Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Die Reaktion der farbigen Rassen Kultur zu behaupte", sondern wenigstens bei den Häuptern, namentlich dem So hat sich in Ostasien eine einheimische, heidnische, kriegsgewaltige Gro߬ Die Antwort ist einfach, aber für Europa weder schmeichelhaft noch Die Reaktion der farbigen Rassen Kultur zu behaupte», sondern wenigstens bei den Häuptern, namentlich dem So hat sich in Ostasien eine einheimische, heidnische, kriegsgewaltige Gro߬ Die Antwort ist einfach, aber für Europa weder schmeichelhaft noch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0012" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297144"/> <fw type="header" place="top"> Die Reaktion der farbigen Rassen</fw><lb/> <p xml:id="ID_7" prev="#ID_6"> Kultur zu behaupte», sondern wenigstens bei den Häuptern, namentlich dem<lb/> Hottentotten Hendrik Witboi, auch auf einem afrikanischen Bewußtsein, das bei<lb/> ihm die Form einer religiösen Überzeugung angenommen zu haben scheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_8"> So hat sich in Ostasien eine einheimische, heidnische, kriegsgewaltige Gro߬<lb/> macht erhoben, die schon auf das Festland hinübergreife; in Afrika hat sich das<lb/> uralte christliche Reich von Habesch, das jahrhundertelang, von der übrigen<lb/> Christenheit isoliert und fast vergessen, doch ein Bollwerk gegen die Fluten<lb/> des ringsum siegreichen Islam bildete, wenigstens zu einer anerkannten<lb/> selbständigen Macht emporgearbeitet. In Amerika fehlt es an einer solchen,<lb/> aber innerhalb der bestehenden Staaten europäischen Gepräges dringen vielfach<lb/> die Eingebornen zum Anteil an der Herrschaft empor. Fast überall beruht<lb/> diese Reaktion der farbigen Rassen auf einer alten, einheimischen, eigentüm¬<lb/> lichen Kultur, die in Ostasien älter ist als die europäische. Wo bleibt da<lb/> das bisher nicht angezweifelte, scheinbar unerschütterliche Übergewicht der<lb/> europäischen Kultur? Wie ist es möglich, daß diese eben in ihrer höchsten und<lb/> glänzendsten Entfaltung in einer Zeit, wo sie den ganzen Erdball erobert zu<lb/> haben glaubt, allerorten auf den Gegenstoß der farbigen Rassen trifft?</p><lb/> <p xml:id="ID_9" next="#ID_10"> Die Antwort ist einfach, aber für Europa weder schmeichelhaft noch<lb/> tröstlich. Was wir der außereuropäischen, vor allem der farbigen Menschheit<lb/> gebracht haben und bringen, das ist nur die Zivilisation, das heißt, wie es<lb/> Professor Karl Lamprecht in Leipzig nach den Erfahrungen seiner nord-<lb/> amerikanischen Reise jüngst feinsinnig definiert hat, die Beherrschung der Natur<lb/> und ihrer Kräfte dnrch eine darauf gerichtete Wissenschaft und Technik; es ist,<lb/> wenn man von der mehr oder weniger gewaltsamen und äußerlichen Bekehrung<lb/> der amerikanischen Kulturvölker im sechzehnten Jahrhundert oder von der<lb/> modernen Verbreitung des Christentums unter den südafrikanischen Stämmen<lb/> absieht, nicht die Kultur, das heißt die Entfaltung des Gemüts, des Herzens,<lb/> der Phantasie, wie sie sich in Dichtung und Kunst, in Religion und Geistes¬<lb/> wissenschaft zeigt, also etwas sehr Äußerliches, sozusagen Mechanisches. Wett¬<lb/> eifernd haben die europäischen Völker, wie sie meinten, im eignen Interesse,<lb/> das heißt im Interesse ihres eignen Erwerbs, ihre landwirtschaftliche,<lb/> industrielle, militärische und maritime Technik überall hingetragen, und lern¬<lb/> begierig haben sich die Farbigen das alles angeeignet. Mit europäischen<lb/> Waffen und Panzerschiffen, mit deutscher Organisation und Taktik schlagen<lb/> die Japaner die Russen; Eisenbahnen, Dampfer und Telegraphen haben die<lb/> indischen Rassen und Stämme in engern Zusammenhang gebracht, als sie<lb/> jemals untereinander gehabt haben, in englischer Schule hat sich eine starke<lb/> indische Armee gebildet, mit Hinterladern fechten Hereros und Witbois gegen<lb/> unsre Truppen, die ihnen nur durch Artillerie und Maximgeschütze technisch<lb/> überlegen sind. Fabriken europäischer Art arbeiten in Indien, Japan und<lb/> China und beginnen der europäischen Industrie Konkurrenz zu macheu. Wie<lb/> lange wird es noch dauern, bis Chinesen und Japaner ihre europäischen Lehr¬<lb/> meister, die ihnen das alles beigebracht haben, höflich hinauskomplimentieren?<lb/> Wo nicht das Christentum eingewirkt hat — und davon ist bei den asiatischen<lb/> Kulturvölkern sehr wenig die Rede -—, da hat die europäische Kultur gar nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
Die Reaktion der farbigen Rassen
Kultur zu behaupte», sondern wenigstens bei den Häuptern, namentlich dem
Hottentotten Hendrik Witboi, auch auf einem afrikanischen Bewußtsein, das bei
ihm die Form einer religiösen Überzeugung angenommen zu haben scheint.
So hat sich in Ostasien eine einheimische, heidnische, kriegsgewaltige Gro߬
macht erhoben, die schon auf das Festland hinübergreife; in Afrika hat sich das
uralte christliche Reich von Habesch, das jahrhundertelang, von der übrigen
Christenheit isoliert und fast vergessen, doch ein Bollwerk gegen die Fluten
des ringsum siegreichen Islam bildete, wenigstens zu einer anerkannten
selbständigen Macht emporgearbeitet. In Amerika fehlt es an einer solchen,
aber innerhalb der bestehenden Staaten europäischen Gepräges dringen vielfach
die Eingebornen zum Anteil an der Herrschaft empor. Fast überall beruht
diese Reaktion der farbigen Rassen auf einer alten, einheimischen, eigentüm¬
lichen Kultur, die in Ostasien älter ist als die europäische. Wo bleibt da
das bisher nicht angezweifelte, scheinbar unerschütterliche Übergewicht der
europäischen Kultur? Wie ist es möglich, daß diese eben in ihrer höchsten und
glänzendsten Entfaltung in einer Zeit, wo sie den ganzen Erdball erobert zu
haben glaubt, allerorten auf den Gegenstoß der farbigen Rassen trifft?
Die Antwort ist einfach, aber für Europa weder schmeichelhaft noch
tröstlich. Was wir der außereuropäischen, vor allem der farbigen Menschheit
gebracht haben und bringen, das ist nur die Zivilisation, das heißt, wie es
Professor Karl Lamprecht in Leipzig nach den Erfahrungen seiner nord-
amerikanischen Reise jüngst feinsinnig definiert hat, die Beherrschung der Natur
und ihrer Kräfte dnrch eine darauf gerichtete Wissenschaft und Technik; es ist,
wenn man von der mehr oder weniger gewaltsamen und äußerlichen Bekehrung
der amerikanischen Kulturvölker im sechzehnten Jahrhundert oder von der
modernen Verbreitung des Christentums unter den südafrikanischen Stämmen
absieht, nicht die Kultur, das heißt die Entfaltung des Gemüts, des Herzens,
der Phantasie, wie sie sich in Dichtung und Kunst, in Religion und Geistes¬
wissenschaft zeigt, also etwas sehr Äußerliches, sozusagen Mechanisches. Wett¬
eifernd haben die europäischen Völker, wie sie meinten, im eignen Interesse,
das heißt im Interesse ihres eignen Erwerbs, ihre landwirtschaftliche,
industrielle, militärische und maritime Technik überall hingetragen, und lern¬
begierig haben sich die Farbigen das alles angeeignet. Mit europäischen
Waffen und Panzerschiffen, mit deutscher Organisation und Taktik schlagen
die Japaner die Russen; Eisenbahnen, Dampfer und Telegraphen haben die
indischen Rassen und Stämme in engern Zusammenhang gebracht, als sie
jemals untereinander gehabt haben, in englischer Schule hat sich eine starke
indische Armee gebildet, mit Hinterladern fechten Hereros und Witbois gegen
unsre Truppen, die ihnen nur durch Artillerie und Maximgeschütze technisch
überlegen sind. Fabriken europäischer Art arbeiten in Indien, Japan und
China und beginnen der europäischen Industrie Konkurrenz zu macheu. Wie
lange wird es noch dauern, bis Chinesen und Japaner ihre europäischen Lehr¬
meister, die ihnen das alles beigebracht haben, höflich hinauskomplimentieren?
Wo nicht das Christentum eingewirkt hat — und davon ist bei den asiatischen
Kulturvölkern sehr wenig die Rede -—, da hat die europäische Kultur gar nicht
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