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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

helfen, indem sie in entscheidenden Augenblicken etwas zu uns sagen und gleichsam
über uns einen unvergeßlichen Segen sprechen. Es ist nicht ganz so häufig, aber
es kommt auch vor.

Ich will dahingestellt sein lassen, ob das biblische Wort Manna auf die
verwunderte Frage der Kinder Israel: NW Irn? Was ist das? (Zuiü ggt Iioo?
zurückgeht. Gegenwärtig würde man darauf antworten: ein vegetarisches Speise-
haus. Ich will auch nicht untersuchen, ob der gute alte Sherry in Spanien
Ra-noir genannt wird, weil er sogar den ernsten Kastilianer aus dem Gleichgewichte
bringt und zu dem Rufe hinreißt: Hus Lwsrxo rxmoio! Welch ein alter Stoff!
Das Anekdotenhafte spielt bei dieser Art von Namengebung eine große Rolle. Die
altadliche neapolitanische Familie der Caraffa stammt angeblich von den Caraccioli;
ein Carnccioli soll im Jahre 982 Kaiser Otto II. in der Schlacht bei Cotrone das
Leben gerettet haben, indem er sich zwischen ihn und die Feinde warf, und tödlich
verwundet zu den Füßen des Kaisers niedergesunken sein. Gerührt habe sich der
Kaiser über den Tapfern gebeugt, ihm eigenhändig das Blut vom Panzer abge¬
wischt und dem Sterbenden zugerufen: Oara M in'ü la, vostra! Lieb ist mir eure
Treue! Und aus diesen kaiserlichen Worten hätten die Nachkommen den neuen
Familiennamen Caraffa gebildet und die drei beim Abwischen des Bluts entstandnen
weißen Streifen in ihr Wappen aufgenommen. Bei uns knüpft sich eine solche Sage
an die Familie Spiegel zum Desenberg. Der Urahn soll ein Franke gewesen sein
und mit Karl dem Großen gegen die Sachsen gefochten haben. Da wäre der
Kaiser mit ihm auf eine Anhöhe bei Paderborn gegangen und habe zu ihm gesagt:
Spiegel ti von desen Berg! wobei er ihm alles umliegende Land zu Lehen ge¬
geben habe.

Ariost leitet in seinem Rasenden Roland den Namen der Este von einer solchen
Belehnung ab; Karl der Große habe, indem er Ruggiero das alte Schloß Älteste
schenkte, die lateinische Formel gebraucht: Mio Kio cimnini! und danach seien die
Fürsten Este genannt worden. Orlando Fnnosv, Canto 41, Stanze 65.

Und um noch ein Histörchen aus der neuesten Zeit anzuführen: Vor zwanzig
Jahren starb der Wiener Polizeipräsident Karl Ritter Krticzka von Jaden. Dessen
Vater hatte unter Kaiser Ferdinand eine hervorragende Becuntenstellnng eingenommen
und sich darin durch Verläßlichkeit und Pünktlichkeit ausgezeichnet. Einmal war
der Kaiser mit einem Berichte, wegen der Klarheit und Exaktheit, ganz besonders
zufrieden gewesen; er wollte den Verfasser belohnen, hatte aber den schwer zu
merkenden Namen vergessen. Die Minister, die er deshalb befragte, rieten hin und
her, bis einer von ihnen sagte: Majestät meinen vielleicht den Krticzka? -- In, den!
erwiderte Kaiser Ferdinand. Als der Monarch den Beamten später in den Adel¬
stand erhob, wollte dieser die beiden für ihn so schmeichelhaften Wörtchen als
Prädikat genommen sehen, er nannte sich stolz: von Jaden.

Aber nicht bloß einzelne Familiennamen sind nach dieser Methode gebildet
worden, vielmehr reicht sie bis in die ersten Anfänge der Sprache zurück, ja für
Vater und Mutter haben wir keine andern Bezeichnungen als solche bei ihrem An¬
blick nusgestoßne Laute. Daß die Eltern ihre Namen den Kindern danken, klingt
ja selbstverständlich; aber es ist wichtig, sich klar zu machen, daß dies keine ab¬
strakten Begriffe sind, wie sie die Gelehrten den Kindern oktroyieren, sondern daß
das "nbewnßte Gelalle und Geplauder der kleinen Kinder direkt zum Titel der sie
pflegenden Eltern wird, und daß dann auch andre diesen Titel brauchen, um die
Eltern zu bezeichnen. Mit Ba Ba oder Ba Bei, wie die Franzosen schreiben: mit
Bi Be', beginnt alle menschliche Rede; es sind die ersten Laute, die die Säuglinge
stammelnd artikulieren, deshalb heißen die kleinen Kinder Babies, wie die italienischen
Gänschen: Paperl. Aber auch Vater und Mutter heißen so, sie werden ebenfalls
zu Babas, weil die Kiuder Baba machen, wenn sie nach ihnen verlangen -- Baba,
Babbe und Babbo sind uralte Kontingente der allgemeinen Kindersprache und Worte
nachgerade für alles, was die Kinder sehen und kennen lernen, nicht bloß für die


Maßgebliches und Unmaßgebliches

helfen, indem sie in entscheidenden Augenblicken etwas zu uns sagen und gleichsam
über uns einen unvergeßlichen Segen sprechen. Es ist nicht ganz so häufig, aber
es kommt auch vor.

Ich will dahingestellt sein lassen, ob das biblische Wort Manna auf die
verwunderte Frage der Kinder Israel: NW Irn? Was ist das? (Zuiü ggt Iioo?
zurückgeht. Gegenwärtig würde man darauf antworten: ein vegetarisches Speise-
haus. Ich will auch nicht untersuchen, ob der gute alte Sherry in Spanien
Ra-noir genannt wird, weil er sogar den ernsten Kastilianer aus dem Gleichgewichte
bringt und zu dem Rufe hinreißt: Hus Lwsrxo rxmoio! Welch ein alter Stoff!
Das Anekdotenhafte spielt bei dieser Art von Namengebung eine große Rolle. Die
altadliche neapolitanische Familie der Caraffa stammt angeblich von den Caraccioli;
ein Carnccioli soll im Jahre 982 Kaiser Otto II. in der Schlacht bei Cotrone das
Leben gerettet haben, indem er sich zwischen ihn und die Feinde warf, und tödlich
verwundet zu den Füßen des Kaisers niedergesunken sein. Gerührt habe sich der
Kaiser über den Tapfern gebeugt, ihm eigenhändig das Blut vom Panzer abge¬
wischt und dem Sterbenden zugerufen: Oara M in'ü la, vostra! Lieb ist mir eure
Treue! Und aus diesen kaiserlichen Worten hätten die Nachkommen den neuen
Familiennamen Caraffa gebildet und die drei beim Abwischen des Bluts entstandnen
weißen Streifen in ihr Wappen aufgenommen. Bei uns knüpft sich eine solche Sage
an die Familie Spiegel zum Desenberg. Der Urahn soll ein Franke gewesen sein
und mit Karl dem Großen gegen die Sachsen gefochten haben. Da wäre der
Kaiser mit ihm auf eine Anhöhe bei Paderborn gegangen und habe zu ihm gesagt:
Spiegel ti von desen Berg! wobei er ihm alles umliegende Land zu Lehen ge¬
geben habe.

Ariost leitet in seinem Rasenden Roland den Namen der Este von einer solchen
Belehnung ab; Karl der Große habe, indem er Ruggiero das alte Schloß Älteste
schenkte, die lateinische Formel gebraucht: Mio Kio cimnini! und danach seien die
Fürsten Este genannt worden. Orlando Fnnosv, Canto 41, Stanze 65.

Und um noch ein Histörchen aus der neuesten Zeit anzuführen: Vor zwanzig
Jahren starb der Wiener Polizeipräsident Karl Ritter Krticzka von Jaden. Dessen
Vater hatte unter Kaiser Ferdinand eine hervorragende Becuntenstellnng eingenommen
und sich darin durch Verläßlichkeit und Pünktlichkeit ausgezeichnet. Einmal war
der Kaiser mit einem Berichte, wegen der Klarheit und Exaktheit, ganz besonders
zufrieden gewesen; er wollte den Verfasser belohnen, hatte aber den schwer zu
merkenden Namen vergessen. Die Minister, die er deshalb befragte, rieten hin und
her, bis einer von ihnen sagte: Majestät meinen vielleicht den Krticzka? — In, den!
erwiderte Kaiser Ferdinand. Als der Monarch den Beamten später in den Adel¬
stand erhob, wollte dieser die beiden für ihn so schmeichelhaften Wörtchen als
Prädikat genommen sehen, er nannte sich stolz: von Jaden.

Aber nicht bloß einzelne Familiennamen sind nach dieser Methode gebildet
worden, vielmehr reicht sie bis in die ersten Anfänge der Sprache zurück, ja für
Vater und Mutter haben wir keine andern Bezeichnungen als solche bei ihrem An¬
blick nusgestoßne Laute. Daß die Eltern ihre Namen den Kindern danken, klingt
ja selbstverständlich; aber es ist wichtig, sich klar zu machen, daß dies keine ab¬
strakten Begriffe sind, wie sie die Gelehrten den Kindern oktroyieren, sondern daß
das »nbewnßte Gelalle und Geplauder der kleinen Kinder direkt zum Titel der sie
pflegenden Eltern wird, und daß dann auch andre diesen Titel brauchen, um die
Eltern zu bezeichnen. Mit Ba Ba oder Ba Bei, wie die Franzosen schreiben: mit
Bi Be', beginnt alle menschliche Rede; es sind die ersten Laute, die die Säuglinge
stammelnd artikulieren, deshalb heißen die kleinen Kinder Babies, wie die italienischen
Gänschen: Paperl. Aber auch Vater und Mutter heißen so, sie werden ebenfalls
zu Babas, weil die Kiuder Baba machen, wenn sie nach ihnen verlangen — Baba,
Babbe und Babbo sind uralte Kontingente der allgemeinen Kindersprache und Worte
nachgerade für alles, was die Kinder sehen und kennen lernen, nicht bloß für die


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[0690] Maßgebliches und Unmaßgebliches helfen, indem sie in entscheidenden Augenblicken etwas zu uns sagen und gleichsam über uns einen unvergeßlichen Segen sprechen. Es ist nicht ganz so häufig, aber es kommt auch vor. Ich will dahingestellt sein lassen, ob das biblische Wort Manna auf die verwunderte Frage der Kinder Israel: NW Irn? Was ist das? (Zuiü ggt Iioo? zurückgeht. Gegenwärtig würde man darauf antworten: ein vegetarisches Speise- haus. Ich will auch nicht untersuchen, ob der gute alte Sherry in Spanien Ra-noir genannt wird, weil er sogar den ernsten Kastilianer aus dem Gleichgewichte bringt und zu dem Rufe hinreißt: Hus Lwsrxo rxmoio! Welch ein alter Stoff! Das Anekdotenhafte spielt bei dieser Art von Namengebung eine große Rolle. Die altadliche neapolitanische Familie der Caraffa stammt angeblich von den Caraccioli; ein Carnccioli soll im Jahre 982 Kaiser Otto II. in der Schlacht bei Cotrone das Leben gerettet haben, indem er sich zwischen ihn und die Feinde warf, und tödlich verwundet zu den Füßen des Kaisers niedergesunken sein. Gerührt habe sich der Kaiser über den Tapfern gebeugt, ihm eigenhändig das Blut vom Panzer abge¬ wischt und dem Sterbenden zugerufen: Oara M in'ü la, vostra! Lieb ist mir eure Treue! Und aus diesen kaiserlichen Worten hätten die Nachkommen den neuen Familiennamen Caraffa gebildet und die drei beim Abwischen des Bluts entstandnen weißen Streifen in ihr Wappen aufgenommen. Bei uns knüpft sich eine solche Sage an die Familie Spiegel zum Desenberg. Der Urahn soll ein Franke gewesen sein und mit Karl dem Großen gegen die Sachsen gefochten haben. Da wäre der Kaiser mit ihm auf eine Anhöhe bei Paderborn gegangen und habe zu ihm gesagt: Spiegel ti von desen Berg! wobei er ihm alles umliegende Land zu Lehen ge¬ geben habe. Ariost leitet in seinem Rasenden Roland den Namen der Este von einer solchen Belehnung ab; Karl der Große habe, indem er Ruggiero das alte Schloß Älteste schenkte, die lateinische Formel gebraucht: Mio Kio cimnini! und danach seien die Fürsten Este genannt worden. Orlando Fnnosv, Canto 41, Stanze 65. Und um noch ein Histörchen aus der neuesten Zeit anzuführen: Vor zwanzig Jahren starb der Wiener Polizeipräsident Karl Ritter Krticzka von Jaden. Dessen Vater hatte unter Kaiser Ferdinand eine hervorragende Becuntenstellnng eingenommen und sich darin durch Verläßlichkeit und Pünktlichkeit ausgezeichnet. Einmal war der Kaiser mit einem Berichte, wegen der Klarheit und Exaktheit, ganz besonders zufrieden gewesen; er wollte den Verfasser belohnen, hatte aber den schwer zu merkenden Namen vergessen. Die Minister, die er deshalb befragte, rieten hin und her, bis einer von ihnen sagte: Majestät meinen vielleicht den Krticzka? — In, den! erwiderte Kaiser Ferdinand. Als der Monarch den Beamten später in den Adel¬ stand erhob, wollte dieser die beiden für ihn so schmeichelhaften Wörtchen als Prädikat genommen sehen, er nannte sich stolz: von Jaden. Aber nicht bloß einzelne Familiennamen sind nach dieser Methode gebildet worden, vielmehr reicht sie bis in die ersten Anfänge der Sprache zurück, ja für Vater und Mutter haben wir keine andern Bezeichnungen als solche bei ihrem An¬ blick nusgestoßne Laute. Daß die Eltern ihre Namen den Kindern danken, klingt ja selbstverständlich; aber es ist wichtig, sich klar zu machen, daß dies keine ab¬ strakten Begriffe sind, wie sie die Gelehrten den Kindern oktroyieren, sondern daß das »nbewnßte Gelalle und Geplauder der kleinen Kinder direkt zum Titel der sie pflegenden Eltern wird, und daß dann auch andre diesen Titel brauchen, um die Eltern zu bezeichnen. Mit Ba Ba oder Ba Bei, wie die Franzosen schreiben: mit Bi Be', beginnt alle menschliche Rede; es sind die ersten Laute, die die Säuglinge stammelnd artikulieren, deshalb heißen die kleinen Kinder Babies, wie die italienischen Gänschen: Paperl. Aber auch Vater und Mutter heißen so, sie werden ebenfalls zu Babas, weil die Kiuder Baba machen, wenn sie nach ihnen verlangen — Baba, Babbe und Babbo sind uralte Kontingente der allgemeinen Kindersprache und Worte nachgerade für alles, was die Kinder sehen und kennen lernen, nicht bloß für die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/690>, abgerufen am 15.01.2025.