Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.La Fontaine und das Glück war an den Höfen der Herzogin von Bouillon, einer Nichte Mcizarins, und Auch die entsetzlichen Schmeicheleien, die er seinen Fabeln einverleibte, La Fontaine und das Glück war an den Höfen der Herzogin von Bouillon, einer Nichte Mcizarins, und Auch die entsetzlichen Schmeicheleien, die er seinen Fabeln einverleibte, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0330" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297462"/> <fw type="header" place="top"> La Fontaine und das Glück</fw><lb/> <p xml:id="ID_1456" prev="#ID_1455"> war an den Höfen der Herzogin von Bouillon, einer Nichte Mcizarins, und<lb/> der Herzogin Henriette von Orleans, der Schwägerin des Königs, angestellt,<lb/> bezog von dein später durch Cvlbert gestürzten Geueraliuteudauteu Fouquet<lb/> einen schönen Jahresgehalt und winde auch von dem Vater Ludwigs des<lb/> Fünfzehnte», dein Herzog von Burgund, dem er durch Fenelon empfohlen<lb/> worden war, vielfach unterstützt: mit der Weltflucht, die er im Prinzip ver¬<lb/> herrlichte, nahm er es nicht genauer als mit dem Widerwillen gegen Fürsten-<lb/> gunst, vor der er mit den Worten warnt:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_33" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1457" next="#ID_1458"> Auch die entsetzlichen Schmeicheleien, die er seinen Fabeln einverleibte,<lb/> wenn er sie fürstlichen Personen widmete los cliöux voulant, instruiro un<lb/> ins <1<z .lupitor, die zweite Fabel des elften Buchs, die für den Herzog von<lb/> Mama, einen von Ludwig dem Vierzehnten in doppeltem Ehebruch erzeugten<lb/> Knaben, bestimmt war, ist in dieser Beziehung ein non plus ultr-i von platter<lb/> Kriecherei —, kommen uns, die wir Gott sei Dank eine freiere Sprache zu<lb/> führen gewöhnt sind, geradezu widerlich vor; aber mau darf dabei nicht ver¬<lb/> gessen, daß iiberschweuglichc Widmungen in blumenreichster Sprache zu damaliger<lb/> Zeit sogar einem Moliere wie nichts ans der Feder flössen, und daß sich keiner<lb/> vor dem andern zu schämen brauchte, weil sie alle, wenn vou Ludwig dein<lb/> Vierzehnten oder dessen Sippe die Rede war, den Mund zum Ersticken voll<lb/> nähmen und vor keinem Superlativ zurückbebten. Tatsächlich war La Fontaine<lb/> im Vergleich zu den übrigen noch ein Manu vou unabhängiger Denkart, und<lb/> daß der König dies wußte lind es in seiner grenzenlosen Selbstvergötterung<lb/> mißbilligte, wird am schlagendsten durch die Schwierigkeiten bewiesen, die er<lb/> dein Dichter bei Gelegenheit seiner Wahl zur Akademie in den Weg legte: wie<lb/> bekannt ist, bestätigte er diese Wahl erst nach mehr als sechsmonatigem Zögern,<lb/> und nachdem auch Boileau, der mehr nach seinem Geschmacke war, die gewünschte<lb/> Aufnahme in diese lorbeerbekränztc Körperschaft erlangt hatte. Man will wissen,<lb/> die Schlüpfrigkeit der La Fontainischen Erzählungen (pentes) habe dem König<lb/> mißfallen; das kann wohl sein, denn der König, der für seine Person im Punkte<lb/> der Liebesabenteuer von keiner Moral etwas wußte und die elementarsten Grund¬<lb/> sätze der Wohlanständigkeit täglich mit Füßen trat, glaubte das, was er sich auf<lb/> der eiuen Seite in frevelndem Übermut zuschulden brachte, ans der andern durch<lb/> scheinheiliges Wesen wieder gut macheu zu können. Aber mehr als die Prüderie<lb/> wird ihn verletzte Eitelkeit und beleidigter Stolz gegen La Fontaine eingenommen<lb/> haben. Die Elegie an die Nymphen von Vaux, vielleicht die einzige französische<lb/> Dichtung dieser Art, die neben die Ovidischen gesetzt werden kann, soll der erste<lb/> Grund seiner Unzufriedenheit gewesen sein: Fouquet, für den sich die Elegie<lb/> bittend verwendet, war wirklich ein den Finanzen des Staats äußerst gefähr¬<lb/> licher Marder, und Frankreich wird es Colbert immer zu danken haben, daß<lb/> er diesen maßlosen Verschwender unschädlich gemacht hat; aber La Fontaines<lb/> Absicht, als er für den Gefangnen eintrat, war edel, und ein weniger absoluter</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0330]
La Fontaine und das Glück
war an den Höfen der Herzogin von Bouillon, einer Nichte Mcizarins, und
der Herzogin Henriette von Orleans, der Schwägerin des Königs, angestellt,
bezog von dein später durch Cvlbert gestürzten Geueraliuteudauteu Fouquet
einen schönen Jahresgehalt und winde auch von dem Vater Ludwigs des
Fünfzehnte», dein Herzog von Burgund, dem er durch Fenelon empfohlen
worden war, vielfach unterstützt: mit der Weltflucht, die er im Prinzip ver¬
herrlichte, nahm er es nicht genauer als mit dem Widerwillen gegen Fürsten-
gunst, vor der er mit den Worten warnt:
Auch die entsetzlichen Schmeicheleien, die er seinen Fabeln einverleibte,
wenn er sie fürstlichen Personen widmete los cliöux voulant, instruiro un
ins <1<z .lupitor, die zweite Fabel des elften Buchs, die für den Herzog von
Mama, einen von Ludwig dem Vierzehnten in doppeltem Ehebruch erzeugten
Knaben, bestimmt war, ist in dieser Beziehung ein non plus ultr-i von platter
Kriecherei —, kommen uns, die wir Gott sei Dank eine freiere Sprache zu
führen gewöhnt sind, geradezu widerlich vor; aber mau darf dabei nicht ver¬
gessen, daß iiberschweuglichc Widmungen in blumenreichster Sprache zu damaliger
Zeit sogar einem Moliere wie nichts ans der Feder flössen, und daß sich keiner
vor dem andern zu schämen brauchte, weil sie alle, wenn vou Ludwig dein
Vierzehnten oder dessen Sippe die Rede war, den Mund zum Ersticken voll
nähmen und vor keinem Superlativ zurückbebten. Tatsächlich war La Fontaine
im Vergleich zu den übrigen noch ein Manu vou unabhängiger Denkart, und
daß der König dies wußte lind es in seiner grenzenlosen Selbstvergötterung
mißbilligte, wird am schlagendsten durch die Schwierigkeiten bewiesen, die er
dein Dichter bei Gelegenheit seiner Wahl zur Akademie in den Weg legte: wie
bekannt ist, bestätigte er diese Wahl erst nach mehr als sechsmonatigem Zögern,
und nachdem auch Boileau, der mehr nach seinem Geschmacke war, die gewünschte
Aufnahme in diese lorbeerbekränztc Körperschaft erlangt hatte. Man will wissen,
die Schlüpfrigkeit der La Fontainischen Erzählungen (pentes) habe dem König
mißfallen; das kann wohl sein, denn der König, der für seine Person im Punkte
der Liebesabenteuer von keiner Moral etwas wußte und die elementarsten Grund¬
sätze der Wohlanständigkeit täglich mit Füßen trat, glaubte das, was er sich auf
der eiuen Seite in frevelndem Übermut zuschulden brachte, ans der andern durch
scheinheiliges Wesen wieder gut macheu zu können. Aber mehr als die Prüderie
wird ihn verletzte Eitelkeit und beleidigter Stolz gegen La Fontaine eingenommen
haben. Die Elegie an die Nymphen von Vaux, vielleicht die einzige französische
Dichtung dieser Art, die neben die Ovidischen gesetzt werden kann, soll der erste
Grund seiner Unzufriedenheit gewesen sein: Fouquet, für den sich die Elegie
bittend verwendet, war wirklich ein den Finanzen des Staats äußerst gefähr¬
licher Marder, und Frankreich wird es Colbert immer zu danken haben, daß
er diesen maßlosen Verschwender unschädlich gemacht hat; aber La Fontaines
Absicht, als er für den Gefangnen eintrat, war edel, und ein weniger absoluter
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