Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Herrenmenschen so Verdichtet, daß er ihm wie Rede erschien. Wolf ist ein merkwürdiger Knabe; Das mochte es denn wohl auch sein. Damit konnte man die Anklage gegen Ich werde den Knaben selbst unterrichten, sagte der Doktor. Die Königliche Sie sind wirklich Doktor der Philosophie? fragte der Herr Pastor erstaunt. Gewiß bin ich das, antwortete Ramborn, überrascht, daß jemand daran zweifeln Er wurde abgerufen. Dieser Herr Doktor, sagte der Herr Pastor, ist doch aber ein ganz verstän¬ Natürlich ist er das! rief Tauenden. Waren Sie andrer Meinung? Man sagte mir, erwiderte der Herr Pastor mit der Offenherzigkeit seines geistlichen Tauenden erzürnte sich nicht leicht, hier aber stiegen ihr das Zornrot in die Der Herr Pastor fühlte den Vorwurf und entgegnete: Ich bin allezeit bereit, Er ist ein Vetter Marys, sagte Tauenden, er hat eine Hypothek, die auf Er ist aber doch, sagte der Herr Pastor, ein ganz ungläubiger Mensch? Herr Pastor, erwiderte Tauenden resolut, ein ungläubiger junger Mensch, für Fräulein Dora, sagte der Herr Pastor milde, es ist unchristlich, von einem Ramborn trat wieder ein. Nun betrachtete ihn der Herr Pastor mit andern Wäre es nicht gut, Herr Doktor, sagte er, wenn Sie und Groppoff sich Herrenmenschen so Verdichtet, daß er ihm wie Rede erschien. Wolf ist ein merkwürdiger Knabe; Das mochte es denn wohl auch sein. Damit konnte man die Anklage gegen Ich werde den Knaben selbst unterrichten, sagte der Doktor. Die Königliche Sie sind wirklich Doktor der Philosophie? fragte der Herr Pastor erstaunt. Gewiß bin ich das, antwortete Ramborn, überrascht, daß jemand daran zweifeln Er wurde abgerufen. Dieser Herr Doktor, sagte der Herr Pastor, ist doch aber ein ganz verstän¬ Natürlich ist er das! rief Tauenden. Waren Sie andrer Meinung? Man sagte mir, erwiderte der Herr Pastor mit der Offenherzigkeit seines geistlichen Tauenden erzürnte sich nicht leicht, hier aber stiegen ihr das Zornrot in die Der Herr Pastor fühlte den Vorwurf und entgegnete: Ich bin allezeit bereit, Er ist ein Vetter Marys, sagte Tauenden, er hat eine Hypothek, die auf Er ist aber doch, sagte der Herr Pastor, ein ganz ungläubiger Mensch? Herr Pastor, erwiderte Tauenden resolut, ein ungläubiger junger Mensch, für Fräulein Dora, sagte der Herr Pastor milde, es ist unchristlich, von einem Ramborn trat wieder ein. Nun betrachtete ihn der Herr Pastor mit andern Wäre es nicht gut, Herr Doktor, sagte er, wenn Sie und Groppoff sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0282" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297414"/> <fw type="header" place="top"> Herrenmenschen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1271" prev="#ID_1270"> so Verdichtet, daß er ihm wie Rede erschien. Wolf ist ein merkwürdiger Knabe;<lb/> er ist außerordentlich sensibel, außerordentlich hellhörig.</p><lb/> <p xml:id="ID_1272"> Das mochte es denn wohl auch sein. Damit konnte man die Anklage gegen<lb/> den Lehrer fallen lassen, aber die Frage, was mit dem Knaben anzufangen sei,<lb/> blieb unerledigt. Daß er bei seinem Gemütszustande nicht in die Dorfschule ge¬<lb/> schickt werden könne, sah anch der Herr Pastor ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1273"> Ich werde den Knaben selbst unterrichten, sagte der Doktor. Die Königliche<lb/> Regierung wird hoffentlich annehmen, daß ein äootor xkilosopnias einem neunjährigen<lb/> Jungen mensa. und die vier Spezies beibringen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_1274"> Sie sind wirklich Doktor der Philosophie? fragte der Herr Pastor erstaunt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1275"> Gewiß bin ich das, antwortete Ramborn, überrascht, daß jemand daran zweifeln<lb/> könnte, ein wirklicher, echter Berliner ciootor vllilosovkiae et bon^ruw artium könne<lb/> auf zwei Füßen in Tapnicken herumgehn.</p><lb/> <p xml:id="ID_1276"> Er wurde abgerufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1277"> Dieser Herr Doktor, sagte der Herr Pastor, ist doch aber ein ganz verstän¬<lb/> diger Herr.</p><lb/> <p xml:id="ID_1278"> Natürlich ist er das! rief Tauenden. Waren Sie andrer Meinung?</p><lb/> <p xml:id="ID_1279"> Man sagte mir, erwiderte der Herr Pastor mit der Offenherzigkeit seines geistlichen<lb/> Amtes, daß er eine Art Abenteurer sei, der sich ohne ersichtlichen Grund hier aufhalte,<lb/> es müßte denn sein, daß er gewisse Beziehungen zu Frau Van Term angeknüpft<lb/> habe oder habe anknüpfen wollen. Er sei auch wahrscheinlich an ihrem Tode schuld.</p><lb/> <p xml:id="ID_1280"> Tauenden erzürnte sich nicht leicht, hier aber stiegen ihr das Zornrot in die<lb/> Wangen und die Tränen in die Augen. O es ist schändlich, rief sie, einen guten<lb/> Menschen so zu verleumden! Und das haben Sie geglaubt, Herr Pastor?</p><lb/> <p xml:id="ID_1281"> Der Herr Pastor fühlte den Vorwurf und entgegnete: Ich bin allezeit bereit,<lb/> von jedermann das beste zu glauben, aber sagen Sie mir, Fräulein Van Term,<lb/> wer ist dieser Herr Doktor, und was macht er hier?</p><lb/> <p xml:id="ID_1282"> Er ist ein Vetter Marys, sagte Tauenden, er hat eine Hypothek, die auf<lb/> unserm Gute ruht, und ist hergekommen, um nach seiner Hypothek zu sehen. Mancher<lb/> andre würde sie gekündigt haben, er aber bleibt hier, um uns in unsrer Bedrängnis<lb/> beizustehn. Ja, Herr Pastor, wir sind ihm großen Dank schuldig. Denken Sie<lb/> doch, dieser hochgebildete Mann, der überall willkommen sein würde, setzt sich nach<lb/> Tapnicken und mißt draußen Hafer ab, um einem armen, kleinen, verwaisten Knaben<lb/> seiner Mutter Erbe zu erhalten, das ihm gewissenlose Leute nehmen wollen. Und<lb/> dafür greift man seine Ehre an!</p><lb/> <p xml:id="ID_1283"> Er ist aber doch, sagte der Herr Pastor, ein ganz ungläubiger Mensch?</p><lb/> <p xml:id="ID_1284"> Herr Pastor, erwiderte Tauenden resolut, ein ungläubiger junger Mensch, für<lb/> den man noch hoffen kann, ist mir lieber als ein alter hartgesottner Sünder, den<lb/> der Teufel in den Klauen hat, und den er auch niemals wieder loslassen wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1285"> Fräulein Dora, sagte der Herr Pastor milde, es ist unchristlich, von einem<lb/> Menschen zu sagen, der Teufel halte ihn in den Klauen. Der Herr spricht: Richtet<lb/> nicht. Ich will mich auch bemühen, nicht hart zu urteilen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1286"> Ramborn trat wieder ein. Nun betrachtete ihn der Herr Pastor mit andern<lb/> Augen. Wenn wahr war, was Tauenden sagte, und es war ja nicht daran zu<lb/> zweifeln, so war ja dieser Doktor Namborn ein ungewöhnlicher Mensch. Doktor<lb/> der Philosophie, jung, wohlhabend, unabhängig, und er setzt sich in diesen Winkel<lb/> und tut Verwalterdienste, um einem Knaben, der ihn eigentlich sehr wenig angeht,<lb/> sein Erbe zu schützen; das war ungewöhnlicher Edelmut und von einem modernen<lb/> Menschen kaum zu erwarten. Er sah auch sogleich ein, daß hiermit ein neuer<lb/> Faktor gegeben war, mit dem in Tapnicken gerechnet werden mußte. Hoffentlich ein<lb/> günstiger Faktor, denn sein Tapnicken und die Zustände, die dort herrschten, lagen<lb/> dem Herrn Pastor schwer auf dem Herzen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1287"> Wäre es nicht gut, Herr Doktor, sagte er, wenn Sie und Groppoff sich<lb/> einigten? Das Dorf leidet unter dem einen Herrn, unter zwei Herren, die ein¬<lb/> ander feind sind, würde es doppelt leiden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0282]
Herrenmenschen
so Verdichtet, daß er ihm wie Rede erschien. Wolf ist ein merkwürdiger Knabe;
er ist außerordentlich sensibel, außerordentlich hellhörig.
Das mochte es denn wohl auch sein. Damit konnte man die Anklage gegen
den Lehrer fallen lassen, aber die Frage, was mit dem Knaben anzufangen sei,
blieb unerledigt. Daß er bei seinem Gemütszustande nicht in die Dorfschule ge¬
schickt werden könne, sah anch der Herr Pastor ein.
Ich werde den Knaben selbst unterrichten, sagte der Doktor. Die Königliche
Regierung wird hoffentlich annehmen, daß ein äootor xkilosopnias einem neunjährigen
Jungen mensa. und die vier Spezies beibringen kann.
Sie sind wirklich Doktor der Philosophie? fragte der Herr Pastor erstaunt.
Gewiß bin ich das, antwortete Ramborn, überrascht, daß jemand daran zweifeln
könnte, ein wirklicher, echter Berliner ciootor vllilosovkiae et bon^ruw artium könne
auf zwei Füßen in Tapnicken herumgehn.
Er wurde abgerufen.
Dieser Herr Doktor, sagte der Herr Pastor, ist doch aber ein ganz verstän¬
diger Herr.
Natürlich ist er das! rief Tauenden. Waren Sie andrer Meinung?
Man sagte mir, erwiderte der Herr Pastor mit der Offenherzigkeit seines geistlichen
Amtes, daß er eine Art Abenteurer sei, der sich ohne ersichtlichen Grund hier aufhalte,
es müßte denn sein, daß er gewisse Beziehungen zu Frau Van Term angeknüpft
habe oder habe anknüpfen wollen. Er sei auch wahrscheinlich an ihrem Tode schuld.
Tauenden erzürnte sich nicht leicht, hier aber stiegen ihr das Zornrot in die
Wangen und die Tränen in die Augen. O es ist schändlich, rief sie, einen guten
Menschen so zu verleumden! Und das haben Sie geglaubt, Herr Pastor?
Der Herr Pastor fühlte den Vorwurf und entgegnete: Ich bin allezeit bereit,
von jedermann das beste zu glauben, aber sagen Sie mir, Fräulein Van Term,
wer ist dieser Herr Doktor, und was macht er hier?
Er ist ein Vetter Marys, sagte Tauenden, er hat eine Hypothek, die auf
unserm Gute ruht, und ist hergekommen, um nach seiner Hypothek zu sehen. Mancher
andre würde sie gekündigt haben, er aber bleibt hier, um uns in unsrer Bedrängnis
beizustehn. Ja, Herr Pastor, wir sind ihm großen Dank schuldig. Denken Sie
doch, dieser hochgebildete Mann, der überall willkommen sein würde, setzt sich nach
Tapnicken und mißt draußen Hafer ab, um einem armen, kleinen, verwaisten Knaben
seiner Mutter Erbe zu erhalten, das ihm gewissenlose Leute nehmen wollen. Und
dafür greift man seine Ehre an!
Er ist aber doch, sagte der Herr Pastor, ein ganz ungläubiger Mensch?
Herr Pastor, erwiderte Tauenden resolut, ein ungläubiger junger Mensch, für
den man noch hoffen kann, ist mir lieber als ein alter hartgesottner Sünder, den
der Teufel in den Klauen hat, und den er auch niemals wieder loslassen wird.
Fräulein Dora, sagte der Herr Pastor milde, es ist unchristlich, von einem
Menschen zu sagen, der Teufel halte ihn in den Klauen. Der Herr spricht: Richtet
nicht. Ich will mich auch bemühen, nicht hart zu urteilen.
Ramborn trat wieder ein. Nun betrachtete ihn der Herr Pastor mit andern
Augen. Wenn wahr war, was Tauenden sagte, und es war ja nicht daran zu
zweifeln, so war ja dieser Doktor Namborn ein ungewöhnlicher Mensch. Doktor
der Philosophie, jung, wohlhabend, unabhängig, und er setzt sich in diesen Winkel
und tut Verwalterdienste, um einem Knaben, der ihn eigentlich sehr wenig angeht,
sein Erbe zu schützen; das war ungewöhnlicher Edelmut und von einem modernen
Menschen kaum zu erwarten. Er sah auch sogleich ein, daß hiermit ein neuer
Faktor gegeben war, mit dem in Tapnicken gerechnet werden mußte. Hoffentlich ein
günstiger Faktor, denn sein Tapnicken und die Zustände, die dort herrschten, lagen
dem Herrn Pastor schwer auf dem Herzen.
Wäre es nicht gut, Herr Doktor, sagte er, wenn Sie und Groppoff sich
einigten? Das Dorf leidet unter dem einen Herrn, unter zwei Herren, die ein¬
ander feind sind, würde es doppelt leiden.
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