Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.Gin Besuch auf der Oerbrccherinsel Sachalin Schienen laufende Wagen verladen und in die Schuppen gerollt. Hierauf Nach dieser kleinen Studienreise in das Gebiet der Fischerei kehren wir Als wir am Hospital vorüber kamen, wollten wir versuchen, hier einen Als wir diese Stätte gerade wieder verlassen wollten, trat ein Soldat Gin Besuch auf der Oerbrccherinsel Sachalin Schienen laufende Wagen verladen und in die Schuppen gerollt. Hierauf Nach dieser kleinen Studienreise in das Gebiet der Fischerei kehren wir Als wir am Hospital vorüber kamen, wollten wir versuchen, hier einen Als wir diese Stätte gerade wieder verlassen wollten, trat ein Soldat <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0107" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297239"/> <fw type="header" place="top"> Gin Besuch auf der Oerbrccherinsel Sachalin</fw><lb/> <p xml:id="ID_343" prev="#ID_342"> Schienen laufende Wagen verladen und in die Schuppen gerollt. Hierauf<lb/> werden sie verschiednen Manipulationen unterzogen. Ein geringer Teil wird<lb/> gesalzen und kommt so in Fässer verpackt in den Handel. Der weitaus größte<lb/> Teil aber findet Verwendung als Düngemittel in Japan. Hierzu werden die<lb/> Heringe in riesigen Kesseln gekocht, in großen Pressen einem starken Druck<lb/> unterworfen und später an der Luft getrocknet. Das beim Pressen heraus¬<lb/> laufende Öl wird gesammelt und filtriert, dann nach Europa verschifft und zum<lb/> Fabrizieren billiger Seifen, Schmieröle usw. verwandt. Bis vor wenig Jahren<lb/> ließ man in Sachalin das Öl noch ins Meer laufen. Erst seit kurzem folgt<lb/> man dem Beispiel der Fischer andrer Länder und nutzt auch diesen Teil des<lb/> Herings aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_344"> Nach dieser kleinen Studienreise in das Gebiet der Fischerei kehren wir<lb/> wieder nach Korsakoffsk zurück. Hier benutzten wir den uns noch bleibenden<lb/> Tag, uns noch etwas in dem Orte selbst umzusehen. Gern hätten wir dem<lb/> Gefängnis einen Besuch abgestattet, doch sagte uns der Gouverneur, dessen<lb/> Persönliche Bekanntschaft wir machten, daß erst vor kurzem strikter Befehl aus<lb/> Petersburg gekommen sei, keinen Fremden mehr zur Besichtigung der Gefäng¬<lb/> nisse zuzulassen, da in der letzten Zeit zu viel darüber veröffentlicht worden<lb/> sei, und man die Wahrheit nicht gern höre! Wer sich für die Zustände in<lb/> den Gefängnissen und die Verhältnisse in dieser Verbrecherkolonie überhaupt<lb/> interessiert, dem empfehle ich das Studium des Buches „Die Verbrecherinsel<lb/> Sachalin" von W. Dorvschewitsch; Berlin, Verlag von Hugo Steinitz, das an<lb/> packenden Schilderungen ein klares Bild der entsetzlichen Zustände gibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_345"> Als wir am Hospital vorüber kamen, wollten wir versuchen, hier einen<lb/> kleinen Einblick zu bekommen, und während wir uns noch bemühten, uns<lb/> einigen dort herumstehenden Leuten verständlich zu machen, wurde uns ein<lb/> Zettel überreicht, durch den uns ein Mann in schlechtem Deutsch bat, ihn zu<lb/> besuchen. Er schrieb, er sei Deutscher, hätte gehört, daß Landsleute da seien,<lb/> und er könne das Bett nicht verlassen. Der Unglückliche, der mit sieben<lb/> andern Kranken in einem hellen Zimmer lag, stammte aus Riga und lebte<lb/> seit dreißig Jahren in der Verbannung auf Sachalin. Seit sechs Jahren<lb/> aber lag er schon, da er fast gänzlich gelähmt war, im Hospital fest zu Bett.<lb/> Die magern Hände gefaltet, bat uns der arme Mensch mit zitternder Stimme<lb/> um eine kleine Unterstützung. Vor allem wünschte er sich warme Decken und<lb/> Kleider sowie Tabak und Zigaretten. So weit wir konnten, halfen wir dem<lb/> nrmen Teufel. Was mochte wohl vor dreißig Jahren der Grund gewesen<lb/> sein, daß er in dieses gottvergessene Land geschickt worden war? Gern hätte<lb/> ich etwas über sein Schicksal erfahren, doch wagte ich es nicht, bei dem Kranken,<lb/> der wohl nicht mehr viel Lebenstage vor sich hatte, rin meinen Fragen<lb/> traurige Erinnerungen zu erwecken.</p><lb/> <p xml:id="ID_346" next="#ID_347"> Als wir diese Stätte gerade wieder verlassen wollten, trat ein Soldat<lb/> zu uns heran und meldete, der Herr Doktor ließe uns bitten, näher zu<lb/> treten. Neugierig, was der Herr von uns wollte, folgten wir und wurden<lb/> zu einem gegenüberliegenden, sonderbar aussehende!, Hause geführt. Es war<lb/> die Leichenhalle! Als wir näher traten, fanden wir den Arzt gerade damit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0107]
Gin Besuch auf der Oerbrccherinsel Sachalin
Schienen laufende Wagen verladen und in die Schuppen gerollt. Hierauf
werden sie verschiednen Manipulationen unterzogen. Ein geringer Teil wird
gesalzen und kommt so in Fässer verpackt in den Handel. Der weitaus größte
Teil aber findet Verwendung als Düngemittel in Japan. Hierzu werden die
Heringe in riesigen Kesseln gekocht, in großen Pressen einem starken Druck
unterworfen und später an der Luft getrocknet. Das beim Pressen heraus¬
laufende Öl wird gesammelt und filtriert, dann nach Europa verschifft und zum
Fabrizieren billiger Seifen, Schmieröle usw. verwandt. Bis vor wenig Jahren
ließ man in Sachalin das Öl noch ins Meer laufen. Erst seit kurzem folgt
man dem Beispiel der Fischer andrer Länder und nutzt auch diesen Teil des
Herings aus.
Nach dieser kleinen Studienreise in das Gebiet der Fischerei kehren wir
wieder nach Korsakoffsk zurück. Hier benutzten wir den uns noch bleibenden
Tag, uns noch etwas in dem Orte selbst umzusehen. Gern hätten wir dem
Gefängnis einen Besuch abgestattet, doch sagte uns der Gouverneur, dessen
Persönliche Bekanntschaft wir machten, daß erst vor kurzem strikter Befehl aus
Petersburg gekommen sei, keinen Fremden mehr zur Besichtigung der Gefäng¬
nisse zuzulassen, da in der letzten Zeit zu viel darüber veröffentlicht worden
sei, und man die Wahrheit nicht gern höre! Wer sich für die Zustände in
den Gefängnissen und die Verhältnisse in dieser Verbrecherkolonie überhaupt
interessiert, dem empfehle ich das Studium des Buches „Die Verbrecherinsel
Sachalin" von W. Dorvschewitsch; Berlin, Verlag von Hugo Steinitz, das an
packenden Schilderungen ein klares Bild der entsetzlichen Zustände gibt.
Als wir am Hospital vorüber kamen, wollten wir versuchen, hier einen
kleinen Einblick zu bekommen, und während wir uns noch bemühten, uns
einigen dort herumstehenden Leuten verständlich zu machen, wurde uns ein
Zettel überreicht, durch den uns ein Mann in schlechtem Deutsch bat, ihn zu
besuchen. Er schrieb, er sei Deutscher, hätte gehört, daß Landsleute da seien,
und er könne das Bett nicht verlassen. Der Unglückliche, der mit sieben
andern Kranken in einem hellen Zimmer lag, stammte aus Riga und lebte
seit dreißig Jahren in der Verbannung auf Sachalin. Seit sechs Jahren
aber lag er schon, da er fast gänzlich gelähmt war, im Hospital fest zu Bett.
Die magern Hände gefaltet, bat uns der arme Mensch mit zitternder Stimme
um eine kleine Unterstützung. Vor allem wünschte er sich warme Decken und
Kleider sowie Tabak und Zigaretten. So weit wir konnten, halfen wir dem
nrmen Teufel. Was mochte wohl vor dreißig Jahren der Grund gewesen
sein, daß er in dieses gottvergessene Land geschickt worden war? Gern hätte
ich etwas über sein Schicksal erfahren, doch wagte ich es nicht, bei dem Kranken,
der wohl nicht mehr viel Lebenstage vor sich hatte, rin meinen Fragen
traurige Erinnerungen zu erwecken.
Als wir diese Stätte gerade wieder verlassen wollten, trat ein Soldat
zu uns heran und meldete, der Herr Doktor ließe uns bitten, näher zu
treten. Neugierig, was der Herr von uns wollte, folgten wir und wurden
zu einem gegenüberliegenden, sonderbar aussehende!, Hause geführt. Es war
die Leichenhalle! Als wir näher traten, fanden wir den Arzt gerade damit
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