Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.ZNm'vllo und das Gleichgewicht im Mttelmcer Nordgcstade in Rußlands Hand. Odessa wurde gegründet, und russische Kriegs¬ Mit den Siegen von Abukir und Trafalgar und dem dann folgenden Zu¬ Immer mehr sank die Bedeutung des Halbmondes in den Machtverhältnissen ZNm'vllo und das Gleichgewicht im Mttelmcer Nordgcstade in Rußlands Hand. Odessa wurde gegründet, und russische Kriegs¬ Mit den Siegen von Abukir und Trafalgar und dem dann folgenden Zu¬ Immer mehr sank die Bedeutung des Halbmondes in den Machtverhältnissen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297258"/> <fw type="header" place="top"> ZNm'vllo und das Gleichgewicht im Mttelmcer</fw><lb/> <p xml:id="ID_484" prev="#ID_483"> Nordgcstade in Rußlands Hand. Odessa wurde gegründet, und russische Kriegs¬<lb/> schiffe fuhren bald durch den Bosporus ins Mittelmeer. Mit dem Wechsel des<lb/> Jahrhunderts schien sich eine große Umgestaltung anbahnen zu wollen. Bona¬<lb/> parte verließ den Boden Frankreichs 1798, um durch Eroberung Ägyptens und<lb/> weitergehende Pläne die Seeherrschaft Englands in ihrem innersten Herzen zu<lb/> treffen. Durch einen Handstreich nahm er Malta, das damals noch dem macht¬<lb/> losen Malteserorden gehörte. Er verscherzte damit die Gunst Kaiser Paris von<lb/> Nußland, der bis dahin der Neugestaltung der Dinge in Frankreich wohlgeneigt<lb/> gegenübergestanden hatte, nun aber, da er kurz zuvor zum Großmeister des<lb/> Malteserordens ernannt worden war, in seinem Stolze gekränkt wurde und zum<lb/> erstenmal eine russische Flotte in das westliche Mittelmeer schickte. Dennoch be¬<lb/> deuteten seine Schiffe zunächst noch nichts gegen England. Dieses gelangte<lb/> vielmehr 1800 durch Verrat in den Besitz Maltas, das seitdem mit Gibraltar<lb/> die beiden wichtigen Stützpunkte gegeben hat, auf denen die britische Mittelmeer¬<lb/> macht ruht.</p><lb/> <p xml:id="ID_485"> Mit den Siegen von Abukir und Trafalgar und dem dann folgenden Zu¬<lb/> sammenbruch der nnpoleonischen Macht trat vielmehr das unbestrittene Über¬<lb/> gewicht Englands immer klarer hervor. Venedig und Genua, die für das fran¬<lb/> zösische Mittelmeerreich eine entscheidende Stütze hätten sein können, fielen andern<lb/> Mächten zu: Genua an das Königreich Sardinien, Venedig samt Jstrien und<lb/> Dalmatien an Österreich. Seit 1382 hat Österreich einen wichtigen Mittelmeer¬<lb/> hafen: Trieft. Seit 1814, wo Trieft nach kurzer Unterbrechung wieder in seine<lb/> .Hände kam, und wo es die ganze cidriatische Küste vom Po bis nach Cattaro<lb/> gewann, hätte es die Unterlagen zu einer Mittelmeerpolitik und einer Mittel¬<lb/> meermacht gehabt. Aber niemals hat es sie ernstlich ausgebildet. Die Reeber,<lb/> Kapitäne und Matrosen der Handelsflotte waren eben Italiener, nicht Deutsche,<lb/> nicht Kroaten. Die Besatzung der Kriegsflotte bestand zum großen Teil aus<lb/> Italienern, sodaß die österreichische Flotte 1848 eine Stütze der Revolution war.<lb/> Von einem Gegengewicht gegen die wirklichen Seemächte des Mittelmeers konnte<lb/> nur in einem einzigen Falle die Rede sein: 18KK gegen die Italiener. Dieser<lb/> blieb ohne politische Folgen.</p><lb/> <p xml:id="ID_486" next="#ID_487"> Immer mehr sank die Bedeutung des Halbmondes in den Machtverhältnissen<lb/> des Mittelmeers. Der Unabhängigkeitskampf der Griechen führte zur Vernichtung<lb/> der türkischen Flotte in Ncwarino. Ein Übermut des türkischen Admirals ver¬<lb/> anlaßte die dort liegenden Flotten Englands, Frankreichs und Rußlands, die<lb/> türkische Macht zusammenzuschießen. Das war für England das berühmte<lb/> nntovArcl Sohne, das ungelegne Ereignis, denn es gehörte gar nicht zu den<lb/> Gegnern des Sultans. Vielmehr hatte es schon begonnen, in der Türkei die<lb/> Macht zu begrüßen und zu unterstützen, die die Russen vom Mittelmeer fern<lb/> haltsn sollte. Es fürchtete die im neunzehnten Jahrhundert immer anspruchs¬<lb/> voller auftretende und anscheinend immer mächtiger werdende Ostmacht und ge¬<lb/> langte allmählich in die Stellung einer Schntzmacht über die türkische Herrschaft,<lb/> mit der es den Bosporus gegen die Moskowiter zu verteidigen dachte. Daniel<lb/> Urouhart, ein englischer Botschaftsrat in Konstantinopel, wurde der ausge¬<lb/> sprochenste Gegner Rußlands und wollte die ganze englische Politik nach dem</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0126]
ZNm'vllo und das Gleichgewicht im Mttelmcer
Nordgcstade in Rußlands Hand. Odessa wurde gegründet, und russische Kriegs¬
schiffe fuhren bald durch den Bosporus ins Mittelmeer. Mit dem Wechsel des
Jahrhunderts schien sich eine große Umgestaltung anbahnen zu wollen. Bona¬
parte verließ den Boden Frankreichs 1798, um durch Eroberung Ägyptens und
weitergehende Pläne die Seeherrschaft Englands in ihrem innersten Herzen zu
treffen. Durch einen Handstreich nahm er Malta, das damals noch dem macht¬
losen Malteserorden gehörte. Er verscherzte damit die Gunst Kaiser Paris von
Nußland, der bis dahin der Neugestaltung der Dinge in Frankreich wohlgeneigt
gegenübergestanden hatte, nun aber, da er kurz zuvor zum Großmeister des
Malteserordens ernannt worden war, in seinem Stolze gekränkt wurde und zum
erstenmal eine russische Flotte in das westliche Mittelmeer schickte. Dennoch be¬
deuteten seine Schiffe zunächst noch nichts gegen England. Dieses gelangte
vielmehr 1800 durch Verrat in den Besitz Maltas, das seitdem mit Gibraltar
die beiden wichtigen Stützpunkte gegeben hat, auf denen die britische Mittelmeer¬
macht ruht.
Mit den Siegen von Abukir und Trafalgar und dem dann folgenden Zu¬
sammenbruch der nnpoleonischen Macht trat vielmehr das unbestrittene Über¬
gewicht Englands immer klarer hervor. Venedig und Genua, die für das fran¬
zösische Mittelmeerreich eine entscheidende Stütze hätten sein können, fielen andern
Mächten zu: Genua an das Königreich Sardinien, Venedig samt Jstrien und
Dalmatien an Österreich. Seit 1382 hat Österreich einen wichtigen Mittelmeer¬
hafen: Trieft. Seit 1814, wo Trieft nach kurzer Unterbrechung wieder in seine
.Hände kam, und wo es die ganze cidriatische Küste vom Po bis nach Cattaro
gewann, hätte es die Unterlagen zu einer Mittelmeerpolitik und einer Mittel¬
meermacht gehabt. Aber niemals hat es sie ernstlich ausgebildet. Die Reeber,
Kapitäne und Matrosen der Handelsflotte waren eben Italiener, nicht Deutsche,
nicht Kroaten. Die Besatzung der Kriegsflotte bestand zum großen Teil aus
Italienern, sodaß die österreichische Flotte 1848 eine Stütze der Revolution war.
Von einem Gegengewicht gegen die wirklichen Seemächte des Mittelmeers konnte
nur in einem einzigen Falle die Rede sein: 18KK gegen die Italiener. Dieser
blieb ohne politische Folgen.
Immer mehr sank die Bedeutung des Halbmondes in den Machtverhältnissen
des Mittelmeers. Der Unabhängigkeitskampf der Griechen führte zur Vernichtung
der türkischen Flotte in Ncwarino. Ein Übermut des türkischen Admirals ver¬
anlaßte die dort liegenden Flotten Englands, Frankreichs und Rußlands, die
türkische Macht zusammenzuschießen. Das war für England das berühmte
nntovArcl Sohne, das ungelegne Ereignis, denn es gehörte gar nicht zu den
Gegnern des Sultans. Vielmehr hatte es schon begonnen, in der Türkei die
Macht zu begrüßen und zu unterstützen, die die Russen vom Mittelmeer fern
haltsn sollte. Es fürchtete die im neunzehnten Jahrhundert immer anspruchs¬
voller auftretende und anscheinend immer mächtiger werdende Ostmacht und ge¬
langte allmählich in die Stellung einer Schntzmacht über die türkische Herrschaft,
mit der es den Bosporus gegen die Moskowiter zu verteidigen dachte. Daniel
Urouhart, ein englischer Botschaftsrat in Konstantinopel, wurde der ausge¬
sprochenste Gegner Rußlands und wollte die ganze englische Politik nach dem
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