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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Vor Lmtritt dos Großherzogtuins Baden in den Norddeutschen Bund

Anschluß den jüngsten Staatsvertrcigeu gemäß oder entgegen sei, füglich auf die
Zeit verschoben werden, da ein solcher Versuch gemacht werden und man von dem
Inhalte eines solchen Projects eine genauere Vorstellung haben könnte.

Ich ersuche Euere Excellenz, eine sich darbietende Gelegenheit auch dazu zu
benutzen, um Herrn Marquis von Moustier darauf aufmerksam zu machen, welchen
grundlosen und frivolen Denunciationen wir auch in Paris ausgesetzt sind, und
ihn zu bitten, die Angeber um Mittheilung irgend welcher ihre Insinuationen unter¬
stützender Thatsachen und Beweise zu ersuchen.

Interessant wäre mir, gelegentlich die Abmachungen kennen zu lernen, welche
etwa auch Frankreich als bei dem Nikolsburger und Prager Vertrage betheiligt,
und zur Ueberwachung des Vollzugs dieser Verträge berechtigt erscheinen lassen,
insbesondere Abschrift der Pariser Punktationen des Nikolsburger Vertrags zu
erhalten.


Hochachtungsvoll verharrend v. Freydorf.

Auf dementsprechend Eröffnungen gab de Moustier, der den Gesandten
schon wiederholt gelegentlich über die wegen des Eintritts Badens in den
Norddeutschen Bund -- auch in der Presse -- umlaufenden Gerüchte befragt
hatte, für die Mitteilung dankend, zu, daß diese die von ihm zur Sprache
gebrachten Behauptungen widerlege, fügte aber bei, daß die von ihm gestellte
Frage weniger die behauptete Tatsache des beabsichtigten Eintritts Badens
in den Norddeutschen Bund als eine militärische Unterordnung Badens unter
Preußen beträfe, die im Werke sei und Badens Unabhängigkeit für die Zukunft
bedrohen könnte, wogegen sich der Gesandte wieder auf die soeben abgeschlossenen
Stuttgarter Konferenzen berief, deren Gegenstand, die Erzielung einer bessern
militärischen Organisation zur Verteidigung des deutschen Südens, diese Unter¬
stellung an sich widerlegten.

Auch diese Unterredung war vertraulich, de Moustier beschränkte sich auf
gesprächsweise Fragen, ging nicht zu Beschwerden und Tadel über. Eine
ähnliche Unterredung hatte de Moustier auch mit dem bayrischen Gesandten
gehabt, in der er aber auf eine offizielle Kundgebung, auf eine Rede des
Ministers Fürsten Hohenlohe, fußen konnte, worin dieser gesagt hatte, in
Kriegszeiten sollte der militärische Oberbefehl dem König von Preußen über¬
tragen werden.

Der Gesandte machte darauf aufmerksam, daß in den jetzigen Zeiten keine
Kundgebung, kein Anzeichen übersehen werden dürfe, und daß man eine
Täuschung der öffentlichen Meinung des Auslands über die Richtung und
den Gang der badischen Politik verhüten und vermeiden müsse.

Seit längerer Zeit sei zu bemerken, daß die badische Regierung mehr als
jede andre die Zielscheibe ungerechter Beschuldigungen und übelwollender Aus¬
legungen sei; daß in diesem schon seit Jahren befolgten Verfahren ein ge¬
wisses System liege, das nicht ablasse, fortwährend zuzuschlagen. Diese An¬
griffe und Verleumdungen kämen aus Deutschland, von wo aus man das
Staatsoberhaupt als seiner Mission überdrüssig, die Regierung als zum Auf¬
geben ihrer Autonomie bereit darstelle. Ncimeutlich enthalte der "^öinxs" häufig
Artikel dieser Richtung.


Vor Lmtritt dos Großherzogtuins Baden in den Norddeutschen Bund

Anschluß den jüngsten Staatsvertrcigeu gemäß oder entgegen sei, füglich auf die
Zeit verschoben werden, da ein solcher Versuch gemacht werden und man von dem
Inhalte eines solchen Projects eine genauere Vorstellung haben könnte.

Ich ersuche Euere Excellenz, eine sich darbietende Gelegenheit auch dazu zu
benutzen, um Herrn Marquis von Moustier darauf aufmerksam zu machen, welchen
grundlosen und frivolen Denunciationen wir auch in Paris ausgesetzt sind, und
ihn zu bitten, die Angeber um Mittheilung irgend welcher ihre Insinuationen unter¬
stützender Thatsachen und Beweise zu ersuchen.

Interessant wäre mir, gelegentlich die Abmachungen kennen zu lernen, welche
etwa auch Frankreich als bei dem Nikolsburger und Prager Vertrage betheiligt,
und zur Ueberwachung des Vollzugs dieser Verträge berechtigt erscheinen lassen,
insbesondere Abschrift der Pariser Punktationen des Nikolsburger Vertrags zu
erhalten.


Hochachtungsvoll verharrend v. Freydorf.

Auf dementsprechend Eröffnungen gab de Moustier, der den Gesandten
schon wiederholt gelegentlich über die wegen des Eintritts Badens in den
Norddeutschen Bund — auch in der Presse — umlaufenden Gerüchte befragt
hatte, für die Mitteilung dankend, zu, daß diese die von ihm zur Sprache
gebrachten Behauptungen widerlege, fügte aber bei, daß die von ihm gestellte
Frage weniger die behauptete Tatsache des beabsichtigten Eintritts Badens
in den Norddeutschen Bund als eine militärische Unterordnung Badens unter
Preußen beträfe, die im Werke sei und Badens Unabhängigkeit für die Zukunft
bedrohen könnte, wogegen sich der Gesandte wieder auf die soeben abgeschlossenen
Stuttgarter Konferenzen berief, deren Gegenstand, die Erzielung einer bessern
militärischen Organisation zur Verteidigung des deutschen Südens, diese Unter¬
stellung an sich widerlegten.

Auch diese Unterredung war vertraulich, de Moustier beschränkte sich auf
gesprächsweise Fragen, ging nicht zu Beschwerden und Tadel über. Eine
ähnliche Unterredung hatte de Moustier auch mit dem bayrischen Gesandten
gehabt, in der er aber auf eine offizielle Kundgebung, auf eine Rede des
Ministers Fürsten Hohenlohe, fußen konnte, worin dieser gesagt hatte, in
Kriegszeiten sollte der militärische Oberbefehl dem König von Preußen über¬
tragen werden.

Der Gesandte machte darauf aufmerksam, daß in den jetzigen Zeiten keine
Kundgebung, kein Anzeichen übersehen werden dürfe, und daß man eine
Täuschung der öffentlichen Meinung des Auslands über die Richtung und
den Gang der badischen Politik verhüten und vermeiden müsse.

Seit längerer Zeit sei zu bemerken, daß die badische Regierung mehr als
jede andre die Zielscheibe ungerechter Beschuldigungen und übelwollender Aus¬
legungen sei; daß in diesem schon seit Jahren befolgten Verfahren ein ge¬
wisses System liege, das nicht ablasse, fortwährend zuzuschlagen. Diese An¬
griffe und Verleumdungen kämen aus Deutschland, von wo aus man das
Staatsoberhaupt als seiner Mission überdrüssig, die Regierung als zum Auf¬
geben ihrer Autonomie bereit darstelle. Ncimeutlich enthalte der „^öinxs" häufig
Artikel dieser Richtung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/70>, abgerufen am 15.01.2025.