Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.ob die angebliche Weisheit unsrer Tage, die den Schöpfer der Härte und La Fontaine war wie seine Freunde, unter denen Moliere, Racine und Besonders bezeichnend für die Vorstellung, die sich der Dichter von der Aber auch diese Anschauung ist bei La Fontaine nicht zum System ge¬ sagt Lu Fontaine, der merkwürdigerweise wiederholt über Kinder und Schüler also einen Sturz Z2 Meter tief. ob die angebliche Weisheit unsrer Tage, die den Schöpfer der Härte und La Fontaine war wie seine Freunde, unter denen Moliere, Racine und Besonders bezeichnend für die Vorstellung, die sich der Dichter von der Aber auch diese Anschauung ist bei La Fontaine nicht zum System ge¬ sagt Lu Fontaine, der merkwürdigerweise wiederholt über Kinder und Schüler also einen Sturz Z2 Meter tief. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0326" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297458"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_1440" prev="#ID_1439"> ob die angebliche Weisheit unsrer Tage, die den Schöpfer der Härte und<lb/> Grausamkeit anklagt, nicht am Ende doch nichts andres ist als eine zur Mode¬<lb/> sache gewordne Unart.</p><lb/> <p xml:id="ID_1441"> La Fontaine war wie seine Freunde, unter denen Moliere, Racine und<lb/> Boileau die der Nachwelt bekanntesten sind, zu sehr mit der Milch klassischer<lb/> Bildung aufgezogen, als daß ihm Erfolg und Zufriedenheit nicht als Gaben<lb/> derselben geflügelten Göttin hätten erscheinen müssen, der Nom und Hellas<lb/> Tempel zu errichten und Opfer darzubringen gewetteifert hatten. Nur daß sich<lb/> bei ihm die Borstellnngsweise unter dein Einflüsse der die heidnischen Götter¬<lb/> gestalten in abstrakte Begriffe und Symbole verwandelnden Philosophie des<lb/> siebzehnten Jahrhunderts etwas verwässert, oder wie die Naturalisten meinen,<lb/> geklärt und geläutert hatte. Und während den Griechen und Römern ihre<lb/> Anschauungsweise erlaubte, ihrer Verehrung in der naivsten Form und ohne<lb/> jeden Schleier das Prinzip der nach der Speckseite gefenerten Wurst zugrunde zu<lb/> lege», so ist Fortuna bei La Fontaine zwar noch immer ein persönliches Wesen,<lb/> das spricht und handelt, aber mit Weihrauch, saftigen Braten lind honigsüßen<lb/> Trankopfern war ihr seiner Meinung nach nicht beizukommen. Sie teilt viel¬<lb/> mehr ihre Gunstbezeigungen recht wie ein Weib aus, und das beste Mittel, sie<lb/> anzulocken, ist ihr den Rücken zu kehren:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_27" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1442"> Besonders bezeichnend für die Vorstellung, die sich der Dichter von der<lb/> weiblichen Launenhaftigkeit der Göttin macht, ist die zwölfte Fabel des siebenten<lb/> Buchs, in der ihr von zwei Freunden der eine am Hofe, in Ostindien, in der<lb/> Mongolei und in Japan nachjagt und sie, unverrichtetersache nach vielen Führ¬<lb/> nissen heimkehrend, an der Schwelle des zurückgebliebne» Andern sitzend und<lb/> dessen Schlummer bewachend antrifft:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_28" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1443"> Aber auch diese Anschauung ist bei La Fontaine nicht zum System ge¬<lb/> worden, denn in der Fabel vom Schüler, der sich auf eiuer Bruuueneiufassuug<lb/> schlafe» gelegt hat, nimmt er die Göttin ausdrücklich gegen die Meinung derer<lb/> in Schutz, die sie unbesehens für alles, was geschieht, verantwortlich machen<lb/> wollen: <quote> ^ i ^ ,<lb/> Im Iionnms ttttmmo</quote></p><lb/> <p xml:id="ID_1444"> sagt Lu Fontaine, der merkwürdigerweise wiederholt über Kinder und Schüler<lb/> die Schale seines ziemlich lammherzigen Zorns ausschüttet,</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_29" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1445"> also einen Sturz Z2 Meter tief.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0326]
ob die angebliche Weisheit unsrer Tage, die den Schöpfer der Härte und
Grausamkeit anklagt, nicht am Ende doch nichts andres ist als eine zur Mode¬
sache gewordne Unart.
La Fontaine war wie seine Freunde, unter denen Moliere, Racine und
Boileau die der Nachwelt bekanntesten sind, zu sehr mit der Milch klassischer
Bildung aufgezogen, als daß ihm Erfolg und Zufriedenheit nicht als Gaben
derselben geflügelten Göttin hätten erscheinen müssen, der Nom und Hellas
Tempel zu errichten und Opfer darzubringen gewetteifert hatten. Nur daß sich
bei ihm die Borstellnngsweise unter dein Einflüsse der die heidnischen Götter¬
gestalten in abstrakte Begriffe und Symbole verwandelnden Philosophie des
siebzehnten Jahrhunderts etwas verwässert, oder wie die Naturalisten meinen,
geklärt und geläutert hatte. Und während den Griechen und Römern ihre
Anschauungsweise erlaubte, ihrer Verehrung in der naivsten Form und ohne
jeden Schleier das Prinzip der nach der Speckseite gefenerten Wurst zugrunde zu
lege», so ist Fortuna bei La Fontaine zwar noch immer ein persönliches Wesen,
das spricht und handelt, aber mit Weihrauch, saftigen Braten lind honigsüßen
Trankopfern war ihr seiner Meinung nach nicht beizukommen. Sie teilt viel¬
mehr ihre Gunstbezeigungen recht wie ein Weib aus, und das beste Mittel, sie
anzulocken, ist ihr den Rücken zu kehren:
Besonders bezeichnend für die Vorstellung, die sich der Dichter von der
weiblichen Launenhaftigkeit der Göttin macht, ist die zwölfte Fabel des siebenten
Buchs, in der ihr von zwei Freunden der eine am Hofe, in Ostindien, in der
Mongolei und in Japan nachjagt und sie, unverrichtetersache nach vielen Führ¬
nissen heimkehrend, an der Schwelle des zurückgebliebne» Andern sitzend und
dessen Schlummer bewachend antrifft:
Aber auch diese Anschauung ist bei La Fontaine nicht zum System ge¬
worden, denn in der Fabel vom Schüler, der sich auf eiuer Bruuueneiufassuug
schlafe» gelegt hat, nimmt er die Göttin ausdrücklich gegen die Meinung derer
in Schutz, die sie unbesehens für alles, was geschieht, verantwortlich machen
wollen: ^ i ^ ,
Im Iionnms ttttmmo
sagt Lu Fontaine, der merkwürdigerweise wiederholt über Kinder und Schüler
die Schale seines ziemlich lammherzigen Zorns ausschüttet,
also einen Sturz Z2 Meter tief.
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