Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches fvrdernissen der Lage. Die Lage gebot die Entfaltung der deutschen Flagge vor Vielleicht entschließt sich Delcasse, noch ehe diese Zeilen im Druck erscheinen, Der Verfasfungsantrag der Elsaß-Lothringer erfreut sich bis jetzt nur des Maßgebliches und Unmaßgebliches fvrdernissen der Lage. Die Lage gebot die Entfaltung der deutschen Flagge vor Vielleicht entschließt sich Delcasse, noch ehe diese Zeilen im Druck erscheinen, Der Verfasfungsantrag der Elsaß-Lothringer erfreut sich bis jetzt nur des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0119" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297251"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_466" prev="#ID_465"> fvrdernissen der Lage. Die Lage gebot die Entfaltung der deutschen Flagge vor<lb/> Tanger. Die Entsendung eines Geschwaders hätte einen drohenden Charakter<lb/> gehabt, ein Schiff Ware zu wenig gewesen. Das persönliche Erscheinen des Kaisers,<lb/> im Geleit auch nur eines Panzerkreuzers, umgab die Entfaltung der deutschen Flngge,<lb/> in diesem Falle der deutschen Kaiserstandarte, mit dein höchsten Ansehen, ohne einen<lb/> irgendwie bedrohlichen oder kriegerischen Charakter zu haben. Ein deutsches Ge¬<lb/> schwader hätte wahrscheinlich ein französisches und damit eine gespannte Situation<lb/> vorgefunden, dem deutschen Kaiser konnten und mußten auch die Franzosen mit<lb/> voller Höflichkeit entgegentreten. Der Kaiser hat sich damit bewußt in den Dienst<lb/> des Reichs und seiner Interessen gestellt, er hat damit nicht eine nörgelnde Kritik,<lb/> sondern — zumal in Anbetracht des keineswegs gefahrlosen Schrittes — ehrlichen<lb/> Dank verdient. Die Deutschen sind freilich, infolge ihrer Parteibrillen und ihrer<lb/> Ungeschultheit in großen internationalen Dingen, hierin viel kurzsichtiger als das<lb/> Ausland. Durch die Erklärung, daß Deutschland nichts weiter begehrt, als die<lb/> offne Tür für alle Nationen, hat der Kaiser den Verdacht, als beabsichtige er<lb/> besondre Vorteile für sich herauszuschlagen, im voraus entkräftigt. Deutschland ist<lb/> mit dieser Forderung tatsächlich, im Gegensatz zu den Delcasse'schen Bestrebungen,<lb/> als der Mandatar aller Nationen aufgetreten, die in Marokko Interessen haben.<lb/> Auf diesem Standpunkte wird es auch verbleiben und wird im Notfalle über uoch<lb/> andre Mittel verfügen, ihm Nachdruck zu geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_467"> Vielleicht entschließt sich Delcasse, noch ehe diese Zeilen im Druck erscheinen,<lb/> in deu sauern Apfel zu beißen und seinen gewundnen Reden eine vernünftige Tat<lb/> folgen zu lassen. Es läge das nur im Interesse Frankreichs. Was die Idee einer<lb/> neuen marokkanischen Konferenz anlangt, so hat Deutschland keinen Grund, eine<lb/> solche anzuregen, kommt aber die Anregung mit einiger Aussicht auf Erfolg von<lb/> andrer Seite, so hat es auch keinen Grund, sich einer Konferenz zu entziehn, die<lb/> auf der Basis der „offnen Tür" znscunmentritt. Wir wollen nichts weiter als die<lb/> offne Tür, diese aber ganz und mit absolutester Vollständigkeit. Eine Gänsehaut<lb/> lvegen des Tangerbesuchs zu bekommen, sollten die Deutschen und namentlich die<lb/> deutschen Publizisten doch besser den Franzosen überlassen, und sie sollten nicht die<lb/> Geschäfte des Auslandes besorgen, indem sie wohlerwogne und durchaus gelungne<lb/> Schritte der deutschen Politik durch eine ebenso schwächliche wie kurzsichtige Kritik<lb/> abschwächen und vor dem Auslande diskreditieren. Auch für unsre Stellung in<lb/> Marokko muß das Wort gelten! „Dies ist unser, so laßt uns sagen, und so es<lb/> behaupten." Dieser Gedanke und nichts andres hat das persönliche Eingreifen des<lb/> Kaisers bestimmt und geleitet. An König Ednard wird so oft gelobt, daß er durch<lb/> geschickte persönliche Tätigkeit die Geschäfte und die Interessen seines Landes fördere;<lb/> Deshalb dem Kaiser diese Anerkennung, die das Ausland ihm bereitwillig zollt,<lb/> 'n Deutschland versagen?</p><lb/> <p xml:id="ID_468" next="#ID_469"> Der Verfasfungsantrag der Elsaß-Lothringer erfreut sich bis jetzt nur des<lb/> Segens der Zentrumsorgane, die dabei vielleicht von dem Hintergedanken erfüllt<lb/> s'ut, auf dem Wege über Straßburg dem Zentrumseinfluß die Pforten des Bundes¬<lb/> rath zu erschließen und in der umzugestaltenden Landesvertretung einen breitern<lb/> "nun, zu gewinnen. Die vier Paragraphen des Antrages, der übrigens bei Ab¬<lb/> lassung dieser Zeilen nnter den Drucksachen des Reichstags noch nicht erschienen,<lb/> wildem zunächst nnr in der Presse mitgeteilt worden ist, können auch für den Anhänger<lb/> Mes Inhalts keinen Gesetzentwurf, sondern höchstens Materialien zu einem solchen<lb/> darstellen. Will Elsaß-Lothringen auf seinen idealen Charakter als Reichsland ver¬<lb/> achten und deutscher Kleinstaat werden, so genügt nicht der Wunsch, „Staat"<lb/> ^rden zu wollen, sondern es ist nötig, zu sagen, was für ein Staat. Die<lb/> >°uveräncn deutschen Staaten gliedern sich in Königreiche, Großherzogtümer, Herzog-<lb/> umer, Fürstentümer und freie Städte. Von diesen fünf Kategorien können die<lb/> ^te und die beiden letzten nicht in Betracht kommen, es bliebe also wohl die<lb/> ^"si zwischen Großherzogtum und Herzogtum. Wäre es für Elsaß-Lothringen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0119]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
fvrdernissen der Lage. Die Lage gebot die Entfaltung der deutschen Flagge vor
Tanger. Die Entsendung eines Geschwaders hätte einen drohenden Charakter
gehabt, ein Schiff Ware zu wenig gewesen. Das persönliche Erscheinen des Kaisers,
im Geleit auch nur eines Panzerkreuzers, umgab die Entfaltung der deutschen Flngge,
in diesem Falle der deutschen Kaiserstandarte, mit dein höchsten Ansehen, ohne einen
irgendwie bedrohlichen oder kriegerischen Charakter zu haben. Ein deutsches Ge¬
schwader hätte wahrscheinlich ein französisches und damit eine gespannte Situation
vorgefunden, dem deutschen Kaiser konnten und mußten auch die Franzosen mit
voller Höflichkeit entgegentreten. Der Kaiser hat sich damit bewußt in den Dienst
des Reichs und seiner Interessen gestellt, er hat damit nicht eine nörgelnde Kritik,
sondern — zumal in Anbetracht des keineswegs gefahrlosen Schrittes — ehrlichen
Dank verdient. Die Deutschen sind freilich, infolge ihrer Parteibrillen und ihrer
Ungeschultheit in großen internationalen Dingen, hierin viel kurzsichtiger als das
Ausland. Durch die Erklärung, daß Deutschland nichts weiter begehrt, als die
offne Tür für alle Nationen, hat der Kaiser den Verdacht, als beabsichtige er
besondre Vorteile für sich herauszuschlagen, im voraus entkräftigt. Deutschland ist
mit dieser Forderung tatsächlich, im Gegensatz zu den Delcasse'schen Bestrebungen,
als der Mandatar aller Nationen aufgetreten, die in Marokko Interessen haben.
Auf diesem Standpunkte wird es auch verbleiben und wird im Notfalle über uoch
andre Mittel verfügen, ihm Nachdruck zu geben.
Vielleicht entschließt sich Delcasse, noch ehe diese Zeilen im Druck erscheinen,
in deu sauern Apfel zu beißen und seinen gewundnen Reden eine vernünftige Tat
folgen zu lassen. Es läge das nur im Interesse Frankreichs. Was die Idee einer
neuen marokkanischen Konferenz anlangt, so hat Deutschland keinen Grund, eine
solche anzuregen, kommt aber die Anregung mit einiger Aussicht auf Erfolg von
andrer Seite, so hat es auch keinen Grund, sich einer Konferenz zu entziehn, die
auf der Basis der „offnen Tür" znscunmentritt. Wir wollen nichts weiter als die
offne Tür, diese aber ganz und mit absolutester Vollständigkeit. Eine Gänsehaut
lvegen des Tangerbesuchs zu bekommen, sollten die Deutschen und namentlich die
deutschen Publizisten doch besser den Franzosen überlassen, und sie sollten nicht die
Geschäfte des Auslandes besorgen, indem sie wohlerwogne und durchaus gelungne
Schritte der deutschen Politik durch eine ebenso schwächliche wie kurzsichtige Kritik
abschwächen und vor dem Auslande diskreditieren. Auch für unsre Stellung in
Marokko muß das Wort gelten! „Dies ist unser, so laßt uns sagen, und so es
behaupten." Dieser Gedanke und nichts andres hat das persönliche Eingreifen des
Kaisers bestimmt und geleitet. An König Ednard wird so oft gelobt, daß er durch
geschickte persönliche Tätigkeit die Geschäfte und die Interessen seines Landes fördere;
Deshalb dem Kaiser diese Anerkennung, die das Ausland ihm bereitwillig zollt,
'n Deutschland versagen?
Der Verfasfungsantrag der Elsaß-Lothringer erfreut sich bis jetzt nur des
Segens der Zentrumsorgane, die dabei vielleicht von dem Hintergedanken erfüllt
s'ut, auf dem Wege über Straßburg dem Zentrumseinfluß die Pforten des Bundes¬
rath zu erschließen und in der umzugestaltenden Landesvertretung einen breitern
"nun, zu gewinnen. Die vier Paragraphen des Antrages, der übrigens bei Ab¬
lassung dieser Zeilen nnter den Drucksachen des Reichstags noch nicht erschienen,
wildem zunächst nnr in der Presse mitgeteilt worden ist, können auch für den Anhänger
Mes Inhalts keinen Gesetzentwurf, sondern höchstens Materialien zu einem solchen
darstellen. Will Elsaß-Lothringen auf seinen idealen Charakter als Reichsland ver¬
achten und deutscher Kleinstaat werden, so genügt nicht der Wunsch, „Staat"
^rden zu wollen, sondern es ist nötig, zu sagen, was für ein Staat. Die
>°uveräncn deutschen Staaten gliedern sich in Königreiche, Großherzogtümer, Herzog-
umer, Fürstentümer und freie Städte. Von diesen fünf Kategorien können die
^te und die beiden letzten nicht in Betracht kommen, es bliebe also wohl die
^"si zwischen Großherzogtum und Herzogtum. Wäre es für Elsaß-Lothringen
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