Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Unter Runden, Aomödianten und wilden Tieren

geben ließ, der Polizeidiener erschien, der mich fragte, was ich hier mache. Ich
erwiderte trocken, daß ich ein Glas Bier trinke. Er ermahnte mich, keine Vor¬
stellungen mit dem Elefanten zu geben, die Straße nicht zu versperren und dafür
zu sorgen, daß das Tier kein Unheil anrichte. Ich beruhigte ihn und verließ das
Dorf, wobei ich aber bemerkte, daß mich der Polizeidiener noch eine ganze Weile
im Ange behielt.

Im nächsten Dorfe wollte ich zu Mittag essen und fragte die Wirtin des
dortigen Gasthauses, deren Mann gerade abwesend war, wo ich den Elefanten ein¬
stellen könnte. Sie öffnete mir die Tür zur Scheune, und ich führte das Tier
hinein. Ich gebrauchte dabei die Vorsicht, es anzulegen und zum Überfluß noch
einen Jungen als Wache dabei aufzustellen, der mich rufen sollte, wenn der Elefant
etwa Dummheiten mache. Kurze Zeit darauf kam der Junge in die Gaststube
gerannt und sagte, der Elefant habe sich einen Sack Kleie genommen. Ich ging
in die Scheune, nahm dem Tiere den schon geöffneten Sack ab, strafte es mit der
Peitsche und kehrte zu meiner Mahlzeit zurück. Da kam Plötzlich der Wirt herein
und schimpfte gewaltig, daß ich den Elefanten in die Scheune gestellt hätte, wozu
mir doch sicher niemand die Erlaubnis gegeben habe. Ich sagte ihm, daß mir
seine Frau die Tür geöffnet hätte, und daß ich für den Schaden, den der Elefant
an dem Kleiesack angerichtet habe, aufkommen würde. Als ich meine Zeche beglich,
berechnete mir der liebenswürdige Wirt die paar Hände voll Kleie, die der Elefant
gefressen hatte, mit einer Mark und fünfzig Pfennigen.

Am dritten Tage Morgens gegen neun Uhr hatte ich eine Landstraße zu
Passieren, an deren Seite ein hoher Bahndamm entlang führte. Als ich diesen
Bahndamm sah, stieg schon eine böse Ahnung in mir auf, es würde vermutlich ein
Zug kommen, und wirklich dauerte es nicht lange, so rasselte schon in der Ferne
ein solches Ungeheuer heran. Ich legte sofort den Haken hinter das Ohr meines
Schutzbefohlnen, der denn auch bald den Zug bemerkte, beide Ohren nach vorn
streckte und gewaltig trompetete. Der Zug kam näher und näher, und der Elefant
setzte sich in Galopp. Ich wußte, daß ich den Haken nicht loslassen durfte, da ich
sonst die Herrschaft über das Tier verloren hätte, und ließ mich deshalb mit fort¬
reißen. Der Elefant lief so schnell, daß ich zeitweise kaum den Boden unter den
Füßen spürte, und erst, als wir die Unterführung des Bahndammes passiert hatten,
gelang es mir, das Tier zu beruhigen. Ich gab ihm ein Stück Brot und unter¬
suchte die Stelle hinter dem Ohr, wo ich den Haken eingesetzt gehabt hatte. Zu
meinem Schrecken bemerkte ich, daß hier eine Wunde von der Größe eines Daumens
war, die stark blutete. Nun war guter Rat teuer, aber ich wußte mir auch jetzt
wieder zu helfen, ließ mir im nächsten Dorfe bei einem Metzger für fünf Pfennige
Schweinefett geben und salbte die Wunde damit ein.

Erst am vierten Tage gegen halb elf Uhr Vormittags langte ich ohne weitere
Fährnisse in Saarbrücken an, wo man schon eifrig mit dem Aufbauen der Menagerie
beschäftigt war. Wir blieben dort acht Tage und reisten dann weiter zur Messe
nach Metz. Von dort ging es weiter über Karlsruhe, Mannheim und Worms nach
Frankfurt a. M. Da wir dort in unmittelbarer Nähe von Häusern standen, blieb es
nicht aus, daß sich die Einwohner über das nächtliche Gebrüll der Löwen be¬
schwerten, weshalb denn einer von uns Nachts bei den Tieren wachen und jeden
Brüllversuch mit Hilfe einer Peitsche im Keime ersticken mußte.

Am letzten Sonntag begannen wir mit den Vorbereitungen zum Abbruch,
beseitigten die Dekorationen an der Bühne und einzelne Panneaus der Hinterwand.
Bei der Sechsuhrvorstellnng hatte sich der Angestellte, der sonst bei der Schlangen-
avvtheose das Rotfeuer abbrennen mußte, entfernt, und ich erhielt den Auftrag,
statt seiner den Beleuchtungseffekt vorzubereiten, was ich noch niemals getan hatte.
Madame stand mit vier Schlangen auf der Bühne, und ich mußte mich nun be¬
eilen, das Präparat auf eine Pfanne zu schütten und anzuzünden, dabei fragte
mich der Wärter Michel in seinem Pfälzer Dialekt: "El, hascht ah schwarzes


Unter Runden, Aomödianten und wilden Tieren

geben ließ, der Polizeidiener erschien, der mich fragte, was ich hier mache. Ich
erwiderte trocken, daß ich ein Glas Bier trinke. Er ermahnte mich, keine Vor¬
stellungen mit dem Elefanten zu geben, die Straße nicht zu versperren und dafür
zu sorgen, daß das Tier kein Unheil anrichte. Ich beruhigte ihn und verließ das
Dorf, wobei ich aber bemerkte, daß mich der Polizeidiener noch eine ganze Weile
im Ange behielt.

Im nächsten Dorfe wollte ich zu Mittag essen und fragte die Wirtin des
dortigen Gasthauses, deren Mann gerade abwesend war, wo ich den Elefanten ein¬
stellen könnte. Sie öffnete mir die Tür zur Scheune, und ich führte das Tier
hinein. Ich gebrauchte dabei die Vorsicht, es anzulegen und zum Überfluß noch
einen Jungen als Wache dabei aufzustellen, der mich rufen sollte, wenn der Elefant
etwa Dummheiten mache. Kurze Zeit darauf kam der Junge in die Gaststube
gerannt und sagte, der Elefant habe sich einen Sack Kleie genommen. Ich ging
in die Scheune, nahm dem Tiere den schon geöffneten Sack ab, strafte es mit der
Peitsche und kehrte zu meiner Mahlzeit zurück. Da kam Plötzlich der Wirt herein
und schimpfte gewaltig, daß ich den Elefanten in die Scheune gestellt hätte, wozu
mir doch sicher niemand die Erlaubnis gegeben habe. Ich sagte ihm, daß mir
seine Frau die Tür geöffnet hätte, und daß ich für den Schaden, den der Elefant
an dem Kleiesack angerichtet habe, aufkommen würde. Als ich meine Zeche beglich,
berechnete mir der liebenswürdige Wirt die paar Hände voll Kleie, die der Elefant
gefressen hatte, mit einer Mark und fünfzig Pfennigen.

Am dritten Tage Morgens gegen neun Uhr hatte ich eine Landstraße zu
Passieren, an deren Seite ein hoher Bahndamm entlang führte. Als ich diesen
Bahndamm sah, stieg schon eine böse Ahnung in mir auf, es würde vermutlich ein
Zug kommen, und wirklich dauerte es nicht lange, so rasselte schon in der Ferne
ein solches Ungeheuer heran. Ich legte sofort den Haken hinter das Ohr meines
Schutzbefohlnen, der denn auch bald den Zug bemerkte, beide Ohren nach vorn
streckte und gewaltig trompetete. Der Zug kam näher und näher, und der Elefant
setzte sich in Galopp. Ich wußte, daß ich den Haken nicht loslassen durfte, da ich
sonst die Herrschaft über das Tier verloren hätte, und ließ mich deshalb mit fort¬
reißen. Der Elefant lief so schnell, daß ich zeitweise kaum den Boden unter den
Füßen spürte, und erst, als wir die Unterführung des Bahndammes passiert hatten,
gelang es mir, das Tier zu beruhigen. Ich gab ihm ein Stück Brot und unter¬
suchte die Stelle hinter dem Ohr, wo ich den Haken eingesetzt gehabt hatte. Zu
meinem Schrecken bemerkte ich, daß hier eine Wunde von der Größe eines Daumens
war, die stark blutete. Nun war guter Rat teuer, aber ich wußte mir auch jetzt
wieder zu helfen, ließ mir im nächsten Dorfe bei einem Metzger für fünf Pfennige
Schweinefett geben und salbte die Wunde damit ein.

Erst am vierten Tage gegen halb elf Uhr Vormittags langte ich ohne weitere
Fährnisse in Saarbrücken an, wo man schon eifrig mit dem Aufbauen der Menagerie
beschäftigt war. Wir blieben dort acht Tage und reisten dann weiter zur Messe
nach Metz. Von dort ging es weiter über Karlsruhe, Mannheim und Worms nach
Frankfurt a. M. Da wir dort in unmittelbarer Nähe von Häusern standen, blieb es
nicht aus, daß sich die Einwohner über das nächtliche Gebrüll der Löwen be¬
schwerten, weshalb denn einer von uns Nachts bei den Tieren wachen und jeden
Brüllversuch mit Hilfe einer Peitsche im Keime ersticken mußte.

Am letzten Sonntag begannen wir mit den Vorbereitungen zum Abbruch,
beseitigten die Dekorationen an der Bühne und einzelne Panneaus der Hinterwand.
Bei der Sechsuhrvorstellnng hatte sich der Angestellte, der sonst bei der Schlangen-
avvtheose das Rotfeuer abbrennen mußte, entfernt, und ich erhielt den Auftrag,
statt seiner den Beleuchtungseffekt vorzubereiten, was ich noch niemals getan hatte.
Madame stand mit vier Schlangen auf der Bühne, und ich mußte mich nun be¬
eilen, das Präparat auf eine Pfanne zu schütten und anzuzünden, dabei fragte
mich der Wärter Michel in seinem Pfälzer Dialekt: „El, hascht ah schwarzes


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296107"/>
          <fw type="header" place="top"> Unter Runden, Aomödianten und wilden Tieren</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_491" prev="#ID_490"> geben ließ, der Polizeidiener erschien, der mich fragte, was ich hier mache. Ich<lb/>
erwiderte trocken, daß ich ein Glas Bier trinke. Er ermahnte mich, keine Vor¬<lb/>
stellungen mit dem Elefanten zu geben, die Straße nicht zu versperren und dafür<lb/>
zu sorgen, daß das Tier kein Unheil anrichte. Ich beruhigte ihn und verließ das<lb/>
Dorf, wobei ich aber bemerkte, daß mich der Polizeidiener noch eine ganze Weile<lb/>
im Ange behielt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_492"> Im nächsten Dorfe wollte ich zu Mittag essen und fragte die Wirtin des<lb/>
dortigen Gasthauses, deren Mann gerade abwesend war, wo ich den Elefanten ein¬<lb/>
stellen könnte. Sie öffnete mir die Tür zur Scheune, und ich führte das Tier<lb/>
hinein. Ich gebrauchte dabei die Vorsicht, es anzulegen und zum Überfluß noch<lb/>
einen Jungen als Wache dabei aufzustellen, der mich rufen sollte, wenn der Elefant<lb/>
etwa Dummheiten mache. Kurze Zeit darauf kam der Junge in die Gaststube<lb/>
gerannt und sagte, der Elefant habe sich einen Sack Kleie genommen. Ich ging<lb/>
in die Scheune, nahm dem Tiere den schon geöffneten Sack ab, strafte es mit der<lb/>
Peitsche und kehrte zu meiner Mahlzeit zurück. Da kam Plötzlich der Wirt herein<lb/>
und schimpfte gewaltig, daß ich den Elefanten in die Scheune gestellt hätte, wozu<lb/>
mir doch sicher niemand die Erlaubnis gegeben habe. Ich sagte ihm, daß mir<lb/>
seine Frau die Tür geöffnet hätte, und daß ich für den Schaden, den der Elefant<lb/>
an dem Kleiesack angerichtet habe, aufkommen würde. Als ich meine Zeche beglich,<lb/>
berechnete mir der liebenswürdige Wirt die paar Hände voll Kleie, die der Elefant<lb/>
gefressen hatte, mit einer Mark und fünfzig Pfennigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_493"> Am dritten Tage Morgens gegen neun Uhr hatte ich eine Landstraße zu<lb/>
Passieren, an deren Seite ein hoher Bahndamm entlang führte. Als ich diesen<lb/>
Bahndamm sah, stieg schon eine böse Ahnung in mir auf, es würde vermutlich ein<lb/>
Zug kommen, und wirklich dauerte es nicht lange, so rasselte schon in der Ferne<lb/>
ein solches Ungeheuer heran. Ich legte sofort den Haken hinter das Ohr meines<lb/>
Schutzbefohlnen, der denn auch bald den Zug bemerkte, beide Ohren nach vorn<lb/>
streckte und gewaltig trompetete. Der Zug kam näher und näher, und der Elefant<lb/>
setzte sich in Galopp. Ich wußte, daß ich den Haken nicht loslassen durfte, da ich<lb/>
sonst die Herrschaft über das Tier verloren hätte, und ließ mich deshalb mit fort¬<lb/>
reißen. Der Elefant lief so schnell, daß ich zeitweise kaum den Boden unter den<lb/>
Füßen spürte, und erst, als wir die Unterführung des Bahndammes passiert hatten,<lb/>
gelang es mir, das Tier zu beruhigen. Ich gab ihm ein Stück Brot und unter¬<lb/>
suchte die Stelle hinter dem Ohr, wo ich den Haken eingesetzt gehabt hatte. Zu<lb/>
meinem Schrecken bemerkte ich, daß hier eine Wunde von der Größe eines Daumens<lb/>
war, die stark blutete. Nun war guter Rat teuer, aber ich wußte mir auch jetzt<lb/>
wieder zu helfen, ließ mir im nächsten Dorfe bei einem Metzger für fünf Pfennige<lb/>
Schweinefett geben und salbte die Wunde damit ein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_494"> Erst am vierten Tage gegen halb elf Uhr Vormittags langte ich ohne weitere<lb/>
Fährnisse in Saarbrücken an, wo man schon eifrig mit dem Aufbauen der Menagerie<lb/>
beschäftigt war. Wir blieben dort acht Tage und reisten dann weiter zur Messe<lb/>
nach Metz. Von dort ging es weiter über Karlsruhe, Mannheim und Worms nach<lb/>
Frankfurt a. M. Da wir dort in unmittelbarer Nähe von Häusern standen, blieb es<lb/>
nicht aus, daß sich die Einwohner über das nächtliche Gebrüll der Löwen be¬<lb/>
schwerten, weshalb denn einer von uns Nachts bei den Tieren wachen und jeden<lb/>
Brüllversuch mit Hilfe einer Peitsche im Keime ersticken mußte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_495" next="#ID_496"> Am letzten Sonntag begannen wir mit den Vorbereitungen zum Abbruch,<lb/>
beseitigten die Dekorationen an der Bühne und einzelne Panneaus der Hinterwand.<lb/>
Bei der Sechsuhrvorstellnng hatte sich der Angestellte, der sonst bei der Schlangen-<lb/>
avvtheose das Rotfeuer abbrennen mußte, entfernt, und ich erhielt den Auftrag,<lb/>
statt seiner den Beleuchtungseffekt vorzubereiten, was ich noch niemals getan hatte.<lb/>
Madame stand mit vier Schlangen auf der Bühne, und ich mußte mich nun be¬<lb/>
eilen, das Präparat auf eine Pfanne zu schütten und anzuzünden, dabei fragte<lb/>
mich der Wärter Michel in seinem Pfälzer Dialekt: &#x201E;El, hascht ah schwarzes</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0096] Unter Runden, Aomödianten und wilden Tieren geben ließ, der Polizeidiener erschien, der mich fragte, was ich hier mache. Ich erwiderte trocken, daß ich ein Glas Bier trinke. Er ermahnte mich, keine Vor¬ stellungen mit dem Elefanten zu geben, die Straße nicht zu versperren und dafür zu sorgen, daß das Tier kein Unheil anrichte. Ich beruhigte ihn und verließ das Dorf, wobei ich aber bemerkte, daß mich der Polizeidiener noch eine ganze Weile im Ange behielt. Im nächsten Dorfe wollte ich zu Mittag essen und fragte die Wirtin des dortigen Gasthauses, deren Mann gerade abwesend war, wo ich den Elefanten ein¬ stellen könnte. Sie öffnete mir die Tür zur Scheune, und ich führte das Tier hinein. Ich gebrauchte dabei die Vorsicht, es anzulegen und zum Überfluß noch einen Jungen als Wache dabei aufzustellen, der mich rufen sollte, wenn der Elefant etwa Dummheiten mache. Kurze Zeit darauf kam der Junge in die Gaststube gerannt und sagte, der Elefant habe sich einen Sack Kleie genommen. Ich ging in die Scheune, nahm dem Tiere den schon geöffneten Sack ab, strafte es mit der Peitsche und kehrte zu meiner Mahlzeit zurück. Da kam Plötzlich der Wirt herein und schimpfte gewaltig, daß ich den Elefanten in die Scheune gestellt hätte, wozu mir doch sicher niemand die Erlaubnis gegeben habe. Ich sagte ihm, daß mir seine Frau die Tür geöffnet hätte, und daß ich für den Schaden, den der Elefant an dem Kleiesack angerichtet habe, aufkommen würde. Als ich meine Zeche beglich, berechnete mir der liebenswürdige Wirt die paar Hände voll Kleie, die der Elefant gefressen hatte, mit einer Mark und fünfzig Pfennigen. Am dritten Tage Morgens gegen neun Uhr hatte ich eine Landstraße zu Passieren, an deren Seite ein hoher Bahndamm entlang führte. Als ich diesen Bahndamm sah, stieg schon eine böse Ahnung in mir auf, es würde vermutlich ein Zug kommen, und wirklich dauerte es nicht lange, so rasselte schon in der Ferne ein solches Ungeheuer heran. Ich legte sofort den Haken hinter das Ohr meines Schutzbefohlnen, der denn auch bald den Zug bemerkte, beide Ohren nach vorn streckte und gewaltig trompetete. Der Zug kam näher und näher, und der Elefant setzte sich in Galopp. Ich wußte, daß ich den Haken nicht loslassen durfte, da ich sonst die Herrschaft über das Tier verloren hätte, und ließ mich deshalb mit fort¬ reißen. Der Elefant lief so schnell, daß ich zeitweise kaum den Boden unter den Füßen spürte, und erst, als wir die Unterführung des Bahndammes passiert hatten, gelang es mir, das Tier zu beruhigen. Ich gab ihm ein Stück Brot und unter¬ suchte die Stelle hinter dem Ohr, wo ich den Haken eingesetzt gehabt hatte. Zu meinem Schrecken bemerkte ich, daß hier eine Wunde von der Größe eines Daumens war, die stark blutete. Nun war guter Rat teuer, aber ich wußte mir auch jetzt wieder zu helfen, ließ mir im nächsten Dorfe bei einem Metzger für fünf Pfennige Schweinefett geben und salbte die Wunde damit ein. Erst am vierten Tage gegen halb elf Uhr Vormittags langte ich ohne weitere Fährnisse in Saarbrücken an, wo man schon eifrig mit dem Aufbauen der Menagerie beschäftigt war. Wir blieben dort acht Tage und reisten dann weiter zur Messe nach Metz. Von dort ging es weiter über Karlsruhe, Mannheim und Worms nach Frankfurt a. M. Da wir dort in unmittelbarer Nähe von Häusern standen, blieb es nicht aus, daß sich die Einwohner über das nächtliche Gebrüll der Löwen be¬ schwerten, weshalb denn einer von uns Nachts bei den Tieren wachen und jeden Brüllversuch mit Hilfe einer Peitsche im Keime ersticken mußte. Am letzten Sonntag begannen wir mit den Vorbereitungen zum Abbruch, beseitigten die Dekorationen an der Bühne und einzelne Panneaus der Hinterwand. Bei der Sechsuhrvorstellnng hatte sich der Angestellte, der sonst bei der Schlangen- avvtheose das Rotfeuer abbrennen mußte, entfernt, und ich erhielt den Auftrag, statt seiner den Beleuchtungseffekt vorzubereiten, was ich noch niemals getan hatte. Madame stand mit vier Schlangen auf der Bühne, und ich mußte mich nun be¬ eilen, das Präparat auf eine Pfanne zu schütten und anzuzünden, dabei fragte mich der Wärter Michel in seinem Pfälzer Dialekt: „El, hascht ah schwarzes

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/96
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/96>, abgerufen am 15.01.2025.