<lb/>
das gesuchte Unbekannte zu erschließen. Das Verfahren müsse streng wissenschaft¬<lb/>
lich bleiben, dem Gemüt dürfe keinerlei Mitwirkung erlaubt werden, und dem<lb/>
Traum von einer unmittelbaren, intuitiver Erkenntnis des Wesens der Dinge müsse<lb/>
Man entsagen. Dann wird gezeigt, wie die Wesenslehre auf streng wissenschaft¬<lb/>
lichem Wege die Widersprüche der Erscheinungswelt (die Verschiedenheiten der<lb/>
Qualität und der Quantität, die Gegensätze von Stoff und Kraft, von Körper und<lb/>
Geist, von Urkraft und Erscheinung) aufhebt und zum All-Einen gelangt, das die<lb/>
Mannigfaltigkeit zur Einheit verknüpft. In der angewandten Wesenslehre dann<lb/>
wird versucht, aus dem All-Einen die Welt zu erklären. Eine scharfe Kritik der<lb/>
ältern Systeme der Metaphysik macht den Schluß. Ju der ersten Anzeige haben<lb/>
wir gesagt, dieser Grundriß der Seinswissenschaft verspreche ein vortreffliches popu¬<lb/>
läres Lehrbuch der Philosophie zu werden, und haben das Lob in Beziehung auf<lb/>
die Willenslehre wiederholt. Auch der Schlußband befriedigt in zwei Beziehungen.<lb/>
Er vollzieht sehr gut die Aufhebung der Widersprüche, beantwortet unter andern,<lb/>
sehr schön die Frage, inwieweit die Geistestätigkeit dem Gesetz der Erhaltung<lb/>
der Kraft unterworfen sei. Man habe zu unterscheiden zwischen den Seelenvor¬<lb/>
gängen, die Einwirkung auf die Außenwelt, durch Muskelspannung, zum Zwecke<lb/>
haben, und den höhern Tätigkeiten, mit denen sich der Mensch eine innere Welt<lb/>
aufbaut. Die ersten sind vollständig in den sich selbst erhaltenden Ring der be¬<lb/>
ständigen Umwandlung einer Energieform in die andre eingeschlossen. Die andern<lb/>
bewirken nur unbedeutende Veränderungen im Gehirn, haben aber an sich mit der<lb/>
Körperwelt und ihren Gesetzen nichts zu schaffen, sondern folgen ihren eignen Ge¬<lb/>
setzen. Sodann befriedigt die angewandte Seinslehre dadurch, daß sie die wesent¬<lb/>
liche» Glaubenslehren der christlichen Religion bestätigt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1568" next="#ID_1569"> Dagegen dürste der Verfasser irren, wenn er alle seine Beweise für zwingend<lb/>
hält und glaubt, seine Ergebnisse könnten nnr ans dem von ihm eingeschlagnen<lb/>
Wege erreicht werden. Die Zurückführung der sekundären Qualitäten der Dinge<lb/>
"uf eine einheitliche Ursache: Gruppierung und Bewegung qualitätloser Atome, geht<lb/>
?uf eine viel einfachere Weise vor sich, als in der er die Verschiedenheit der<lb/>
Qualitäten aufhebt, nämlich durch die einfache Überlegung, daß der Ton ohne<lb/>
hörende, die Farbe ohne sehende, der Duft ohne riechende, die Wärme oder die<lb/>
Weichheit ohne fühlende Seele gar keinen Sinn hat, daß demnach diese Qualitäten<lb/>
''ur unserm Bewußtsein zukommen, nicht den Dingen, die unsre wechselnden Bewußt-<lb/>
einszustäude hervorrufen. Anders ist es mit den primären Qualitäten. Daß die<lb/>
Ichwingendeu Atome außer und neben einander liegen, also einen Raum fülle», daß<lb/>
Me Schwingungen aufeinander folgen, also die Zeit schaffen, ist keine Eigentüm-<lb/>
Uhkeit unsers Bewußtseins, sondern eine von uns unabhängige Wirklichkeit um sich,<lb/>
^ud mich im vorliegenden Bande hat uns Opitz nicht davon überzeugt, daß der<lb/>
'^nun etwas rein subjektives sei, und daß die Mathematik ihr Lehrgebäude &#x201E;fern<lb/>
inter Wirklichkeit" aufbaue, der Verstand sie, ohne Erfahrung und Anschauung,<lb/>
"".es dem Gesetz des Widerspruchs rein ans sich selbst entwickle. Es gibt ganz<lb/>
^scheide Leute, die schlechthin unfähig sind, den Nerv eines geometrischen Beweises<lb/>
erfasse», und die sich das, was sie an mathematische» Vorstellungen und Be¬<lb/>
griffen haben, nur durch Anschauung erworben habe». &#x201E;Was wir zählen, sind<lb/>
A&gt;r Gegenstände, sondern unsre Denknkte."  Wenn ein Junge die zehn<lb/>
'"'wen zählt, die er dem Nachbar vom Baume gemnust hat, so sind es ja selbst-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0347] Maßgebliches und Unmaßgebliches Grundriß einer Seinswissenschaft von H. G. Opitz. Zweiter Band: Wesenslchre. Leipzig, Hermann Haacke, 1904. Die beiden Abteilungen des ersten Bandes, der die Erkenntnis- und Willenslehre als die beiden Glieder der Lehre von den Erscheinungen behandelt, haben wir im vierzigsten Heft des Jahrgangs 1898 und im sechzehnten Heft des Jahrgangs 1900 angezeigt. In den ersten Kapiteln des vorliegenden Bundes wird die Methode der Wesenslehre dargelegt. Diese sei die spekulative; sie habe von den Erfahrungstatsachen, die ihr die Beobachtung der Erscheinungen liefert, auszugehn und mit logischen Operationen aus dem Bekannten das gesuchte Unbekannte zu erschließen. Das Verfahren müsse streng wissenschaft¬ lich bleiben, dem Gemüt dürfe keinerlei Mitwirkung erlaubt werden, und dem Traum von einer unmittelbaren, intuitiver Erkenntnis des Wesens der Dinge müsse Man entsagen. Dann wird gezeigt, wie die Wesenslehre auf streng wissenschaft¬ lichem Wege die Widersprüche der Erscheinungswelt (die Verschiedenheiten der Qualität und der Quantität, die Gegensätze von Stoff und Kraft, von Körper und Geist, von Urkraft und Erscheinung) aufhebt und zum All-Einen gelangt, das die Mannigfaltigkeit zur Einheit verknüpft. In der angewandten Wesenslehre dann wird versucht, aus dem All-Einen die Welt zu erklären. Eine scharfe Kritik der ältern Systeme der Metaphysik macht den Schluß. Ju der ersten Anzeige haben wir gesagt, dieser Grundriß der Seinswissenschaft verspreche ein vortreffliches popu¬ läres Lehrbuch der Philosophie zu werden, und haben das Lob in Beziehung auf die Willenslehre wiederholt. Auch der Schlußband befriedigt in zwei Beziehungen. Er vollzieht sehr gut die Aufhebung der Widersprüche, beantwortet unter andern, sehr schön die Frage, inwieweit die Geistestätigkeit dem Gesetz der Erhaltung der Kraft unterworfen sei. Man habe zu unterscheiden zwischen den Seelenvor¬ gängen, die Einwirkung auf die Außenwelt, durch Muskelspannung, zum Zwecke haben, und den höhern Tätigkeiten, mit denen sich der Mensch eine innere Welt aufbaut. Die ersten sind vollständig in den sich selbst erhaltenden Ring der be¬ ständigen Umwandlung einer Energieform in die andre eingeschlossen. Die andern bewirken nur unbedeutende Veränderungen im Gehirn, haben aber an sich mit der Körperwelt und ihren Gesetzen nichts zu schaffen, sondern folgen ihren eignen Ge¬ setzen. Sodann befriedigt die angewandte Seinslehre dadurch, daß sie die wesent¬ liche» Glaubenslehren der christlichen Religion bestätigt. Dagegen dürste der Verfasser irren, wenn er alle seine Beweise für zwingend hält und glaubt, seine Ergebnisse könnten nnr ans dem von ihm eingeschlagnen Wege erreicht werden. Die Zurückführung der sekundären Qualitäten der Dinge "uf eine einheitliche Ursache: Gruppierung und Bewegung qualitätloser Atome, geht ?uf eine viel einfachere Weise vor sich, als in der er die Verschiedenheit der Qualitäten aufhebt, nämlich durch die einfache Überlegung, daß der Ton ohne hörende, die Farbe ohne sehende, der Duft ohne riechende, die Wärme oder die Weichheit ohne fühlende Seele gar keinen Sinn hat, daß demnach diese Qualitäten ''ur unserm Bewußtsein zukommen, nicht den Dingen, die unsre wechselnden Bewußt- einszustäude hervorrufen. Anders ist es mit den primären Qualitäten. Daß die Ichwingendeu Atome außer und neben einander liegen, also einen Raum fülle», daß Me Schwingungen aufeinander folgen, also die Zeit schaffen, ist keine Eigentüm- Uhkeit unsers Bewußtseins, sondern eine von uns unabhängige Wirklichkeit um sich, ^ud mich im vorliegenden Bande hat uns Opitz nicht davon überzeugt, daß der '^nun etwas rein subjektives sei, und daß die Mathematik ihr Lehrgebäude „fern inter Wirklichkeit" aufbaue, der Verstand sie, ohne Erfahrung und Anschauung, "".es dem Gesetz des Widerspruchs rein ans sich selbst entwickle. Es gibt ganz ^scheide Leute, die schlechthin unfähig sind, den Nerv eines geometrischen Beweises erfasse», und die sich das, was sie an mathematische» Vorstellungen und Be¬ griffen haben, nur durch Anschauung erworben habe». „Was wir zählen, sind A>r Gegenstände, sondern unsre Denknkte." Wenn ein Junge die zehn '"'wen zählt, die er dem Nachbar vom Baume gemnust hat, so sind es ja selbst-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/347
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/347>, abgerufen am 05.02.2025.